Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.bei andrer Gelegenheit Vorwürfe, hält bei mir nicht lange Stich. An dem Tage, wo ich Helenens Ablehnung empfing, ging ich in's Theater! Das gestand er sich selbst, und mit innerm Vorwurf. Aber darum konnte ihn doch Nichts recht trösten und aufrichten. Kein Buch, kein Musikstück, keine Zerstreuung durch den Besuch einer von der Stadt etwas entlegeneren minder gewöhnlichen Gegend. In allen Wäldern, in allen Schatten, im Sonnenschein, in Wolken - in Alles legte er elegische Gedanken. Ueberall sah er den Regenbogen, über welchem die goldlockige Iris, Helene Holl, dahinschritt. Was sie diesem wohl verbunden hat? sprach er kopfschüttelnd und voll Eifersucht. Nach dem Süden zu sehnte er sich sehr zurück. Er hatte den großen Staatsmann gesprochen, der ihm seines häuslichen Unglücks wegen aufrichtig sein Bedauern aussprach und ihm rieth, doch ja in die alte Laufbahn zurückzukehren. Sie würde ihn zerstreuen. Sein Posten sei ja noch unbesetzt und brächte keine andre Sorgen, als wenn einmal ein deutsches Schiff im Golf von Biscaya gescheitert wäre. Zum Diplomaten im großen Styl taugen Sie nicht, lieber Graf! hatte rundweg die Diagnose des berühmten Staatenlenkers gelautet. Der von einer so dictatorischen Aeußerung Ueberraschte, fast Verletzte, drückte sein: Warum nicht? bei andrer Gelegenheit Vorwürfe, hält bei mir nicht lange Stich. An dem Tage, wo ich Helenens Ablehnung empfing, ging ich in’s Theater! Das gestand er sich selbst, und mit innerm Vorwurf. Aber darum konnte ihn doch Nichts recht trösten und aufrichten. Kein Buch, kein Musikstück, keine Zerstreuung durch den Besuch einer von der Stadt etwas entlegeneren minder gewöhnlichen Gegend. In allen Wäldern, in allen Schatten, im Sonnenschein, in Wolken – in Alles legte er elegische Gedanken. Ueberall sah er den Regenbogen, über welchem die goldlockige Iris, Helene Holl, dahinschritt. Was sie diesem wohl verbunden hat? sprach er kopfschüttelnd und voll Eifersucht. Nach dem Süden zu sehnte er sich sehr zurück. Er hatte den großen Staatsmann gesprochen, der ihm seines häuslichen Unglücks wegen aufrichtig sein Bedauern aussprach und ihm rieth, doch ja in die alte Laufbahn zurückzukehren. Sie würde ihn zerstreuen. Sein Posten sei ja noch unbesetzt und brächte keine andre Sorgen, als wenn einmal ein deutsches Schiff im Golf von Biscaya gescheitert wäre. Zum Diplomaten im großen Styl taugen Sie nicht, lieber Graf! hatte rundweg die Diagnose des berühmten Staatenlenkers gelautet. Der von einer so dictatorischen Aeußerung Ueberraschte, fast Verletzte, drückte sein: Warum nicht? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0279" n="273"/> bei andrer Gelegenheit Vorwürfe, hält bei mir nicht lange Stich. An dem Tage, wo ich Helenens Ablehnung empfing, ging ich in’s Theater! Das gestand er sich selbst, und mit innerm Vorwurf. Aber darum konnte ihn doch Nichts recht trösten und aufrichten. Kein Buch, kein Musikstück, keine Zerstreuung durch den Besuch einer von der Stadt etwas entlegeneren minder gewöhnlichen Gegend. In allen Wäldern, in allen Schatten, im Sonnenschein, in Wolken – in Alles legte er elegische Gedanken. Ueberall sah er den Regenbogen, über welchem die goldlockige Iris, Helene Holl, dahinschritt. Was sie diesem wohl verbunden hat? sprach er kopfschüttelnd und voll Eifersucht.</p> <p>Nach dem Süden zu sehnte er sich sehr zurück. Er hatte den großen Staatsmann gesprochen, der ihm seines häuslichen Unglücks wegen aufrichtig sein Bedauern aussprach und ihm rieth, doch ja in die alte Laufbahn zurückzukehren. Sie würde ihn zerstreuen. Sein Posten sei ja noch unbesetzt und brächte keine andre Sorgen, als wenn einmal ein deutsches Schiff im Golf von Biscaya gescheitert wäre. Zum Diplomaten im großen Styl taugen Sie nicht, lieber Graf! hatte rundweg die Diagnose des berühmten Staatenlenkers gelautet.</p> <p>Der von einer so dictatorischen Aeußerung Ueberraschte, fast Verletzte, drückte sein: Warum nicht? </p> </div> </body> </text> </TEI> [273/0279]
bei andrer Gelegenheit Vorwürfe, hält bei mir nicht lange Stich. An dem Tage, wo ich Helenens Ablehnung empfing, ging ich in’s Theater! Das gestand er sich selbst, und mit innerm Vorwurf. Aber darum konnte ihn doch Nichts recht trösten und aufrichten. Kein Buch, kein Musikstück, keine Zerstreuung durch den Besuch einer von der Stadt etwas entlegeneren minder gewöhnlichen Gegend. In allen Wäldern, in allen Schatten, im Sonnenschein, in Wolken – in Alles legte er elegische Gedanken. Ueberall sah er den Regenbogen, über welchem die goldlockige Iris, Helene Holl, dahinschritt. Was sie diesem wohl verbunden hat? sprach er kopfschüttelnd und voll Eifersucht.
Nach dem Süden zu sehnte er sich sehr zurück. Er hatte den großen Staatsmann gesprochen, der ihm seines häuslichen Unglücks wegen aufrichtig sein Bedauern aussprach und ihm rieth, doch ja in die alte Laufbahn zurückzukehren. Sie würde ihn zerstreuen. Sein Posten sei ja noch unbesetzt und brächte keine andre Sorgen, als wenn einmal ein deutsches Schiff im Golf von Biscaya gescheitert wäre. Zum Diplomaten im großen Styl taugen Sie nicht, lieber Graf! hatte rundweg die Diagnose des berühmten Staatenlenkers gelautet.
Der von einer so dictatorischen Aeußerung Ueberraschte, fast Verletzte, drückte sein: Warum nicht?
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