Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Andre ihr Neffe war. Edwina entwand sich dieser Umstrickung mit der ihr eignen lacertenhaften Gewandtheit. Sie fand Alles, was sie da zu hören bekam, sogleich gar lieb und schön und doch bedauerte sie, sich bereits gebunden zu haben. Die Redselige mußte sich empfehlen. Edwina war es um Ruhe zu thun. Martha Ehlerdt hatte ihr einen Eindruck gemacht, von dem sie sich erholen mußte. Anders sein und glücklich! O wer das könnte! seufzte sie tiefauf. Endlich bekam sie eine Duenna, über die sie Anfangs mit der Jungfrau von Orleans hätte ausrufen mögen: Ach, es war nicht meine Wahl! Und sie hatte sie dennoch genommen! Es war beinahe jene Nachteule von neulich! Justizrath Luzius, dieser Seltsamste, Unerklärlichste aller Menschen, war bei Auszahlung der 30,000 Thaler in Mitthätigkeit versetzt worden. Die gräflich Treuenfels'sche Familie hatte ihn von je für ihre gerichtlich zu vollziehenden Acte benutzt. Edwina, eine Menschenkennerin durch und durch, hatte sogleich herausgebracht, daß dieser vielgesuchte, wenn auch grobe Mann die Verschwiegenheit selbst war, das lebendige Pflichtgefühl, trotz der Geschwätzigkeit seiner Angehörigen. Dazu wittern die Frauen augenblicklich die Ehe-Märtyrer! Edwina hatte der Justizräthin einen Besuch gemacht. Die Frau litt, wie bekannt, an dem Uebel Andre ihr Neffe war. Edwina entwand sich dieser Umstrickung mit der ihr eignen lacertenhaften Gewandtheit. Sie fand Alles, was sie da zu hören bekam, sogleich gar lieb und schön und doch bedauerte sie, sich bereits gebunden zu haben. Die Redselige mußte sich empfehlen. Edwina war es um Ruhe zu thun. Martha Ehlerdt hatte ihr einen Eindruck gemacht, von dem sie sich erholen mußte. Anders sein und glücklich! O wer das könnte! seufzte sie tiefauf. Endlich bekam sie eine Duenna, über die sie Anfangs mit der Jungfrau von Orleans hätte ausrufen mögen: Ach, es war nicht meine Wahl! Und sie hatte sie dennoch genommen! Es war beinahe jene Nachteule von neulich! Justizrath Luzius, dieser Seltsamste, Unerklärlichste aller Menschen, war bei Auszahlung der 30,000 Thaler in Mitthätigkeit versetzt worden. Die gräflich Treuenfels’sche Familie hatte ihn von je für ihre gerichtlich zu vollziehenden Acte benutzt. Edwina, eine Menschenkennerin durch und durch, hatte sogleich herausgebracht, daß dieser vielgesuchte, wenn auch grobe Mann die Verschwiegenheit selbst war, das lebendige Pflichtgefühl, trotz der Geschwätzigkeit seiner Angehörigen. Dazu wittern die Frauen augenblicklich die Ehe-Märtyrer! Edwina hatte der Justizräthin einen Besuch gemacht. Die Frau litt, wie bekannt, an dem Uebel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0080" n="74"/> Andre ihr Neffe war. Edwina entwand sich dieser Umstrickung mit der ihr eignen <ref xml:id="TEXTlacertenhaften" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLlacertenhaften">lacertenhaften</ref> Gewandtheit. Sie fand Alles, was sie da zu hören bekam, sogleich gar lieb und schön und doch bedauerte sie, sich bereits gebunden zu haben. Die Redselige mußte sich empfehlen. Edwina war es um Ruhe zu thun. Martha Ehlerdt hatte ihr einen Eindruck gemacht, von dem sie sich erholen mußte. Anders sein und glücklich! O wer das könnte! seufzte sie tiefauf.</p> <p>Endlich bekam sie eine Duenna, über die sie Anfangs mit der Jungfrau von Orleans hätte ausrufen mögen: <ref xml:id="TEXTAchBISWahl" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLAchBISWahl">Ach, es war nicht meine Wahl</ref>! Und sie hatte sie dennoch genommen! Es war beinahe jene Nachteule von neulich! Justizrath Luzius, dieser Seltsamste, Unerklärlichste aller Menschen, war bei Auszahlung der 30,000 Thaler in Mitthätigkeit versetzt worden. Die gräflich Treuenfels’sche Familie hatte ihn von je für ihre gerichtlich zu vollziehenden Acte benutzt. Edwina, eine Menschenkennerin durch und durch, hatte sogleich herausgebracht, daß dieser vielgesuchte, wenn auch grobe Mann die Verschwiegenheit selbst war, das lebendige Pflichtgefühl, trotz der Geschwätzigkeit seiner Angehörigen. Dazu wittern die Frauen augenblicklich die Ehe-Märtyrer! Edwina hatte der Justizräthin einen Besuch gemacht. Die Frau litt, wie bekannt, an dem Uebel </p> </div> </body> </text> </TEI> [74/0080]
Andre ihr Neffe war. Edwina entwand sich dieser Umstrickung mit der ihr eignen lacertenhaften Gewandtheit. Sie fand Alles, was sie da zu hören bekam, sogleich gar lieb und schön und doch bedauerte sie, sich bereits gebunden zu haben. Die Redselige mußte sich empfehlen. Edwina war es um Ruhe zu thun. Martha Ehlerdt hatte ihr einen Eindruck gemacht, von dem sie sich erholen mußte. Anders sein und glücklich! O wer das könnte! seufzte sie tiefauf.
Endlich bekam sie eine Duenna, über die sie Anfangs mit der Jungfrau von Orleans hätte ausrufen mögen: Ach, es war nicht meine Wahl! Und sie hatte sie dennoch genommen! Es war beinahe jene Nachteule von neulich! Justizrath Luzius, dieser Seltsamste, Unerklärlichste aller Menschen, war bei Auszahlung der 30,000 Thaler in Mitthätigkeit versetzt worden. Die gräflich Treuenfels’sche Familie hatte ihn von je für ihre gerichtlich zu vollziehenden Acte benutzt. Edwina, eine Menschenkennerin durch und durch, hatte sogleich herausgebracht, daß dieser vielgesuchte, wenn auch grobe Mann die Verschwiegenheit selbst war, das lebendige Pflichtgefühl, trotz der Geschwätzigkeit seiner Angehörigen. Dazu wittern die Frauen augenblicklich die Ehe-Märtyrer! Edwina hatte der Justizräthin einen Besuch gemacht. Die Frau litt, wie bekannt, an dem Uebel
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