Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

bereits gefallenen Barte über einige Stationen herum nach Hamburg eilen und über Meer mußte, wenn er nicht ein Jahr mehr sitzen wollte. Zunächst galt es eine sichere Station an der Eisenbahn finden, wo man harmlos den Perron betreten und etwa in nächtlicher Stille in ein Coupe schlüpfen konnte. Aber der Gründer aller Gründer konnte diese Entscheidung nicht lange genug hinausziehen. Er quälte den ohnehin auf's Aeußerste erbitterten Assessor, der den Tag über in allen Lehrbüchern des Handelsrechts, in den Sammlungen von Gerichtsentscheidungen, dann wieder in Rombergs Nervenkrankheiten und Traubes Schriften blätterte, mit allen Capriolen eines etwa unter die Luftpumpe gesetzten Frosches. Baron Cohn, nur gewohnt in Glanz und Fülle, tonangebend in den Coursberichten, in den Zeitungen, den Geldangelegenheiten der Großen zu leben, sollte sich abwesend machen, um eine Gefängnißstrafe zu vermeiden! Er hätte schreien mögen, daß man es bis an die Börse hörte! Nur eine Secunde zu schweigen, war ihm ohnehin unmöglich, wenn er nicht grade einen Andern sprechen hören mußte. Er sollte hier englische Werke lesen, um sich auf die Flucht nach Angelsachsen vorzubereiten! Gott im Himmel, auf den Verkehr mit Hoboken und Broadway! rief er sich schüttelnd aus. Um der Frau Assessorin zu imponiren, verlangte er grade im Gegentheil Schiller

bereits gefallenen Barte über einige Stationen herum nach Hamburg eilen und über Meer mußte, wenn er nicht ein Jahr mehr sitzen wollte. Zunächst galt es eine sichere Station an der Eisenbahn finden, wo man harmlos den Perron betreten und etwa in nächtlicher Stille in ein Coupé schlüpfen konnte. Aber der Gründer aller Gründer konnte diese Entscheidung nicht lange genug hinausziehen. Er quälte den ohnehin auf’s Aeußerste erbitterten Assessor, der den Tag über in allen Lehrbüchern des Handelsrechts, in den Sammlungen von Gerichtsentscheidungen, dann wieder in Rombergs Nervenkrankheiten und Traubes Schriften blätterte, mit allen Capriolen eines etwa unter die Luftpumpe gesetzten Frosches. Baron Cohn, nur gewohnt in Glanz und Fülle, tonangebend in den Coursberichten, in den Zeitungen, den Geldangelegenheiten der Großen zu leben, sollte sich abwesend machen, um eine Gefängnißstrafe zu vermeiden! Er hätte schreien mögen, daß man es bis an die Börse hörte! Nur eine Secunde zu schweigen, war ihm ohnehin unmöglich, wenn er nicht grade einen Andern sprechen hören mußte. Er sollte hier englische Werke lesen, um sich auf die Flucht nach Angelsachsen vorzubereiten! Gott im Himmel, auf den Verkehr mit Hoboken und Broadway! rief er sich schüttelnd aus. Um der Frau Assessorin zu imponiren, verlangte er grade im Gegentheil Schiller

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0247" n="241"/>
bereits gefallenen Barte über einige Stationen herum nach Hamburg eilen und über Meer mußte, wenn er nicht ein Jahr mehr sitzen wollte. Zunächst galt es eine sichere Station an der Eisenbahn finden, wo man harmlos den Perron betreten und etwa in nächtlicher Stille in ein Coupé schlüpfen konnte. Aber der Gründer aller Gründer konnte diese Entscheidung nicht lange genug hinausziehen. Er quälte den ohnehin auf&#x2019;s Aeußerste erbitterten Assessor, der den Tag über in allen Lehrbüchern des Handelsrechts, in den Sammlungen von Gerichtsentscheidungen, dann wieder in Rombergs Nervenkrankheiten und Traubes Schriften blätterte, mit allen Capriolen eines etwa unter die Luftpumpe gesetzten Frosches. Baron Cohn, nur gewohnt in Glanz und Fülle, tonangebend in den Coursberichten, in den Zeitungen, den Geldangelegenheiten der Großen zu leben, sollte sich abwesend machen, um eine Gefängnißstrafe zu vermeiden! Er hätte schreien mögen, daß man es bis an die Börse hörte! Nur eine Secunde zu schweigen, war ihm ohnehin unmöglich, wenn er nicht grade einen Andern sprechen hören mußte. Er sollte hier englische Werke lesen, um sich auf die Flucht nach Angelsachsen vorzubereiten! Gott im Himmel, auf den Verkehr mit Hoboken und Broadway! rief er sich schüttelnd aus. Um der Frau Assessorin zu imponiren, verlangte er grade im Gegentheil Schiller
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0247] bereits gefallenen Barte über einige Stationen herum nach Hamburg eilen und über Meer mußte, wenn er nicht ein Jahr mehr sitzen wollte. Zunächst galt es eine sichere Station an der Eisenbahn finden, wo man harmlos den Perron betreten und etwa in nächtlicher Stille in ein Coupé schlüpfen konnte. Aber der Gründer aller Gründer konnte diese Entscheidung nicht lange genug hinausziehen. Er quälte den ohnehin auf’s Aeußerste erbitterten Assessor, der den Tag über in allen Lehrbüchern des Handelsrechts, in den Sammlungen von Gerichtsentscheidungen, dann wieder in Rombergs Nervenkrankheiten und Traubes Schriften blätterte, mit allen Capriolen eines etwa unter die Luftpumpe gesetzten Frosches. Baron Cohn, nur gewohnt in Glanz und Fülle, tonangebend in den Coursberichten, in den Zeitungen, den Geldangelegenheiten der Großen zu leben, sollte sich abwesend machen, um eine Gefängnißstrafe zu vermeiden! Er hätte schreien mögen, daß man es bis an die Börse hörte! Nur eine Secunde zu schweigen, war ihm ohnehin unmöglich, wenn er nicht grade einen Andern sprechen hören mußte. Er sollte hier englische Werke lesen, um sich auf die Flucht nach Angelsachsen vorzubereiten! Gott im Himmel, auf den Verkehr mit Hoboken und Broadway! rief er sich schüttelnd aus. Um der Frau Assessorin zu imponiren, verlangte er grade im Gegentheil Schiller

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T11:57:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>) (2014-02-19T11:57:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/247
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/247>, abgerufen am 22.11.2024.