Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

"Glauben Sie," fragte er, "daß es in
der Liebe eine Höflichkeit gibt?"

"Das versteh' ich nicht."

Cäsar blickte finster und wollte abbrechen.

"Was ist Ihnen?" fragte Wally.

"Ich denke, Sie vermeiden über einen Zu¬
stand zu sprechen, den Sie vielleicht nicht zu
kennen vorgeben."

"Halten Sie mich für eine Närrin?"
fragte Wally, erst bös, dann aber hellte sich
ihr Antlitz zu einer Liebenswürdigkeit auf, die
Cäsarn fast einen Augenblick zu verwirren schien.

"Nehmen Sie nur an," sagte er, "wie
unzeitig und unbequem man werden kann, wenn
man seinen Leidenschaften immer den natürlichen
Raum läßt. Ich verspreche zum Beispiel einer
Dame, sie einen Tag um den andern zu besuchen.
Was heißt das? Sie ist einen Tag um den an¬
dern in der Spannung, wo sie glaubt beglücken
zu können. Ihre Gedankenreihen werden im¬

„Glauben Sie,“ fragte er, „daß es in
der Liebe eine Höflichkeit gibt?“

„Das verſteh' ich nicht.“

Cäſar blickte finſter und wollte abbrechen.

„Was iſt Ihnen?“ fragte Wally.

„Ich denke, Sie vermeiden über einen Zu¬
ſtand zu ſprechen, den Sie vielleicht nicht zu
kennen vorgeben.“

„Halten Sie mich für eine Närrin?“
fragte Wally, erſt bös, dann aber hellte ſich
ihr Antlitz zu einer Liebenswürdigkeit auf, die
Cäſarn faſt einen Augenblick zu verwirren ſchien.

„Nehmen Sie nur an,“ ſagte er, „wie
unzeitig und unbequem man werden kann, wenn
man ſeinen Leidenſchaften immer den natürlichen
Raum läßt. Ich verſpreche zum Beiſpiel einer
Dame, ſie einen Tag um den andern zu beſuchen.
Was heißt das? Sie iſt einen Tag um den an¬
dern in der Spannung, wo ſie glaubt beglücken
zu können. Ihre Gedankenreihen werden im¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0035" n="26"/>
          <p>&#x201E;Glauben Sie,&#x201C; fragte er, &#x201E;daß es in<lb/>
der Liebe eine Höflichkeit gibt?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das ver&#x017F;teh' ich nicht.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x017F;ar blickte fin&#x017F;ter und wollte abbrechen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Was i&#x017F;t Ihnen?&#x201C; fragte Wally.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich denke, Sie vermeiden über einen Zu¬<lb/>
&#x017F;tand zu &#x017F;prechen, den Sie vielleicht nicht zu<lb/>
kennen vorgeben.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Halten Sie mich für eine Närrin?&#x201C;<lb/>
fragte Wally, er&#x017F;t bös, dann aber hellte &#x017F;ich<lb/>
ihr Antlitz zu einer Liebenswürdigkeit auf, die<lb/>&#x017F;arn fa&#x017F;t einen Augenblick zu verwirren &#x017F;chien.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nehmen Sie nur an,&#x201C; &#x017F;agte er, &#x201E;wie<lb/>
unzeitig und unbequem man werden kann, wenn<lb/>
man &#x017F;einen Leiden&#x017F;chaften immer den natürlichen<lb/>
Raum läßt. Ich ver&#x017F;preche zum Bei&#x017F;piel einer<lb/>
Dame, &#x017F;ie einen Tag um den andern zu be&#x017F;uchen.<lb/>
Was heißt das? Sie i&#x017F;t einen Tag um den an¬<lb/>
dern in der Spannung, wo &#x017F;ie glaubt beglücken<lb/>
zu können. Ihre Gedankenreihen werden im¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0035] „Glauben Sie,“ fragte er, „daß es in der Liebe eine Höflichkeit gibt?“ „Das verſteh' ich nicht.“ Cäſar blickte finſter und wollte abbrechen. „Was iſt Ihnen?“ fragte Wally. „Ich denke, Sie vermeiden über einen Zu¬ ſtand zu ſprechen, den Sie vielleicht nicht zu kennen vorgeben.“ „Halten Sie mich für eine Närrin?“ fragte Wally, erſt bös, dann aber hellte ſich ihr Antlitz zu einer Liebenswürdigkeit auf, die Cäſarn faſt einen Augenblick zu verwirren ſchien. „Nehmen Sie nur an,“ ſagte er, „wie unzeitig und unbequem man werden kann, wenn man ſeinen Leidenſchaften immer den natürlichen Raum läßt. Ich verſpreche zum Beiſpiel einer Dame, ſie einen Tag um den andern zu beſuchen. Was heißt das? Sie iſt einen Tag um den an¬ dern in der Spannung, wo ſie glaubt beglücken zu können. Ihre Gedankenreihen werden im¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/35
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/35>, abgerufen am 21.11.2024.