den eine grausame Hand, die ihm das Kissen unter'm Kopfe wegzieht, damit er schneller sterbe, damit er schneller auferstünde! Das Crucifix ist eine Zierrath geworden, die man im Ohre hängen hat.
Die große imponirende Gewalt des Christen¬ thums liegt in seiner welthistorischen Ausdeh¬ nung. Nicht, daß ich dieser Lehre die Umge¬ staltung Europa's zuschriebe, nicht, daß ich so ungerecht gegen Gott wäre und behauptete, er habe ohne die verworrenen Ideen einiger palästi¬ nensischer Fischer und Teppichfabrikanten die Welt nicht auf diesen Gipfel der Cultur brin¬ gen können: nein, schon dadurch wird die christ¬ liche Idee geschwächt, daß sich die germanischen Völker für sie interessirten und ihre eigne welthi¬ storische Prädestination in jene Lehre legten und das Christuskind als Christoffel durch das Welt¬ meer trugen. Das Einzige, was mich an das Christenthum kettet, ist ein magischer mit Blut
den eine grauſame Hand, die ihm das Kiſſen unter'm Kopfe wegzieht, damit er ſchneller ſterbe, damit er ſchneller auferſtünde! Das Crucifix iſt eine Zierrath geworden, die man im Ohre hängen hat.
Die große imponirende Gewalt des Chriſten¬ thums liegt in ſeiner welthiſtoriſchen Ausdeh¬ nung. Nicht, daß ich dieſer Lehre die Umge¬ ſtaltung Europa's zuſchriebe, nicht, daß ich ſo ungerecht gegen Gott wäre und behauptete, er habe ohne die verworrenen Ideen einiger paläſti¬ nenſiſcher Fiſcher und Teppichfabrikanten die Welt nicht auf dieſen Gipfel der Cultur brin¬ gen können: nein, ſchon dadurch wird die chriſt¬ liche Idee geſchwächt, daß ſich die germaniſchen Völker für ſie intereſſirten und ihre eigne welthi¬ ſtoriſche Prädeſtination in jene Lehre legten und das Chriſtuskind als Chriſtoffel durch das Welt¬ meer trugen. Das Einzige, was mich an das Chriſtenthum kettet, iſt ein magiſcher mit Blut
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[284[282]/0291]
den eine grauſame Hand, die ihm das Kiſſen
unter'm Kopfe wegzieht, damit er ſchneller
ſterbe, damit er ſchneller auferſtünde! Das
Crucifix iſt eine Zierrath geworden, die man
im Ohre hängen hat.
Die große imponirende Gewalt des Chriſten¬
thums liegt in ſeiner welthiſtoriſchen Ausdeh¬
nung. Nicht, daß ich dieſer Lehre die Umge¬
ſtaltung Europa's zuſchriebe, nicht, daß ich ſo
ungerecht gegen Gott wäre und behauptete, er
habe ohne die verworrenen Ideen einiger paläſti¬
nenſiſcher Fiſcher und Teppichfabrikanten die
Welt nicht auf dieſen Gipfel der Cultur brin¬
gen können: nein, ſchon dadurch wird die chriſt¬
liche Idee geſchwächt, daß ſich die germaniſchen
Völker für ſie intereſſirten und ihre eigne welthi¬
ſtoriſche Prädeſtination in jene Lehre legten und
das Chriſtuskind als Chriſtoffel durch das Welt¬
meer trugen. Das Einzige, was mich an das
Chriſtenthum kettet, iſt ein magiſcher mit Blut
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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 284[282]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/291>, abgerufen am 22.11.2024.
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