Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

cher den innern und äußern Sinnen wohlthut.
Wodurch ist auch das Christenthum eine so im¬
posante Erscheinung? Durch seine historische
Stellung. Hegel hat die Verschiedenheit der
Zeiten immer vortrefflich charakterisirt und
das Eigenthümliche des Christenthums darin
gefunden, daß sich logische und historische Be¬
griffe daran akkommodiren lassen. Aber mehr
gelang ihm nicht. Seine Philosophie des Chri¬
stenthums konnte nur da erst anfangen als die
Entwicklung der christlichen Lehre zu Ende war.
Hegel's Maaßstab ist überall die Vergangenheit.
Seine Erklärungen sind typischer Art, seine
Philosophie ist eine Auslegung. Schelling und
Hegel stehen an der Spitze jenes christlichen
Dilettantismus, der aus künstlerischen Interes¬
sen sich mit verstopftem Ohre in eine grundlose
Fluth versenkt. Das Christenthum selbst muß
dabei seinen Credit verlieren, wenn nur noch
Dichter, Grübler, Künstler, verzweifelte und

cher den innern und äußern Sinnen wohlthut.
Wodurch iſt auch das Chriſtenthum eine ſo im¬
poſante Erſcheinung? Durch ſeine hiſtoriſche
Stellung. Hegel hat die Verſchiedenheit der
Zeiten immer vortrefflich charakteriſirt und
das Eigenthümliche des Chriſtenthums darin
gefunden, daß ſich logiſche und hiſtoriſche Be¬
griffe daran akkommodiren laſſen. Aber mehr
gelang ihm nicht. Seine Philoſophie des Chri¬
ſtenthums konnte nur da erſt anfangen als die
Entwicklung der chriſtlichen Lehre zu Ende war.
Hegel's Maaßſtab iſt überall die Vergangenheit.
Seine Erklärungen ſind typiſcher Art, ſeine
Philoſophie iſt eine Auslegung. Schelling und
Hegel ſtehen an der Spitze jenes chriſtlichen
Dilettantismus, der aus künſtleriſchen Intereſ¬
ſen ſich mit verſtopftem Ohre in eine grundloſe
Fluth verſenkt. Das Chriſtenthum ſelbſt muß
dabei ſeinen Credit verlieren, wenn nur noch
Dichter, Grübler, Künſtler, verzweifelte und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0306" n="299[297]"/>
cher den innern und äußern Sinnen wohlthut.<lb/>
Wodurch i&#x017F;t auch das Chri&#x017F;tenthum eine &#x017F;o im¬<lb/>
po&#x017F;ante Er&#x017F;cheinung? Durch &#x017F;eine hi&#x017F;tori&#x017F;che<lb/>
Stellung. Hegel hat die Ver&#x017F;chiedenheit der<lb/>
Zeiten immer vortrefflich charakteri&#x017F;irt und<lb/>
das Eigenthümliche des Chri&#x017F;tenthums darin<lb/>
gefunden, daß &#x017F;ich logi&#x017F;che und hi&#x017F;tori&#x017F;che Be¬<lb/>
griffe daran akkommodiren la&#x017F;&#x017F;en. Aber mehr<lb/>
gelang ihm nicht. Seine Philo&#x017F;ophie des Chri¬<lb/>
&#x017F;tenthums konnte nur da er&#x017F;t anfangen als die<lb/>
Entwicklung der chri&#x017F;tlichen Lehre zu Ende war.<lb/>
Hegel's Maaß&#x017F;tab i&#x017F;t überall die Vergangenheit.<lb/>
Seine Erklärungen &#x017F;ind typi&#x017F;cher Art, &#x017F;eine<lb/>
Philo&#x017F;ophie i&#x017F;t eine Auslegung. Schelling und<lb/>
Hegel &#x017F;tehen an der Spitze jenes chri&#x017F;tlichen<lb/>
Dilettantismus, der aus kün&#x017F;tleri&#x017F;chen Intere&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ich mit ver&#x017F;topftem Ohre in eine grundlo&#x017F;e<lb/>
Fluth ver&#x017F;enkt. Das Chri&#x017F;tenthum &#x017F;elb&#x017F;t muß<lb/>
dabei &#x017F;einen Credit verlieren, wenn nur noch<lb/>
Dichter, Grübler, Kün&#x017F;tler, verzweifelte und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299[297]/0306] cher den innern und äußern Sinnen wohlthut. Wodurch iſt auch das Chriſtenthum eine ſo im¬ poſante Erſcheinung? Durch ſeine hiſtoriſche Stellung. Hegel hat die Verſchiedenheit der Zeiten immer vortrefflich charakteriſirt und das Eigenthümliche des Chriſtenthums darin gefunden, daß ſich logiſche und hiſtoriſche Be¬ griffe daran akkommodiren laſſen. Aber mehr gelang ihm nicht. Seine Philoſophie des Chri¬ ſtenthums konnte nur da erſt anfangen als die Entwicklung der chriſtlichen Lehre zu Ende war. Hegel's Maaßſtab iſt überall die Vergangenheit. Seine Erklärungen ſind typiſcher Art, ſeine Philoſophie iſt eine Auslegung. Schelling und Hegel ſtehen an der Spitze jenes chriſtlichen Dilettantismus, der aus künſtleriſchen Intereſ¬ ſen ſich mit verſtopftem Ohre in eine grundloſe Fluth verſenkt. Das Chriſtenthum ſelbſt muß dabei ſeinen Credit verlieren, wenn nur noch Dichter, Grübler, Künſtler, verzweifelte und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/306
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 299[297]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/306>, abgerufen am 24.11.2024.