Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Selbst Fürst Ziska hätte nie gewagt, der Tante mitzutheilen, warum er eine gewisse Schönheit, die sich ja lange Zeit in gutem Rufe erhalten hatte, nicht geheirathet. Und sogar der rauhe Sonderling, der alte Geometer, hatte es seiner Pflegetochter von je als gemein, erbärmlich, an die elendesten Menschen erinnernd dargestellt, Leute, die es wohlmeinen, die sich von den Folgen ihrer Fehltritte abgekauft haben, stündlich wieder mit denselben Folgen oder Nebenumständen zu quälen und zu drangsaliren. Er hatte Edwina mit den äußersten Strafen bedroht, wenn sie sich unterstände, die Ruhe der alten Gräfin zu stören. Ginge es ihr schlecht, so sollte sie sich an ihn wenden! Er gab der "alten Müllern" weit mehr, als diese brauchte. Die Rache eines in der Schule des Glaubens an den persönlichen Gott und die vollkommne Gottheit Christi erzogenen Theologen ließ erst leise, dann allmälig deutlicher an's Ohr der alten Gräfin die belauschten und erhorchten Thatbestände gelangen. Es ist ja nur der weltkluge Verfasser der Sprüche Salomonis, der da Capitel 25, Vers 9, sagt: "Offenbare nicht eines Andern Heimlichkeiten!" Für Merkus reichte im Gegentheil der Richterstuhl Christi, vor welchem einst Alles offenbar werden sollte (zweite Corinther 5,10), schon jetzt mit seinen Füßen bis zur Erde und vorzugsweise in alle Pastorwohnungen hinab. Selbst Fürst Ziska hätte nie gewagt, der Tante mitzutheilen, warum er eine gewisse Schönheit, die sich ja lange Zeit in gutem Rufe erhalten hatte, nicht geheirathet. Und sogar der rauhe Sonderling, der alte Geometer, hatte es seiner Pflegetochter von je als gemein, erbärmlich, an die elendesten Menschen erinnernd dargestellt, Leute, die es wohlmeinen, die sich von den Folgen ihrer Fehltritte abgekauft haben, stündlich wieder mit denselben Folgen oder Nebenumständen zu quälen und zu drangsaliren. Er hatte Edwina mit den äußersten Strafen bedroht, wenn sie sich unterstände, die Ruhe der alten Gräfin zu stören. Ginge es ihr schlecht, so sollte sie sich an ihn wenden! Er gab der „alten Müllern“ weit mehr, als diese brauchte. Die Rache eines in der Schule des Glaubens an den persönlichen Gott und die vollkommne Gottheit Christi erzogenen Theologen ließ erst leise, dann allmälig deutlicher an’s Ohr der alten Gräfin die belauschten und erhorchten Thatbestände gelangen. Es ist ja nur der weltkluge Verfasser der Sprüche Salomonis, der da Capitel 25, Vers 9, sagt: „Offenbare nicht eines Andern Heimlichkeiten!“ Für Merkus reichte im Gegentheil der Richterstuhl Christi, vor welchem einst Alles offenbar werden sollte (zweite Corinther 5,10), schon jetzt mit seinen Füßen bis zur Erde und vorzugsweise in alle Pastorwohnungen hinab. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0090" n="84"/> <p> Selbst Fürst Ziska hätte nie gewagt, der Tante mitzutheilen, warum er eine gewisse Schönheit, die sich ja lange Zeit in gutem Rufe erhalten hatte, nicht geheirathet. Und sogar der rauhe Sonderling, der alte Geometer, hatte es seiner Pflegetochter von je als gemein, erbärmlich, an die elendesten Menschen erinnernd dargestellt, Leute, die es wohlmeinen, die sich von den Folgen ihrer Fehltritte abgekauft haben, stündlich wieder mit denselben Folgen oder Nebenumständen zu quälen und zu drangsaliren. Er hatte Edwina mit den äußersten Strafen bedroht, wenn sie sich unterstände, die Ruhe der alten Gräfin zu stören. Ginge es ihr schlecht, so sollte sie sich an ihn wenden! Er gab der „alten Müllern“ weit mehr, als diese brauchte.</p> <p>Die Rache eines in der Schule des Glaubens an den persönlichen Gott und die vollkommne Gottheit Christi erzogenen Theologen ließ erst leise, dann allmälig deutlicher an’s Ohr der alten Gräfin die belauschten und erhorchten Thatbestände gelangen. Es ist ja nur der weltkluge Verfasser der Sprüche Salomonis, der da Capitel 25, Vers 9, sagt: „Offenbare nicht eines Andern Heimlichkeiten!“ Für Merkus reichte im Gegentheil der Richterstuhl Christi, vor welchem einst Alles offenbar werden sollte (zweite Corinther 5,10), schon jetzt mit seinen Füßen bis zur Erde und vorzugsweise in alle Pastorwohnungen hinab.</p> </div> </body> </text> </TEI> [84/0090]
Selbst Fürst Ziska hätte nie gewagt, der Tante mitzutheilen, warum er eine gewisse Schönheit, die sich ja lange Zeit in gutem Rufe erhalten hatte, nicht geheirathet. Und sogar der rauhe Sonderling, der alte Geometer, hatte es seiner Pflegetochter von je als gemein, erbärmlich, an die elendesten Menschen erinnernd dargestellt, Leute, die es wohlmeinen, die sich von den Folgen ihrer Fehltritte abgekauft haben, stündlich wieder mit denselben Folgen oder Nebenumständen zu quälen und zu drangsaliren. Er hatte Edwina mit den äußersten Strafen bedroht, wenn sie sich unterstände, die Ruhe der alten Gräfin zu stören. Ginge es ihr schlecht, so sollte sie sich an ihn wenden! Er gab der „alten Müllern“ weit mehr, als diese brauchte.
Die Rache eines in der Schule des Glaubens an den persönlichen Gott und die vollkommne Gottheit Christi erzogenen Theologen ließ erst leise, dann allmälig deutlicher an’s Ohr der alten Gräfin die belauschten und erhorchten Thatbestände gelangen. Es ist ja nur der weltkluge Verfasser der Sprüche Salomonis, der da Capitel 25, Vers 9, sagt: „Offenbare nicht eines Andern Heimlichkeiten!“ Für Merkus reichte im Gegentheil der Richterstuhl Christi, vor welchem einst Alles offenbar werden sollte (zweite Corinther 5,10), schon jetzt mit seinen Füßen bis zur Erde und vorzugsweise in alle Pastorwohnungen hinab.
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