Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Sitzen eingeschlummerte Kind mit den herabhängenden Haaren, ganz in Ruhestand versetzten Armmuskeln, dem gesenkten schönen Kopfe, dem ganzen Stillstand eines übermüdeten menschlichen Organismus auf sie wirken können. Da hatte sie das Bild der Ergebung in Alles. Aber davon war bei ihr keine Rede. Diese Einrichtung hier - vielleicht folgte ihr diese auch, wenn der Graf großmüthig war. Sie wußte, daß sie nach dem, was sie heute vorhatte, den Rubikon überschritt. Sollte sie die silberne Klingel ergreifen, die sie mit der Welt außer mehreren Schellenzügen, die da im schönsten maurischen Dessin an der Wand hingen, in Verbindung erhielt? Sollte sie ihre Kammerzofe, die ständig mit ihren Garderobe-Interessen zu thun hatte, den Diener, der ihr allein gehörte, und den das ganze Haus vermittelnden La Rose etwa befragen, wie es draußen aussähe? Ob die Arche Noäh noch schwämme auf den Gewässern? Nirgendwo Land! Land! gerufen würde? Die Generalin noch da wäre? Ihr Bruder, der für sie gar nicht mehr existirte? Noch immer nicht der Herr Assessor Althing gekommen wäre? O dieser Ottomar! Diese männliche Sprödigkeit! Diese trotzige Sittlichkeit! Ich muß ihn zu Allem, was mir doch nothwendig ist und auch sein geheimster Wunsch - denn er liebt mich - zwingen! Sie mochte mit dem Sitzen eingeschlummerte Kind mit den herabhängenden Haaren, ganz in Ruhestand versetzten Armmuskeln, dem gesenkten schönen Kopfe, dem ganzen Stillstand eines übermüdeten menschlichen Organismus auf sie wirken können. Da hatte sie das Bild der Ergebung in Alles. Aber davon war bei ihr keine Rede. Diese Einrichtung hier – vielleicht folgte ihr diese auch, wenn der Graf großmüthig war. Sie wußte, daß sie nach dem, was sie heute vorhatte, den Rubikon überschritt. Sollte sie die silberne Klingel ergreifen, die sie mit der Welt außer mehreren Schellenzügen, die da im schönsten maurischen Dessin an der Wand hingen, in Verbindung erhielt? Sollte sie ihre Kammerzofe, die ständig mit ihren Garderobe-Interessen zu thun hatte, den Diener, der ihr allein gehörte, und den das ganze Haus vermittelnden La Rose etwa befragen, wie es draußen aussähe? Ob die Arche Noäh noch schwämme auf den Gewässern? Nirgendwo Land! Land! gerufen würde? Die Generalin noch da wäre? Ihr Bruder, der für sie gar nicht mehr existirte? Noch immer nicht der Herr Assessor Althing gekommen wäre? O dieser Ottomar! Diese männliche Sprödigkeit! Diese trotzige Sittlichkeit! Ich muß ihn zu Allem, was mir doch nothwendig ist und auch sein geheimster Wunsch – denn er liebt mich – zwingen! Sie mochte mit dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0167" n="161"/> Sitzen eingeschlummerte Kind mit den herabhängenden Haaren, ganz in Ruhestand versetzten Armmuskeln, dem gesenkten schönen Kopfe, dem ganzen Stillstand eines übermüdeten menschlichen Organismus auf sie wirken können. Da hatte sie das Bild der Ergebung in Alles. Aber davon war bei ihr keine Rede. Diese Einrichtung hier – vielleicht folgte ihr diese auch, wenn der Graf großmüthig war. Sie wußte, daß sie nach dem, was sie heute vorhatte, den Rubikon überschritt.</p> <p>Sollte sie die silberne Klingel ergreifen, die sie mit der Welt außer mehreren Schellenzügen, die da im schönsten maurischen Dessin an der Wand hingen, in Verbindung erhielt? Sollte sie ihre Kammerzofe, die ständig mit ihren Garderobe-Interessen zu thun hatte, den Diener, der ihr allein gehörte, und den das ganze Haus vermittelnden La Rose etwa befragen, wie es draußen aussähe? Ob die Arche Noäh noch schwämme auf den Gewässern? Nirgendwo Land! Land! gerufen würde? Die Generalin noch da wäre? Ihr Bruder, der für sie gar nicht mehr existirte? Noch immer nicht der Herr Assessor Althing gekommen wäre?</p> <p>O dieser Ottomar! Diese männliche Sprödigkeit! Diese trotzige Sittlichkeit! Ich muß ihn zu Allem, was mir doch nothwendig ist und auch sein geheimster Wunsch – denn er liebt mich – zwingen! Sie mochte mit dem </p> </div> </body> </text> </TEI> [161/0167]
Sitzen eingeschlummerte Kind mit den herabhängenden Haaren, ganz in Ruhestand versetzten Armmuskeln, dem gesenkten schönen Kopfe, dem ganzen Stillstand eines übermüdeten menschlichen Organismus auf sie wirken können. Da hatte sie das Bild der Ergebung in Alles. Aber davon war bei ihr keine Rede. Diese Einrichtung hier – vielleicht folgte ihr diese auch, wenn der Graf großmüthig war. Sie wußte, daß sie nach dem, was sie heute vorhatte, den Rubikon überschritt.
Sollte sie die silberne Klingel ergreifen, die sie mit der Welt außer mehreren Schellenzügen, die da im schönsten maurischen Dessin an der Wand hingen, in Verbindung erhielt? Sollte sie ihre Kammerzofe, die ständig mit ihren Garderobe-Interessen zu thun hatte, den Diener, der ihr allein gehörte, und den das ganze Haus vermittelnden La Rose etwa befragen, wie es draußen aussähe? Ob die Arche Noäh noch schwämme auf den Gewässern? Nirgendwo Land! Land! gerufen würde? Die Generalin noch da wäre? Ihr Bruder, der für sie gar nicht mehr existirte? Noch immer nicht der Herr Assessor Althing gekommen wäre?
O dieser Ottomar! Diese männliche Sprödigkeit! Diese trotzige Sittlichkeit! Ich muß ihn zu Allem, was mir doch nothwendig ist und auch sein geheimster Wunsch – denn er liebt mich – zwingen! Sie mochte mit dem
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/167>, abgerufen am 16.02.2025. |