Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

verstand viel zu wenig von solchen Dingen,
als daß sie ihnen eine rechte Würdigung hätte
geben können. Sie fühlte ein allgemeines Mi߬
behagen ihrer Seele, das sie verhinderte, dies¬
mal das Lächerliche an dem Geize ihres Man¬
nes zu entdecken. Es war eine gefährliche
Stimmung, in der sie an Cäsar schrieb.

Als sie den Brief beendet hatte und sah,
wie nur Kleinigkeiten der Pariser Conversa¬
tion, satyrische Bagatellen und viel Albernhei¬
ten aus ihrer Feder geflossen waren, da hatte
sie bessre Laune bekommen. Sie freute sich, in
Cäsar einen Mann gefunden zu haben, bei dem
der Ernst sich hinter so vielem Scherz ver¬
stecken durfte, der nicht pedantisch war und
vom Gefühl keine Ueberstuthungen verlangte.
Das Gefühl war einmal da, nicht in Gestalt
einer das Herz betreffenden Empfindung, son¬
dern in Gestalt einer Thatsache, der sich keine
andere Auslegung, als die einer Neigung geben

verſtand viel zu wenig von ſolchen Dingen,
als daß ſie ihnen eine rechte Würdigung hätte
geben können. Sie fühlte ein allgemeines Mi߬
behagen ihrer Seele, das ſie verhinderte, dies¬
mal das Lächerliche an dem Geize ihres Man¬
nes zu entdecken. Es war eine gefährliche
Stimmung, in der ſie an Cäſar ſchrieb.

Als ſie den Brief beendet hatte und ſah,
wie nur Kleinigkeiten der Pariſer Converſa¬
tion, ſatyriſche Bagatellen und viel Albernhei¬
ten aus ihrer Feder gefloſſen waren, da hatte
ſie beſſre Laune bekommen. Sie freute ſich, in
Cäſar einen Mann gefunden zu haben, bei dem
der Ernſt ſich hinter ſo vielem Scherz ver¬
ſtecken durfte, der nicht pedantiſch war und
vom Gefühl keine Ueberſtuthungen verlangte.
Das Gefühl war einmal da, nicht in Geſtalt
einer das Herz betreffenden Empfindung, ſon¬
dern in Geſtalt einer Thatſache, der ſich keine
andere Auslegung, als die einer Neigung geben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0160" n="151"/>
ver&#x017F;tand viel zu wenig von &#x017F;olchen Dingen,<lb/>
als daß &#x017F;ie ihnen eine rechte Würdigung hätte<lb/>
geben können. Sie fühlte ein allgemeines Mi߬<lb/>
behagen ihrer Seele, das &#x017F;ie verhinderte, dies¬<lb/>
mal das Lächerliche an dem Geize ihres Man¬<lb/>
nes zu entdecken. Es war eine gefährliche<lb/>
Stimmung, in der &#x017F;ie an Cä&#x017F;ar &#x017F;chrieb.</p><lb/>
          <p>Als &#x017F;ie den Brief beendet hatte und &#x017F;ah,<lb/>
wie nur Kleinigkeiten der Pari&#x017F;er Conver&#x017F;<lb/>
tion, &#x017F;atyri&#x017F;che Bagatellen und viel Albernhei¬<lb/>
ten aus ihrer Feder geflo&#x017F;&#x017F;en waren, da hatte<lb/>
&#x017F;ie be&#x017F;&#x017F;re Laune bekommen. Sie freute &#x017F;ich, in<lb/>&#x017F;ar einen Mann gefunden zu haben, bei dem<lb/>
der Ern&#x017F;t &#x017F;ich hinter &#x017F;o vielem Scherz ver¬<lb/>
&#x017F;tecken durfte, der nicht pedanti&#x017F;ch war und<lb/>
vom Gefühl keine Ueber&#x017F;tuthungen verlangte.<lb/>
Das Gefühl war einmal da, nicht in Ge&#x017F;talt<lb/>
einer das Herz betreffenden Empfindung, &#x017F;on¬<lb/>
dern in Ge&#x017F;talt einer That&#x017F;ache, der &#x017F;ich keine<lb/>
andere Auslegung, als die einer Neigung geben<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0160] verſtand viel zu wenig von ſolchen Dingen, als daß ſie ihnen eine rechte Würdigung hätte geben können. Sie fühlte ein allgemeines Mi߬ behagen ihrer Seele, das ſie verhinderte, dies¬ mal das Lächerliche an dem Geize ihres Man¬ nes zu entdecken. Es war eine gefährliche Stimmung, in der ſie an Cäſar ſchrieb. Als ſie den Brief beendet hatte und ſah, wie nur Kleinigkeiten der Pariſer Converſa¬ tion, ſatyriſche Bagatellen und viel Albernhei¬ ten aus ihrer Feder gefloſſen waren, da hatte ſie beſſre Laune bekommen. Sie freute ſich, in Cäſar einen Mann gefunden zu haben, bei dem der Ernſt ſich hinter ſo vielem Scherz ver¬ ſtecken durfte, der nicht pedantiſch war und vom Gefühl keine Ueberſtuthungen verlangte. Das Gefühl war einmal da, nicht in Geſtalt einer das Herz betreffenden Empfindung, ſon¬ dern in Geſtalt einer Thatſache, der ſich keine andere Auslegung, als die einer Neigung geben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/160
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/160>, abgerufen am 19.05.2024.