sich, er predigte Buße und gottseligen Wandel, predigte das reine, das Urjudenthum des Mo¬ ses, er nannte sich Messias und stritt nirgends gegen die falsche Auslegung seiner Absicht, nir¬ gends gegen die Begriffe, welche man in Judäa mit dem Messias verband. Nicht einmal des Römischen Joches erwähnte Jesus; er scheint gefühlt zu haben, daß der Messias nur eine theologische Bedeutung haben könne, und rich¬ tete doch seine Invektiven gegen die politische Verfassung in Jerusalem, gegen den hohen Rath und gegen Priester, die er einer zu ihren From¬ men falschen Auslegung der alten Bücher be¬ züchtigte. Inzwischen mehrte sich die Unruhe, Jesus zog mit Tausenden durch das Land, hielt einen gewaltsamen Einzug in Jerusalem, ver¬ griff sich thätlich an dem Tempel, dem Natio¬ nalheiligthume der Juden, und fiel als ein Opfer seiner falschen Berechnung und innerli¬ chen Unklarheit. Er hatte dem trägen Volke
ſich, er predigte Buße und gottſeligen Wandel, predigte das reine, das Urjudenthum des Mo¬ ſes, er nannte ſich Meſſias und ſtritt nirgends gegen die falſche Auslegung ſeiner Abſicht, nir¬ gends gegen die Begriffe, welche man in Judäa mit dem Meſſias verband. Nicht einmal des Römiſchen Joches erwähnte Jeſus; er ſcheint gefühlt zu haben, daß der Meſſias nur eine theologiſche Bedeutung haben könne, und rich¬ tete doch ſeine Invektiven gegen die politiſche Verfaſſung in Jeruſalem, gegen den hohen Rath und gegen Prieſter, die er einer zu ihren From¬ men falſchen Auslegung der alten Bücher be¬ züchtigte. Inzwiſchen mehrte ſich die Unruhe, Jeſus zog mit Tauſenden durch das Land, hielt einen gewaltſamen Einzug in Jeruſalem, ver¬ griff ſich thätlich an dem Tempel, dem Natio¬ nalheiligthume der Juden, und fiel als ein Opfer ſeiner falſchen Berechnung und innerli¬ chen Unklarheit. Er hatte dem trägen Volke
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0280"n="273[271]"/>ſich, er predigte Buße und gottſeligen Wandel,<lb/>
predigte das reine, das Urjudenthum des Mo¬<lb/>ſes, er nannte ſich Meſſias und ſtritt nirgends<lb/>
gegen die falſche Auslegung ſeiner Abſicht, nir¬<lb/>
gends gegen die Begriffe, welche man in Judäa<lb/>
mit dem Meſſias verband. Nicht einmal des<lb/>
Römiſchen Joches erwähnte Jeſus; er ſcheint<lb/>
gefühlt zu haben, daß der Meſſias nur eine<lb/>
theologiſche Bedeutung haben könne, und rich¬<lb/>
tete doch ſeine Invektiven gegen die politiſche<lb/>
Verfaſſung in Jeruſalem, gegen den hohen Rath<lb/>
und gegen Prieſter, die er einer zu ihren From¬<lb/>
men falſchen Auslegung der alten Bücher be¬<lb/>
züchtigte. Inzwiſchen mehrte ſich die Unruhe,<lb/>
Jeſus zog mit Tauſenden durch das Land, hielt<lb/>
einen gewaltſamen Einzug in Jeruſalem, ver¬<lb/>
griff ſich thätlich an dem Tempel, dem Natio¬<lb/>
nalheiligthume der Juden, und fiel als ein<lb/>
Opfer ſeiner falſchen Berechnung und innerli¬<lb/>
chen Unklarheit. Er hatte dem trägen Volke<lb/></p></div></body></text></TEI>
[273[271]/0280]
ſich, er predigte Buße und gottſeligen Wandel,
predigte das reine, das Urjudenthum des Mo¬
ſes, er nannte ſich Meſſias und ſtritt nirgends
gegen die falſche Auslegung ſeiner Abſicht, nir¬
gends gegen die Begriffe, welche man in Judäa
mit dem Meſſias verband. Nicht einmal des
Römiſchen Joches erwähnte Jeſus; er ſcheint
gefühlt zu haben, daß der Meſſias nur eine
theologiſche Bedeutung haben könne, und rich¬
tete doch ſeine Invektiven gegen die politiſche
Verfaſſung in Jeruſalem, gegen den hohen Rath
und gegen Prieſter, die er einer zu ihren From¬
men falſchen Auslegung der alten Bücher be¬
züchtigte. Inzwiſchen mehrte ſich die Unruhe,
Jeſus zog mit Tauſenden durch das Land, hielt
einen gewaltſamen Einzug in Jeruſalem, ver¬
griff ſich thätlich an dem Tempel, dem Natio¬
nalheiligthume der Juden, und fiel als ein
Opfer ſeiner falſchen Berechnung und innerli¬
chen Unklarheit. Er hatte dem trägen Volke
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 273[271]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/280>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.