Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Geld verschlang und bei deren Herstellung eine alte Frau, Frau Müller genannt, die im Hinterhof wohnende Großmutter, mitwirkte, ließ die Regierungsräthin ihren Schützling gewähren. Bald aber erkannte sie Schwächen, besonders die Eitelkeit in Edwinas Charakter und sie hatte da die Oberhand. Es war ja auch nur durch ihre Manie für epische und sonstige declamatorische Poesie möglich, daß Edwina Marloffs "Salon" überfüllt wurde und nach wenig Wochen sogar - ein Prinz zu ihren Füßen, wenn nicht lag, doch saß - Alles wie sie geplant hatte! Ihre Speculation schien glänzend zu gelingen. Die Regierungsräthin Brennicke war eine noch nicht entdeckte Sappho, eine zweite Ristori, eine Ziegler, Alles zu gleicher Zeit. Zuweilen hatte sie so viel Schwung, vom Frühstück an bis zum Zubettgehen nur in Versen zu reden, Rhythmus und Reim, auch Stabreim waren dann ihre gewöhnlichen Schwimmflossen. Wie ein fliegender Fisch erhob sie sich über die Oberfläche des Wassers. Für gewöhnlich war dies die Ostsee und der Höhepunkt, der ihr immer in Sicht blieb, Stubbenkammer. In die Nordsee machte sie manchmal Abstecher, aber die Dichter mußten ihr nicht zu viel von den Möven singen, mehr von den Seekönigen und den versunkenen Städten. Die Wikinger fuhren bei ihr hin und her; nur bis nach Geld verschlang und bei deren Herstellung eine alte Frau, Frau Müller genannt, die im Hinterhof wohnende Großmutter, mitwirkte, ließ die Regierungsräthin ihren Schützling gewähren. Bald aber erkannte sie Schwächen, besonders die Eitelkeit in Edwinas Charakter und sie hatte da die Oberhand. Es war ja auch nur durch ihre Manie für epische und sonstige declamatorische Poesie möglich, daß Edwina Marloffs „Salon“ überfüllt wurde und nach wenig Wochen sogar – ein Prinz zu ihren Füßen, wenn nicht lag, doch saß – Alles wie sie geplant hatte! Ihre Speculation schien glänzend zu gelingen. Die Regierungsräthin Brennicke war eine noch nicht entdeckte Sappho, eine zweite Ristori, eine Ziegler, Alles zu gleicher Zeit. Zuweilen hatte sie so viel Schwung, vom Frühstück an bis zum Zubettgehen nur in Versen zu reden, Rhythmus und Reim, auch Stabreim waren dann ihre gewöhnlichen Schwimmflossen. Wie ein fliegender Fisch erhob sie sich über die Oberfläche des Wassers. Für gewöhnlich war dies die Ostsee und der Höhepunkt, der ihr immer in Sicht blieb, Stubbenkammer. In die Nordsee machte sie manchmal Abstecher, aber die Dichter mußten ihr nicht zu viel von den Möven singen, mehr von den Seekönigen und den versunkenen Städten. Die Wikinger fuhren bei ihr hin und her; nur bis nach <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0087" n="81"/> Geld verschlang und bei deren Herstellung eine alte Frau, Frau Müller genannt, die im Hinterhof wohnende Großmutter, mitwirkte, ließ die Regierungsräthin ihren Schützling gewähren. Bald aber erkannte sie Schwächen, besonders die Eitelkeit in Edwinas Charakter und sie hatte da die Oberhand. Es war ja auch nur durch ihre Manie für epische und sonstige declamatorische Poesie möglich, daß Edwina Marloffs „Salon“ überfüllt wurde und nach wenig Wochen sogar – ein Prinz zu ihren Füßen, wenn nicht lag, doch saß – Alles wie sie geplant hatte! Ihre Speculation schien glänzend zu gelingen.</p> <p>Die Regierungsräthin Brennicke war <ref xml:id="TEXTeinenochBISZiegler" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLeinenochBISZiegler">eine noch nicht entdeckte Sappho, eine zweite Ristori, eine Ziegler</ref>, Alles zu gleicher Zeit. Zuweilen hatte sie so viel Schwung, vom Frühstück an bis zum Zubettgehen nur in Versen zu reden, Rhythmus und Reim, auch Stabreim waren dann ihre gewöhnlichen Schwimmflossen. Wie ein fliegender Fisch erhob sie sich über die Oberfläche des Wassers. Für gewöhnlich war dies die Ostsee und der Höhepunkt, der ihr immer in Sicht blieb, <ref xml:id="TEXTStubbenkammer" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLStubbenkammer">Stubbenkammer</ref>. In die Nordsee machte sie manchmal Abstecher, aber die Dichter mußten ihr nicht zu viel von den Möven singen, mehr von <ref xml:id="TEXTdenSeekoenigenBISStaedten" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLdenSeekoenigenBISStaedten">den Seekönigen und den versunkenen Städten</ref>. Die Wikinger fuhren bei ihr hin und her; nur bis nach </p> </div> </body> </text> </TEI> [81/0087]
Geld verschlang und bei deren Herstellung eine alte Frau, Frau Müller genannt, die im Hinterhof wohnende Großmutter, mitwirkte, ließ die Regierungsräthin ihren Schützling gewähren. Bald aber erkannte sie Schwächen, besonders die Eitelkeit in Edwinas Charakter und sie hatte da die Oberhand. Es war ja auch nur durch ihre Manie für epische und sonstige declamatorische Poesie möglich, daß Edwina Marloffs „Salon“ überfüllt wurde und nach wenig Wochen sogar – ein Prinz zu ihren Füßen, wenn nicht lag, doch saß – Alles wie sie geplant hatte! Ihre Speculation schien glänzend zu gelingen.
Die Regierungsräthin Brennicke war eine noch nicht entdeckte Sappho, eine zweite Ristori, eine Ziegler, Alles zu gleicher Zeit. Zuweilen hatte sie so viel Schwung, vom Frühstück an bis zum Zubettgehen nur in Versen zu reden, Rhythmus und Reim, auch Stabreim waren dann ihre gewöhnlichen Schwimmflossen. Wie ein fliegender Fisch erhob sie sich über die Oberfläche des Wassers. Für gewöhnlich war dies die Ostsee und der Höhepunkt, der ihr immer in Sicht blieb, Stubbenkammer. In die Nordsee machte sie manchmal Abstecher, aber die Dichter mußten ihr nicht zu viel von den Möven singen, mehr von den Seekönigen und den versunkenen Städten. Die Wikinger fuhren bei ihr hin und her; nur bis nach
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