Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

stark, sterblich und unsterblich! Diese unsicht¬
baren Barrieren, welche die Menschen trennen,
welche auch den Jüngling vom Mädchen tren¬
nen, müssen fallen; denn ich kenne dich, dein
Alles, dein Gehen und Stehen, deine Schwä¬
chen und Tugenden: siehe! hier ist meine offne
Brust, hier schlägt mein Herz, ich bin nichts,
was noch etwas anderes wäre, als es ist, nichts,
was du für etwas anderes halten dürftest. Weib,
in deinen Augen, in den Formen deines Kör¬
pers bist du überreif zur Liebe; und wenn ich
dich heut zum erstenmale sähe, so pflückt' ich
dich, denn wir sind die Kinder eines und des¬
selben Planeten, ich Mensch, wie du, beide al¬
ternd, beide den Tod fürchtend, beide elend.
Was weichst du mir aus?"

Wally zerfloß in Thränen. So fast hatte
Cäsar zu ihr gesprochen, und sie fühlte das
Entzücken, statt eines Weibes Mensch zu sein.

ſtark, ſterblich und unſterblich! Dieſe unſicht¬
baren Barrieren, welche die Menſchen trennen,
welche auch den Jüngling vom Mädchen tren¬
nen, müſſen fallen; denn ich kenne dich, dein
Alles, dein Gehen und Stehen, deine Schwä¬
chen und Tugenden: ſiehe! hier iſt meine offne
Bruſt, hier ſchlägt mein Herz, ich bin nichts,
was noch etwas anderes wäre, als es iſt, nichts,
was du für etwas anderes halten dürfteſt. Weib,
in deinen Augen, in den Formen deines Kör¬
pers biſt du überreif zur Liebe; und wenn ich
dich heut zum erſtenmale ſähe, ſo pflückt' ich
dich, denn wir ſind die Kinder eines und deſ¬
ſelben Planeten, ich Menſch, wie du, beide al¬
ternd, beide den Tod fürchtend, beide elend.
Was weichſt du mir aus?“

Wally zerfloß in Thränen. So faſt hatte
Cäſar zu ihr geſprochen, und ſie fühlte das
Entzücken, ſtatt eines Weibes Menſch zu ſein.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0085" n="76"/>
&#x017F;tark, &#x017F;terblich und un&#x017F;terblich! Die&#x017F;e un&#x017F;icht¬<lb/>
baren Barrieren, welche die Men&#x017F;chen trennen,<lb/>
welche auch den Jüngling vom Mädchen tren¬<lb/>
nen, mü&#x017F;&#x017F;en fallen; denn ich kenne dich, dein<lb/>
Alles, dein Gehen und Stehen, deine Schwä¬<lb/>
chen und Tugenden: &#x017F;iehe! hier i&#x017F;t meine offne<lb/>
Bru&#x017F;t, hier &#x017F;chlägt mein Herz, ich bin nichts,<lb/>
was noch etwas anderes wäre, als es i&#x017F;t, nichts,<lb/>
was du für etwas anderes halten dürfte&#x017F;t. Weib,<lb/>
in deinen Augen, in den Formen deines Kör¬<lb/>
pers bi&#x017F;t du überreif zur Liebe; und wenn ich<lb/>
dich heut zum er&#x017F;tenmale &#x017F;ähe, &#x017F;o pflückt' ich<lb/>
dich, denn wir &#x017F;ind die Kinder eines und de&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;elben Planeten, ich Men&#x017F;ch, wie du, beide al¬<lb/>
ternd, beide den Tod fürchtend, beide elend.<lb/>
Was weich&#x017F;t du mir aus?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wally zerfloß in Thränen. So fa&#x017F;t hatte<lb/>&#x017F;ar zu ihr ge&#x017F;prochen, und &#x017F;ie fühlte das<lb/>
Entzücken, &#x017F;tatt eines Weibes Men&#x017F;ch zu &#x017F;ein.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0085] ſtark, ſterblich und unſterblich! Dieſe unſicht¬ baren Barrieren, welche die Menſchen trennen, welche auch den Jüngling vom Mädchen tren¬ nen, müſſen fallen; denn ich kenne dich, dein Alles, dein Gehen und Stehen, deine Schwä¬ chen und Tugenden: ſiehe! hier iſt meine offne Bruſt, hier ſchlägt mein Herz, ich bin nichts, was noch etwas anderes wäre, als es iſt, nichts, was du für etwas anderes halten dürfteſt. Weib, in deinen Augen, in den Formen deines Kör¬ pers biſt du überreif zur Liebe; und wenn ich dich heut zum erſtenmale ſähe, ſo pflückt' ich dich, denn wir ſind die Kinder eines und deſ¬ ſelben Planeten, ich Menſch, wie du, beide al¬ ternd, beide den Tod fürchtend, beide elend. Was weichſt du mir aus?“ Wally zerfloß in Thränen. So faſt hatte Cäſar zu ihr geſprochen, und ſie fühlte das Entzücken, ſtatt eines Weibes Menſch zu ſein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/85
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/85>, abgerufen am 21.11.2024.