Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.er Helenen zu sagen wagte, er wäre mit einer tiefen Verstimmung und Enttäuschung aus Italien zurückgekehrt. Nichts hätte sich für Ada sympathisch wirkend dort gestalten wollen. Ihre Parteilichkeit für ihre Mutter (deren unwürdiges Betragen, auf die künftige Vermählung ihrer Tochter hin Schulden zu machen, sie doch zu beurtheilen Verstand genug gehabt hätte -! eine Aeußerung gegen Ottomar) hätte den ersten Anstoß zu Differenzen gegeben, die bis zum gegenseitigen Vorwerfen der Willenlosigkeit, eines passiven Müssens gegangen wären, denen man sich eben gefügt hätte. Auch Ada selbst hatte gelegentlich zu Helenen gesagt: Wie soll ich mir nur diesen schlechten Charakterzug abgewöhnen, den meines Wissens alle Frauen haben, immer, wenn der Anstoß dazu gegeben wird, sich über einen einzelnen Gegenstand zu beklagen, sogleich die Veranlassung zu ergreifen, einen ganzen Waschkübel voll Bosheit auszuschütten! Helene hatte lachend erwidert: Liebe Freundin (so wollte Ada von ihr genannt sein), das erklärt sich aus einem zu lange zurückgedrängten Triebe zur Meinungsäußerung! Die Bildung legt uns diesen Zwang auf! Selbst meine gute Mama, die gewiß ein Engel ist, weil sie sonst (unter uns gesagt) mit dem Vater nicht ausgekommen wäre, geht gewöhnlich, wenn es eine Differenz giebt - und das kann des Morgens beim Kaffee kommen - er Helenen zu sagen wagte, er wäre mit einer tiefen Verstimmung und Enttäuschung aus Italien zurückgekehrt. Nichts hätte sich für Ada sympathisch wirkend dort gestalten wollen. Ihre Parteilichkeit für ihre Mutter (deren unwürdiges Betragen, auf die künftige Vermählung ihrer Tochter hin Schulden zu machen, sie doch zu beurtheilen Verstand genug gehabt hätte –! eine Aeußerung gegen Ottomar) hätte den ersten Anstoß zu Differenzen gegeben, die bis zum gegenseitigen Vorwerfen der Willenlosigkeit, eines passiven Müssens gegangen wären, denen man sich eben gefügt hätte. Auch Ada selbst hatte gelegentlich zu Helenen gesagt: Wie soll ich mir nur diesen schlechten Charakterzug abgewöhnen, den meines Wissens alle Frauen haben, immer, wenn der Anstoß dazu gegeben wird, sich über einen einzelnen Gegenstand zu beklagen, sogleich die Veranlassung zu ergreifen, einen ganzen Waschkübel voll Bosheit auszuschütten! Helene hatte lachend erwidert: Liebe Freundin (so wollte Ada von ihr genannt sein), das erklärt sich aus einem zu lange zurückgedrängten Triebe zur Meinungsäußerung! Die Bildung legt uns diesen Zwang auf! Selbst meine gute Mama, die gewiß ein Engel ist, weil sie sonst (unter uns gesagt) mit dem Vater nicht ausgekommen wäre, geht gewöhnlich, wenn es eine Differenz giebt – und das kann des Morgens beim Kaffee kommen – <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017" n="11"/> er Helenen zu sagen wagte, er wäre mit einer tiefen Verstimmung und Enttäuschung aus Italien zurückgekehrt. Nichts hätte sich für Ada sympathisch wirkend dort gestalten wollen. Ihre Parteilichkeit für ihre Mutter (deren unwürdiges Betragen, auf die künftige Vermählung ihrer Tochter hin Schulden zu machen, sie doch zu beurtheilen Verstand genug gehabt hätte –! eine Aeußerung gegen Ottomar) hätte den ersten Anstoß zu Differenzen gegeben, die bis zum gegenseitigen Vorwerfen der Willenlosigkeit, eines passiven Müssens gegangen wären, denen man sich eben gefügt hätte. Auch Ada selbst hatte gelegentlich zu Helenen gesagt: Wie soll ich mir nur diesen schlechten Charakterzug abgewöhnen, den meines Wissens alle Frauen haben, immer, wenn der Anstoß dazu gegeben wird, sich über einen einzelnen Gegenstand zu beklagen, sogleich die Veranlassung zu ergreifen, einen ganzen Waschkübel voll Bosheit auszuschütten! Helene hatte lachend erwidert: Liebe Freundin (so wollte Ada von ihr genannt sein), das erklärt sich aus einem zu lange zurückgedrängten Triebe zur Meinungsäußerung! Die Bildung legt uns diesen Zwang auf! Selbst meine gute Mama, die gewiß ein Engel ist, weil sie sonst (unter uns gesagt) mit dem Vater nicht ausgekommen wäre, geht gewöhnlich, wenn es eine Differenz giebt – und das kann des Morgens beim Kaffee kommen – </p> </div> </body> </text> </TEI> [11/0017]
er Helenen zu sagen wagte, er wäre mit einer tiefen Verstimmung und Enttäuschung aus Italien zurückgekehrt. Nichts hätte sich für Ada sympathisch wirkend dort gestalten wollen. Ihre Parteilichkeit für ihre Mutter (deren unwürdiges Betragen, auf die künftige Vermählung ihrer Tochter hin Schulden zu machen, sie doch zu beurtheilen Verstand genug gehabt hätte –! eine Aeußerung gegen Ottomar) hätte den ersten Anstoß zu Differenzen gegeben, die bis zum gegenseitigen Vorwerfen der Willenlosigkeit, eines passiven Müssens gegangen wären, denen man sich eben gefügt hätte. Auch Ada selbst hatte gelegentlich zu Helenen gesagt: Wie soll ich mir nur diesen schlechten Charakterzug abgewöhnen, den meines Wissens alle Frauen haben, immer, wenn der Anstoß dazu gegeben wird, sich über einen einzelnen Gegenstand zu beklagen, sogleich die Veranlassung zu ergreifen, einen ganzen Waschkübel voll Bosheit auszuschütten! Helene hatte lachend erwidert: Liebe Freundin (so wollte Ada von ihr genannt sein), das erklärt sich aus einem zu lange zurückgedrängten Triebe zur Meinungsäußerung! Die Bildung legt uns diesen Zwang auf! Selbst meine gute Mama, die gewiß ein Engel ist, weil sie sonst (unter uns gesagt) mit dem Vater nicht ausgekommen wäre, geht gewöhnlich, wenn es eine Differenz giebt – und das kann des Morgens beim Kaffee kommen –
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