Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Helene wollte auf dies rücksichtslose Wort des Grafen laut auflachen. Aber sie vermochte es doch nicht recht. Ihr Lachen wurde nur ein Ansatz zum Erzittern ihres ganzen Seins; auch zum Erzittern vor Furcht. Denn Neues sagte ihr dies Bekenntniß nicht, nur das Alte in sinnlicherer, die äußerste Gefahr drohender Form. Der Graf war kaum wiederzuerkennen. Er spielte förmlich mit seinem Opfer, das ihm heute gewiß erschien. Denn der Regen strömte. Es mußte das geöffnete Fenster des Wassers wegen wieder geschlossen werden. Der Regenschirm des Dieners, der auch den Kutscher zu decken hatte, verhinderte jeden Einblick in den Wagen, der völlig dunkel blieb und kaum beide auf den schwellenden Kissen ruhende Gestalten in Umrissen erkennen ließ. Nicht Mitleid, Uebermuth, mindestens Seligkeit und Glück waren es, wenn Graf Udo im Stande war, nach einem so gewagten Worte ganz, als wäre Nichts geschehen, wieder auf Goethes Frauengestalten zurückzukommen und zu sagen: Ihr Vater zerstört wirklich Alles! Sogar, was er selbst geschaffen hat! Er wird noch das Monument meines Onkels zerstören! Und nach Allem, was man hört, mit Recht! entgegnete Helene, sich Muth fassend. Es ist wieder sein "Amor und Psyche", die in Thon zusammenbrachen, das Schöne, das am Gemeinen scheitert! Aber Papa Helene wollte auf dies rücksichtslose Wort des Grafen laut auflachen. Aber sie vermochte es doch nicht recht. Ihr Lachen wurde nur ein Ansatz zum Erzittern ihres ganzen Seins; auch zum Erzittern vor Furcht. Denn Neues sagte ihr dies Bekenntniß nicht, nur das Alte in sinnlicherer, die äußerste Gefahr drohender Form. Der Graf war kaum wiederzuerkennen. Er spielte förmlich mit seinem Opfer, das ihm heute gewiß erschien. Denn der Regen strömte. Es mußte das geöffnete Fenster des Wassers wegen wieder geschlossen werden. Der Regenschirm des Dieners, der auch den Kutscher zu decken hatte, verhinderte jeden Einblick in den Wagen, der völlig dunkel blieb und kaum beide auf den schwellenden Kissen ruhende Gestalten in Umrissen erkennen ließ. Nicht Mitleid, Uebermuth, mindestens Seligkeit und Glück waren es, wenn Graf Udo im Stande war, nach einem so gewagten Worte ganz, als wäre Nichts geschehen, wieder auf Goethes Frauengestalten zurückzukommen und zu sagen: Ihr Vater zerstört wirklich Alles! Sogar, was er selbst geschaffen hat! Er wird noch das Monument meines Onkels zerstören! Und nach Allem, was man hört, mit Recht! entgegnete Helene, sich Muth fassend. Es ist wieder sein „Amor und Psyche“, die in Thon zusammenbrachen, das Schöne, das am Gemeinen scheitert! Aber Papa <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0024" n="18"/> <p> Helene wollte auf dies rücksichtslose Wort des Grafen laut auflachen. Aber sie vermochte es doch nicht recht. Ihr Lachen wurde nur ein Ansatz zum Erzittern ihres ganzen Seins; auch zum Erzittern vor Furcht. Denn Neues sagte ihr dies Bekenntniß nicht, nur das Alte in sinnlicherer, die äußerste Gefahr drohender Form.</p> <p>Der Graf war kaum wiederzuerkennen. Er spielte förmlich mit seinem Opfer, das ihm heute gewiß erschien. Denn der Regen strömte. Es mußte das geöffnete Fenster des Wassers wegen wieder geschlossen werden. Der Regenschirm des Dieners, der auch den Kutscher zu decken hatte, verhinderte jeden Einblick in den Wagen, der völlig dunkel blieb und kaum beide auf den schwellenden Kissen ruhende Gestalten in Umrissen erkennen ließ.</p> <p>Nicht Mitleid, Uebermuth, mindestens Seligkeit und Glück waren es, wenn Graf Udo im Stande war, nach einem so gewagten Worte ganz, als wäre Nichts geschehen, wieder auf Goethes Frauengestalten zurückzukommen und zu sagen: Ihr Vater zerstört wirklich Alles! Sogar, was er selbst geschaffen hat! Er wird noch das Monument meines Onkels zerstören!</p> <p>Und nach Allem, was man hört, mit Recht! entgegnete Helene, sich Muth fassend. Es ist wieder sein „Amor und Psyche“, die in Thon zusammenbrachen, das Schöne, das am Gemeinen scheitert! Aber Papa </p> </div> </body> </text> </TEI> [18/0024]
Helene wollte auf dies rücksichtslose Wort des Grafen laut auflachen. Aber sie vermochte es doch nicht recht. Ihr Lachen wurde nur ein Ansatz zum Erzittern ihres ganzen Seins; auch zum Erzittern vor Furcht. Denn Neues sagte ihr dies Bekenntniß nicht, nur das Alte in sinnlicherer, die äußerste Gefahr drohender Form.
Der Graf war kaum wiederzuerkennen. Er spielte förmlich mit seinem Opfer, das ihm heute gewiß erschien. Denn der Regen strömte. Es mußte das geöffnete Fenster des Wassers wegen wieder geschlossen werden. Der Regenschirm des Dieners, der auch den Kutscher zu decken hatte, verhinderte jeden Einblick in den Wagen, der völlig dunkel blieb und kaum beide auf den schwellenden Kissen ruhende Gestalten in Umrissen erkennen ließ.
Nicht Mitleid, Uebermuth, mindestens Seligkeit und Glück waren es, wenn Graf Udo im Stande war, nach einem so gewagten Worte ganz, als wäre Nichts geschehen, wieder auf Goethes Frauengestalten zurückzukommen und zu sagen: Ihr Vater zerstört wirklich Alles! Sogar, was er selbst geschaffen hat! Er wird noch das Monument meines Onkels zerstören!
Und nach Allem, was man hört, mit Recht! entgegnete Helene, sich Muth fassend. Es ist wieder sein „Amor und Psyche“, die in Thon zusammenbrachen, das Schöne, das am Gemeinen scheitert! Aber Papa
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-02-19T11:57:26Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>)
(2014-02-19T11:57:26Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |