Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Und diese ganze Gruppe war in einer finstern, sterndunkeln Nacht muthwillig zerstört worden! Ja, es ging das Gerücht, der Todtengräber hätte noch spät Abends eine verschleierte Dame mit einem kleinen Herrn vorfahren sehen, die kurz vor Schluß des Friedhofes Einlaß begehrten. Der bestallte Wächter hätte die Dame für die Wittwe gehalten, die in berechtigter Weise das Denkmal oft besucht, früher sich selbst dort die Gruft angeordnet hätte. Der Wagen wäre dann davongefahren und hätte, nach angestellter Untersuchung, an einer andern Stelle des mit andern Kirchhöfen ohne Mauern, nur durch Hecken verbundenen Friedhofes bis spät Abends gehalten. Mit einem spitzigen Werkzeuge, wahrscheinlich einem Hammer, war von Jemand, der mehr Kraft in den Armen hatte, als die Matrone, dieser Frevel verübt worden. Köpfe, Arme, Beine, Alles lag rund zerschlagen!

In Italien würde man vom Neide eines Künstlers gesprochen haben. Hier sprach man von der alten Gräfin Treuenfels, die von Geistlichen beeinflußt, schon lange im Geiste umflort, diese That in Folge einer plötzlichen Exaltation oder einer langen trübsinnigen Grübelei verübt hätte. Es seien ihr Enthüllungen nach dem Tode ihres Mannes über eine Untreue desselben zugekommen, die mit dem neulich verübten "Straßenmorde" zusammen hingen. Daß die männliche Begleitung auf einen

Und diese ganze Gruppe war in einer finstern, sterndunkeln Nacht muthwillig zerstört worden! Ja, es ging das Gerücht, der Todtengräber hätte noch spät Abends eine verschleierte Dame mit einem kleinen Herrn vorfahren sehen, die kurz vor Schluß des Friedhofes Einlaß begehrten. Der bestallte Wächter hätte die Dame für die Wittwe gehalten, die in berechtigter Weise das Denkmal oft besucht, früher sich selbst dort die Gruft angeordnet hätte. Der Wagen wäre dann davongefahren und hätte, nach angestellter Untersuchung, an einer andern Stelle des mit andern Kirchhöfen ohne Mauern, nur durch Hecken verbundenen Friedhofes bis spät Abends gehalten. Mit einem spitzigen Werkzeuge, wahrscheinlich einem Hammer, war von Jemand, der mehr Kraft in den Armen hatte, als die Matrone, dieser Frevel verübt worden. Köpfe, Arme, Beine, Alles lag rund zerschlagen!

In Italien würde man vom Neide eines Künstlers gesprochen haben. Hier sprach man von der alten Gräfin Treuenfels, die von Geistlichen beeinflußt, schon lange im Geiste umflort, diese That in Folge einer plötzlichen Exaltation oder einer langen trübsinnigen Grübelei verübt hätte. Es seien ihr Enthüllungen nach dem Tode ihres Mannes über eine Untreue desselben zugekommen, die mit dem neulich verübten „Straßenmorde“ zusammen hingen. Daß die männliche Begleitung auf einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0302" n="296"/>
        <p> Und diese ganze Gruppe war in einer finstern, sterndunkeln Nacht muthwillig zerstört worden! Ja, es ging das Gerücht, der Todtengräber hätte noch spät Abends eine verschleierte Dame mit einem kleinen Herrn vorfahren sehen, die kurz vor Schluß des Friedhofes Einlaß begehrten. Der bestallte Wächter hätte die Dame für die Wittwe gehalten, die in berechtigter Weise das Denkmal oft besucht, früher sich selbst dort die Gruft angeordnet hätte. Der Wagen wäre dann davongefahren und hätte, nach angestellter Untersuchung, an einer andern Stelle des mit andern Kirchhöfen ohne Mauern, nur durch Hecken verbundenen Friedhofes bis spät Abends gehalten. Mit einem spitzigen Werkzeuge, wahrscheinlich einem Hammer, war von Jemand, der mehr Kraft in den Armen hatte, als die Matrone, dieser Frevel verübt worden. Köpfe, Arme, Beine, Alles lag rund zerschlagen!</p>
        <p>In Italien würde man vom Neide eines Künstlers gesprochen haben. Hier sprach man von der alten Gräfin Treuenfels, die von Geistlichen beeinflußt, schon lange im Geiste umflort, diese That in Folge einer plötzlichen Exaltation oder einer langen trübsinnigen Grübelei verübt hätte. Es seien ihr Enthüllungen nach dem Tode ihres Mannes über eine Untreue desselben zugekommen, die mit dem neulich verübten &#x201E;Straßenmorde&#x201C; zusammen hingen. Daß die männliche Begleitung auf einen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0302] Und diese ganze Gruppe war in einer finstern, sterndunkeln Nacht muthwillig zerstört worden! Ja, es ging das Gerücht, der Todtengräber hätte noch spät Abends eine verschleierte Dame mit einem kleinen Herrn vorfahren sehen, die kurz vor Schluß des Friedhofes Einlaß begehrten. Der bestallte Wächter hätte die Dame für die Wittwe gehalten, die in berechtigter Weise das Denkmal oft besucht, früher sich selbst dort die Gruft angeordnet hätte. Der Wagen wäre dann davongefahren und hätte, nach angestellter Untersuchung, an einer andern Stelle des mit andern Kirchhöfen ohne Mauern, nur durch Hecken verbundenen Friedhofes bis spät Abends gehalten. Mit einem spitzigen Werkzeuge, wahrscheinlich einem Hammer, war von Jemand, der mehr Kraft in den Armen hatte, als die Matrone, dieser Frevel verübt worden. Köpfe, Arme, Beine, Alles lag rund zerschlagen! In Italien würde man vom Neide eines Künstlers gesprochen haben. Hier sprach man von der alten Gräfin Treuenfels, die von Geistlichen beeinflußt, schon lange im Geiste umflort, diese That in Folge einer plötzlichen Exaltation oder einer langen trübsinnigen Grübelei verübt hätte. Es seien ihr Enthüllungen nach dem Tode ihres Mannes über eine Untreue desselben zugekommen, die mit dem neulich verübten „Straßenmorde“ zusammen hingen. Daß die männliche Begleitung auf einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T11:57:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>) (2014-02-19T11:57:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/302
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/302>, abgerufen am 18.12.2024.