Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.die ihr Pflegevater, wie ein Fanatiker seiner Ehre, ebenfalls von sich fern hielt! Der großsprecherische Bruder konnte einer Familie, die ihr wohlwollte, Verlegenheiten bereiten wollen -! "Edwina will nicht recht daran!" las sie zitternd weiter. "Sie fürchtet sich vor ihrem Pflegevater, den ich nur einmal gesprochen habe und allerdings kann man vor dem alten, hagern Sonderling und Menschenhasser Angst bekommen. Uebrigens denke Dir die Größe dieses Mädchens! Ich kenne den Umfang nicht der Summen, die ihr zu Gebote stehen. Sie hat Gegenstände, in welche ihr Niemand einreden darf, etwa Justizrath Luzius ausgenommen, ihr Vertrauter. Wie großer Opfer Edwina fähig ist, beweise Dir, Schwester, eine Scene, die ich vor einigen Tagen mit ihr aufführen mußte - ich sage "Scene" - verurtheile mich nicht -" Martha mußte den Brief aus den Händen legen. Was Raimund Scenen nannte, das kannte sie! Gott im Himmel, das war immer etwas wie Weltuntergang! Sie fürchtete, wenn sie weiter läse, vor Aufregung um die Nachtruhe zu kommen. Auch schloß sie die Fenster und verriegelte die Thür; es war ihr, als könnte sie der Schreckliche überfallen. Auch durch völliges Entkleiden sammelte sie sich erst und streckte sich in ihrem Bett, um sich zu erwärmen, bis sie das große Opfer erfahren, die ihr Pflegevater, wie ein Fanatiker seiner Ehre, ebenfalls von sich fern hielt! Der großsprecherische Bruder konnte einer Familie, die ihr wohlwollte, Verlegenheiten bereiten wollen –! „Edwina will nicht recht daran!“ las sie zitternd weiter. „Sie fürchtet sich vor ihrem Pflegevater, den ich nur einmal gesprochen habe und allerdings kann man vor dem alten, hagern Sonderling und Menschenhasser Angst bekommen. Uebrigens denke Dir die Größe dieses Mädchens! Ich kenne den Umfang nicht der Summen, die ihr zu Gebote stehen. Sie hat Gegenstände, in welche ihr Niemand einreden darf, etwa Justizrath Luzius ausgenommen, ihr Vertrauter. Wie großer Opfer Edwina fähig ist, beweise Dir, Schwester, eine Scene, die ich vor einigen Tagen mit ihr aufführen mußte – ich sage „Scene“ – verurtheile mich nicht –“ Martha mußte den Brief aus den Händen legen. Was Raimund Scenen nannte, das kannte sie! Gott im Himmel, das war immer etwas wie Weltuntergang! Sie fürchtete, wenn sie weiter läse, vor Aufregung um die Nachtruhe zu kommen. Auch schloß sie die Fenster und verriegelte die Thür; es war ihr, als könnte sie der Schreckliche überfallen. Auch durch völliges Entkleiden sammelte sie sich erst und streckte sich in ihrem Bett, um sich zu erwärmen, bis sie das große Opfer erfahren, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0045" n="39"/> die ihr Pflegevater, wie ein Fanatiker seiner Ehre, ebenfalls von sich fern hielt! Der großsprecherische Bruder konnte einer Familie, die ihr wohlwollte, Verlegenheiten bereiten wollen –!</p> <p>„Edwina will nicht recht daran!“ las sie zitternd weiter. „Sie fürchtet sich vor ihrem Pflegevater, den ich nur einmal gesprochen habe und allerdings kann man vor dem alten, hagern Sonderling und Menschenhasser Angst bekommen. Uebrigens denke Dir die Größe dieses Mädchens! Ich kenne den Umfang nicht der Summen, die ihr zu Gebote stehen. Sie hat Gegenstände, in welche ihr Niemand einreden darf, etwa Justizrath Luzius ausgenommen, ihr Vertrauter. Wie großer Opfer Edwina fähig ist, beweise Dir, Schwester, eine Scene, die ich vor einigen Tagen mit ihr aufführen mußte – ich sage „Scene“ – verurtheile mich nicht –“</p> <p>Martha mußte den Brief aus den Händen legen. Was Raimund Scenen nannte, das kannte sie! Gott im Himmel, das war immer etwas wie Weltuntergang! Sie fürchtete, wenn sie weiter läse, vor Aufregung um die Nachtruhe zu kommen. Auch schloß sie die Fenster und verriegelte die Thür; es war ihr, als könnte sie der Schreckliche überfallen. Auch durch völliges Entkleiden sammelte sie sich erst und streckte sich in ihrem Bett, um sich zu erwärmen, bis sie das große Opfer erfahren, </p> </div> </body> </text> </TEI> [39/0045]
die ihr Pflegevater, wie ein Fanatiker seiner Ehre, ebenfalls von sich fern hielt! Der großsprecherische Bruder konnte einer Familie, die ihr wohlwollte, Verlegenheiten bereiten wollen –!
„Edwina will nicht recht daran!“ las sie zitternd weiter. „Sie fürchtet sich vor ihrem Pflegevater, den ich nur einmal gesprochen habe und allerdings kann man vor dem alten, hagern Sonderling und Menschenhasser Angst bekommen. Uebrigens denke Dir die Größe dieses Mädchens! Ich kenne den Umfang nicht der Summen, die ihr zu Gebote stehen. Sie hat Gegenstände, in welche ihr Niemand einreden darf, etwa Justizrath Luzius ausgenommen, ihr Vertrauter. Wie großer Opfer Edwina fähig ist, beweise Dir, Schwester, eine Scene, die ich vor einigen Tagen mit ihr aufführen mußte – ich sage „Scene“ – verurtheile mich nicht –“
Martha mußte den Brief aus den Händen legen. Was Raimund Scenen nannte, das kannte sie! Gott im Himmel, das war immer etwas wie Weltuntergang! Sie fürchtete, wenn sie weiter läse, vor Aufregung um die Nachtruhe zu kommen. Auch schloß sie die Fenster und verriegelte die Thür; es war ihr, als könnte sie der Schreckliche überfallen. Auch durch völliges Entkleiden sammelte sie sich erst und streckte sich in ihrem Bett, um sich zu erwärmen, bis sie das große Opfer erfahren,
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