Auf weißem Zelter sprengte im sonnengold¬ durchwirkten Walde, Wally, ein Bild, das die Schönheit Aphroditens übertraf, da sich bei ihm zu jedem klassischen Reize, der nur aus dem cy¬ prischen Meerschaume geflossen sein konnte, noch alle romantischen Zauber gesellten: ja selbst die Drapperie der modernsten Zeit fehlte nicht, ein Vorzug, der sich weniger in der Schönheit selbst, als in ihrer Atmosphäre kund zu geben pflegt. Welche natürliche und ihr doch so vollkommen gegenwärtige Koketterie auf einem Thiere, von dem sie wahrscheinlich selbst nicht wußte, daß es blind war! Wally gab sich das Ansehen, als wäre sie mit ihrer Situation verschwi¬
1.
Auf weißem Zelter ſprengte im ſonnengold¬ durchwirkten Walde, Wally, ein Bild, das die Schönheit Aphroditens übertraf, da ſich bei ihm zu jedem klaſſiſchen Reize, der nur aus dem cy¬ priſchen Meerſchaume gefloſſen ſein konnte, noch alle romantiſchen Zauber geſellten: ja ſelbſt die Drapperie der modernſten Zeit fehlte nicht, ein Vorzug, der ſich weniger in der Schönheit ſelbſt, als in ihrer Atmoſphäre kund zu geben pflegt. Welche natürliche und ihr doch ſo vollkommen gegenwärtige Koketterie auf einem Thiere, von dem ſie wahrſcheinlich ſelbſt nicht wußte, daß es blind war! Wally gab ſich das Anſehen, als wäre ſie mit ihrer Situation verſchwi¬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0016"n="[7]"/><divn="2"><head>1.<lb/></head><p>Auf weißem Zelter ſprengte im ſonnengold¬<lb/>
durchwirkten Walde, Wally, ein Bild, das die<lb/>
Schönheit Aphroditens übertraf, da ſich bei ihm<lb/>
zu jedem klaſſiſchen Reize, der nur aus dem cy¬<lb/>
priſchen Meerſchaume gefloſſen ſein konnte, noch<lb/>
alle romantiſchen Zauber geſellten: ja ſelbſt die<lb/>
Drapperie der modernſten Zeit fehlte nicht, ein<lb/>
Vorzug, der ſich weniger in der Schönheit ſelbſt,<lb/>
als in ihrer Atmoſphäre kund zu geben pflegt.<lb/>
Welche natürliche und ihr doch ſo vollkommen<lb/>
gegenwärtige Koketterie auf einem Thiere, von<lb/>
dem ſie wahrſcheinlich ſelbſt nicht wußte, daß<lb/>
es blind war! Wally gab ſich das Anſehen,<lb/>
als wäre ſie mit ihrer Situation verſchwi¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[7]/0016]
1.
Auf weißem Zelter ſprengte im ſonnengold¬
durchwirkten Walde, Wally, ein Bild, das die
Schönheit Aphroditens übertraf, da ſich bei ihm
zu jedem klaſſiſchen Reize, der nur aus dem cy¬
priſchen Meerſchaume gefloſſen ſein konnte, noch
alle romantiſchen Zauber geſellten: ja ſelbſt die
Drapperie der modernſten Zeit fehlte nicht, ein
Vorzug, der ſich weniger in der Schönheit ſelbſt,
als in ihrer Atmoſphäre kund zu geben pflegt.
Welche natürliche und ihr doch ſo vollkommen
gegenwärtige Koketterie auf einem Thiere, von
dem ſie wahrſcheinlich ſelbſt nicht wußte, daß
es blind war! Wally gab ſich das Anſehen,
als wäre ſie mit ihrer Situation verſchwi¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. [7]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/16>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.