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Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

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wie hoch sie ihn noch hebt! Vorläufig hat er ja die productive Rente in der Fabrik eingeführt! Er mußte darüber laut auflachen.

Eines Tages trat auch Graf Udo ganz ungeladen in diesen abendlichen traulichen Kreis sogar. Der alte Althing erschrak nicht wenig über diese Dreistigkeit des hochgestellten, allerdings jede kalte Begrüßung entwaffnenden liebenswürdigen Mannes. Mutter und Tochter waren so artig, wie sonst. Holl, Wolny, die geladen waren, veranlaßten ein kühleres Vorgestelltwerden. Den Capitän Holl erinnerte sich der Graf schon flüchtig bei Rauden gesehen zu haben. Es war doch in ihm der Aristokrat, der Holl gleich eine dienende Stellung zu geben suchte. Es gelang ihm nicht. Man erwärmte sich allmälig; hatte ja auch Graf Udo die Welt gesehen, wenn auch nur als Leidender. Bald vermittelte er sein eigenes Vorleben mit den Eindrücken, die ihm die neuen Bekanntschaften hervorriefen. Ottomar schien der Unbefangenste und war gegen ihn vollkommen herzlich. Denn Ottomars Gewissen war ja rein. Er hatte auch nicht einen Schritt gethan, um seinem glühenden Empfinden für das Weib seines Freundes einen Ausdruck oder weitere Nahrung zu geben. Kein Brief war von ihm geschrieben, kein Besuch abgestattet, ob auch noch die Küsse der göttlichen Frau auf seinen Lippen brannten. Er entschuldigte sich für seine

wie hoch sie ihn noch hebt! Vorläufig hat er ja die productive Rente in der Fabrik eingeführt! Er mußte darüber laut auflachen.

Eines Tages trat auch Graf Udo ganz ungeladen in diesen abendlichen traulichen Kreis sogar. Der alte Althing erschrak nicht wenig über diese Dreistigkeit des hochgestellten, allerdings jede kalte Begrüßung entwaffnenden liebenswürdigen Mannes. Mutter und Tochter waren so artig, wie sonst. Holl, Wolny, die geladen waren, veranlaßten ein kühleres Vorgestelltwerden. Den Capitän Holl erinnerte sich der Graf schon flüchtig bei Rauden gesehen zu haben. Es war doch in ihm der Aristokrat, der Holl gleich eine dienende Stellung zu geben suchte. Es gelang ihm nicht. Man erwärmte sich allmälig; hatte ja auch Graf Udo die Welt gesehen, wenn auch nur als Leidender. Bald vermittelte er sein eigenes Vorleben mit den Eindrücken, die ihm die neuen Bekanntschaften hervorriefen. Ottomar schien der Unbefangenste und war gegen ihn vollkommen herzlich. Denn Ottomars Gewissen war ja rein. Er hatte auch nicht einen Schritt gethan, um seinem glühenden Empfinden für das Weib seines Freundes einen Ausdruck oder weitere Nahrung zu geben. Kein Brief war von ihm geschrieben, kein Besuch abgestattet, ob auch noch die Küsse der göttlichen Frau auf seinen Lippen brannten. Er entschuldigte sich für seine

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[122/0128] wie hoch sie ihn noch hebt! Vorläufig hat er ja die productive Rente in der Fabrik eingeführt! Er mußte darüber laut auflachen. Eines Tages trat auch Graf Udo ganz ungeladen in diesen abendlichen traulichen Kreis sogar. Der alte Althing erschrak nicht wenig über diese Dreistigkeit des hochgestellten, allerdings jede kalte Begrüßung entwaffnenden liebenswürdigen Mannes. Mutter und Tochter waren so artig, wie sonst. Holl, Wolny, die geladen waren, veranlaßten ein kühleres Vorgestelltwerden. Den Capitän Holl erinnerte sich der Graf schon flüchtig bei Rauden gesehen zu haben. Es war doch in ihm der Aristokrat, der Holl gleich eine dienende Stellung zu geben suchte. Es gelang ihm nicht. Man erwärmte sich allmälig; hatte ja auch Graf Udo die Welt gesehen, wenn auch nur als Leidender. Bald vermittelte er sein eigenes Vorleben mit den Eindrücken, die ihm die neuen Bekanntschaften hervorriefen. Ottomar schien der Unbefangenste und war gegen ihn vollkommen herzlich. Denn Ottomars Gewissen war ja rein. Er hatte auch nicht einen Schritt gethan, um seinem glühenden Empfinden für das Weib seines Freundes einen Ausdruck oder weitere Nahrung zu geben. Kein Brief war von ihm geschrieben, kein Besuch abgestattet, ob auch noch die Küsse der göttlichen Frau auf seinen Lippen brannten. Er entschuldigte sich für seine

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/128>, abgerufen am 24.11.2024.