in Frankreich auftauchen, in einem Lande, das für Europa die Mission der Freiheit hat, in einem Lande, das in der neuern Geschichte für alle Fragen der Cultur die Initiative über¬ nommen zu haben scheint. Wir reden hier vom St. Simonismus und den Worten eines Gläubigen.
In diese beiden Bekenntnisse ist zuerst die Anerkennung der politischen Tendenz des Jahr¬ hunderts niedergelegt. Man hat hier die Unver¬ schämtheit vermieden, welche die hungernden Arbeiter auf das himmlische Brod des ewigen Lebens anweist. Die Religion der Entsagung mag für Jahre passen, wo die Ernte nicht ge¬ rathen ist; aber wo Fülle und Verschwendung rings ihre Feste feiern, da murrt die Mensch¬ heit über eine Religion, welche immerfort an das Sichschicken, an die Demuth, an den Rath¬ schluß Gottes appellirt. Von dieser Seite des Christenthums überhaupt, die sich dem Zeitgeiste
in Frankreich auftauchen, in einem Lande, das für Europa die Miſſion der Freiheit hat, in einem Lande, das in der neuern Geſchichte für alle Fragen der Cultur die Initiative über¬ nommen zu haben ſcheint. Wir reden hier vom St. Simonismus und den Worten eines Gläubigen.
In dieſe beiden Bekenntniſſe iſt zuerſt die Anerkennung der politiſchen Tendenz des Jahr¬ hunderts niedergelegt. Man hat hier die Unver¬ ſchämtheit vermieden, welche die hungernden Arbeiter auf das himmliſche Brod des ewigen Lebens anweiſt. Die Religion der Entſagung mag für Jahre paſſen, wo die Ernte nicht ge¬ rathen iſt; aber wo Fülle und Verſchwendung rings ihre Feſte feiern, da murrt die Menſch¬ heit über eine Religion, welche immerfort an das Sichſchicken, an die Demuth, an den Rath¬ ſchluß Gottes appellirt. Von dieſer Seite des Chriſtenthums überhaupt, die ſich dem Zeitgeiſte
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[301[299]/0308]
in Frankreich auftauchen, in einem Lande, das
für Europa die Miſſion der Freiheit hat, in
einem Lande, das in der neuern Geſchichte für
alle Fragen der Cultur die Initiative über¬
nommen zu haben ſcheint. Wir reden hier
vom St. Simonismus und den Worten eines
Gläubigen.
In dieſe beiden Bekenntniſſe iſt zuerſt die
Anerkennung der politiſchen Tendenz des Jahr¬
hunderts niedergelegt. Man hat hier die Unver¬
ſchämtheit vermieden, welche die hungernden
Arbeiter auf das himmliſche Brod des ewigen
Lebens anweiſt. Die Religion der Entſagung
mag für Jahre paſſen, wo die Ernte nicht ge¬
rathen iſt; aber wo Fülle und Verſchwendung
rings ihre Feſte feiern, da murrt die Menſch¬
heit über eine Religion, welche immerfort an
das Sichſchicken, an die Demuth, an den Rath¬
ſchluß Gottes appellirt. Von dieſer Seite des
Chriſtenthums überhaupt, die ſich dem Zeitgeiſte
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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 301[299]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/308>, abgerufen am 24.11.2024.
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