aus dem Cirkel heraus. Sie walzten ihre De¬ batten herum und erschöpften sich in Conzessio¬ nen praktischer und theoretischer Art. Misch¬ gattungen drängten sich zwischen die Extreme: Damenprediger, welche das Christenthum mit Gemälden verglichen, wo die Conturen dem Ra¬ tionalismus, die Farben dem Supernaturalis¬ mus angehören müßten: Professoren der Theo¬ logie, die das Urchristenthum wollten; General¬ superintendenten, welche die Perfektibilität des Christenthums lehrten. Andre, wie Schleier¬ macher adoptirten die Dogmatik, wenn ihre Lehrsätze sich gemüthlich als Seelenzustände be¬ thätigten. Mit einem Worte, sie mochten so freidenkerisch verfahren, wie immer; so riß doch Niemand den Vorhang der Lüge weg. Auf der Kanzel gaben sie niemals jenen Glau¬ ben preis, den sie auf dem Katheder anatomisch zergliederten. Ueberall trifft man auf Diakone und Consistorialräthe dieser Art, welche sich
aus dem Cirkel heraus. Sie walzten ihre De¬ batten herum und erſchöpften ſich in Conzeſſio¬ nen praktiſcher und theoretiſcher Art. Miſch¬ gattungen drängten ſich zwiſchen die Extreme: Damenprediger, welche das Chriſtenthum mit Gemälden verglichen, wo die Conturen dem Ra¬ tionalismus, die Farben dem Supernaturalis¬ mus angehören müßten: Profeſſoren der Theo¬ logie, die das Urchriſtenthum wollten; General¬ ſuperintendenten, welche die Perfektibilität des Chriſtenthums lehrten. Andre, wie Schleier¬ macher adoptirten die Dogmatik, wenn ihre Lehrſätze ſich gemüthlich als Seelenzuſtände be¬ thätigten. Mit einem Worte, ſie mochten ſo freidenkeriſch verfahren, wie immer; ſo riß doch Niemand den Vorhang der Lüge weg. Auf der Kanzel gaben ſie niemals jenen Glau¬ ben preis, den ſie auf dem Katheder anatomiſch zergliederten. Ueberall trifft man auf Diakone und Conſiſtorialräthe dieſer Art, welche ſich
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[297[295]/0304]
aus dem Cirkel heraus. Sie walzten ihre De¬
batten herum und erſchöpften ſich in Conzeſſio¬
nen praktiſcher und theoretiſcher Art. Miſch¬
gattungen drängten ſich zwiſchen die Extreme:
Damenprediger, welche das Chriſtenthum mit
Gemälden verglichen, wo die Conturen dem Ra¬
tionalismus, die Farben dem Supernaturalis¬
mus angehören müßten: Profeſſoren der Theo¬
logie, die das Urchriſtenthum wollten; General¬
ſuperintendenten, welche die Perfektibilität des
Chriſtenthums lehrten. Andre, wie Schleier¬
macher adoptirten die Dogmatik, wenn ihre
Lehrſätze ſich gemüthlich als Seelenzuſtände be¬
thätigten. Mit einem Worte, ſie mochten ſo
freidenkeriſch verfahren, wie immer; ſo riß
doch Niemand den Vorhang der Lüge weg.
Auf der Kanzel gaben ſie niemals jenen Glau¬
ben preis, den ſie auf dem Katheder anatomiſch
zergliederten. Ueberall trifft man auf Diakone
und Conſiſtorialräthe dieſer Art, welche ſich
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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 297[295]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/304>, abgerufen am 24.11.2024.
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