Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

seraphischen Heerschaarenhimmel! Die Narren und Närrinnen in allerlei Gestalt, die sich sonst bei Edwina die Tafelfreuden bekommen ließen und auf den edlen Prinzen brannten, sind fortgefegt. Man paukt nicht mehr Clavier, singt nicht mehr den schrecklichen Erlkönig, declamirt nicht mehr, faselt nicht mehr über das, was Genius heißt, ohne ihn selbst zu besitzen. Wir trinken jetzt mehr Bier als Champagner, sprechen natürlich, denken zeitgemäß, ich habe eine andere Welt um Edwina eingeführt. Die menschlichen Ahnungen werden auch ohne Musik bei uns begriffen. Fürst Rauden, Sternschnuppe durch und durch, hoffte in mir einen Agitator für seinen Zukunftsmusikjammer zu finden. Aber eine Scene, wo sich Durchlaucht auf Edwinas Verwandtschaft mit der Familie bezog, bei welcher Du Dich gegenwärtig befindest, schlug dem Faß den Boden ein. Man sah die bloße Ausnutzung der Rose und das gemeine fürstliche Sichdrücken. Uebrigens ist diese Verwandtschaft ein Thema, das nicht ruhen darf. Edwina muß ihre volle Restitution, die Anerkennung als Tochter des Grafen Wilhelm von Treuenfels und eine demgemäß modificirte noch größere Abfindung haben."

Da zuckte Martha auf. Da stach sie die Schlange. Da war die ihr wohlbekannte Gemeinheit des Bruders! Die Gemeinheit, die nicht einmal Edwina hatte! Und

seraphischen Heerschaarenhimmel! Die Narren und Närrinnen in allerlei Gestalt, die sich sonst bei Edwina die Tafelfreuden bekommen ließen und auf den edlen Prinzen brannten, sind fortgefegt. Man paukt nicht mehr Clavier, singt nicht mehr den schrecklichen Erlkönig, declamirt nicht mehr, faselt nicht mehr über das, was Genius heißt, ohne ihn selbst zu besitzen. Wir trinken jetzt mehr Bier als Champagner, sprechen natürlich, denken zeitgemäß, ich habe eine andere Welt um Edwina eingeführt. Die menschlichen Ahnungen werden auch ohne Musik bei uns begriffen. Fürst Rauden, Sternschnuppe durch und durch, hoffte in mir einen Agitator für seinen Zukunftsmusikjammer zu finden. Aber eine Scene, wo sich Durchlaucht auf Edwinas Verwandtschaft mit der Familie bezog, bei welcher Du Dich gegenwärtig befindest, schlug dem Faß den Boden ein. Man sah die bloße Ausnutzung der Rose und das gemeine fürstliche Sichdrücken. Uebrigens ist diese Verwandtschaft ein Thema, das nicht ruhen darf. Edwina muß ihre volle Restitution, die Anerkennung als Tochter des Grafen Wilhelm von Treuenfels und eine demgemäß modificirte noch größere Abfindung haben.“

Da zuckte Martha auf. Da stach sie die Schlange. Da war die ihr wohlbekannte Gemeinheit des Bruders! Die Gemeinheit, die nicht einmal Edwina hatte! Und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0044" n="38"/>
seraphischen Heerschaarenhimmel! Die Narren und Närrinnen in allerlei Gestalt, die sich sonst bei Edwina die Tafelfreuden bekommen ließen und auf den edlen Prinzen brannten, sind fortgefegt. Man paukt nicht mehr Clavier, singt nicht mehr den schrecklichen Erlkönig, declamirt nicht mehr, faselt nicht mehr über das, was Genius heißt, ohne ihn selbst zu besitzen. Wir trinken jetzt mehr Bier als Champagner, sprechen natürlich, denken zeitgemäß, ich habe eine andere Welt um Edwina eingeführt. Die menschlichen Ahnungen werden auch ohne Musik bei uns begriffen. Fürst Rauden, Sternschnuppe durch und durch, hoffte in mir einen Agitator für seinen Zukunftsmusikjammer zu finden. Aber eine Scene, wo sich Durchlaucht auf Edwinas Verwandtschaft mit der Familie bezog, bei welcher Du Dich gegenwärtig befindest, schlug dem Faß den Boden ein. Man sah die bloße Ausnutzung der Rose und das gemeine fürstliche Sichdrücken. Uebrigens ist diese Verwandtschaft ein Thema, das nicht ruhen darf. Edwina muß ihre volle Restitution, die Anerkennung als Tochter des Grafen Wilhelm von Treuenfels und eine demgemäß modificirte noch größere Abfindung haben.&#x201C;</p>
        <p>Da zuckte Martha auf. Da stach sie die Schlange. Da war die ihr wohlbekannte Gemeinheit des Bruders! Die Gemeinheit, die nicht einmal Edwina hatte! Und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0044] seraphischen Heerschaarenhimmel! Die Narren und Närrinnen in allerlei Gestalt, die sich sonst bei Edwina die Tafelfreuden bekommen ließen und auf den edlen Prinzen brannten, sind fortgefegt. Man paukt nicht mehr Clavier, singt nicht mehr den schrecklichen Erlkönig, declamirt nicht mehr, faselt nicht mehr über das, was Genius heißt, ohne ihn selbst zu besitzen. Wir trinken jetzt mehr Bier als Champagner, sprechen natürlich, denken zeitgemäß, ich habe eine andere Welt um Edwina eingeführt. Die menschlichen Ahnungen werden auch ohne Musik bei uns begriffen. Fürst Rauden, Sternschnuppe durch und durch, hoffte in mir einen Agitator für seinen Zukunftsmusikjammer zu finden. Aber eine Scene, wo sich Durchlaucht auf Edwinas Verwandtschaft mit der Familie bezog, bei welcher Du Dich gegenwärtig befindest, schlug dem Faß den Boden ein. Man sah die bloße Ausnutzung der Rose und das gemeine fürstliche Sichdrücken. Uebrigens ist diese Verwandtschaft ein Thema, das nicht ruhen darf. Edwina muß ihre volle Restitution, die Anerkennung als Tochter des Grafen Wilhelm von Treuenfels und eine demgemäß modificirte noch größere Abfindung haben.“ Da zuckte Martha auf. Da stach sie die Schlange. Da war die ihr wohlbekannte Gemeinheit des Bruders! Die Gemeinheit, die nicht einmal Edwina hatte! Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T11:57:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>) (2014-02-19T11:57:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/44
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/44>, abgerufen am 21.11.2024.