Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.das achtzehnte Jahrhundert, wir kennen es; dort das zwanzigste, wir ahnen es. Jetzt, was liegt dazwischen? Dazwischen liegt eine Reaktion und eine Bestimmung. Die Erstere ist die, daß in ihr die Jndividuen wie allzu schnelle Rosse am Zügel gepackt und wieder zurückgeführt wurden in die lange Kette der Allgemeinheit, wo die Person in der Masse untergeht. Die Bestimmung ist die, daß im Universalismus selbst das Jndividuum dadurch wieder anerkannt wird, daß es eine isolirte Stellung erhält, dasjenige, was man die Specialität unserer Zeit nennen könnte. Alle unsre Politik strebt dahin, die Jndividuen in die Masse zurück zu schleudern; die Bildung nimmt sie aber wieder hervor und gibt ihnen eigenthümliche Signaturen, die ihnen für die historische Unmittelbarkeit Ersatz werden sollen. Die Jnteressen der Jndustrie, des Handels, der Wissenschaft, verlangen ausdrücklich diese Specialität, welche, da nicht nur die Masse des Wissens nicht zu überwältigen ist, sondern das Ausgezeichnete auch nur durch eine auf das Einzelne ausdrücklich gerichtete Bestrebung geschaffen wird, allmählich das Prinzip der modernen Kultur zu werden scheint. Weil die Menschen dieser Zeit sich in der Allgemeinheit mit Bewußtseyn fühlen sollen, so greift besonders die konstitutionelle Staatsform um sich, deren vorzügliches Merkmal eben die innig verflochtene Jneinanderwirkung der Emanzipation und doch wieder der gesetzmäßigen Unterordnung ist. Fast Alles wird durch Gesellschaften, Associationen und Unterschriften erreicht; das achtzehnte Jahrhundert, wir kennen es; dort das zwanzigste, wir ahnen es. Jetzt, was liegt dazwischen? Dazwischen liegt eine Reaktion und eine Bestimmung. Die Erstere ist die, daß in ihr die Jndividuen wie allzu schnelle Rosse am Zügel gepackt und wieder zurückgeführt wurden in die lange Kette der Allgemeinheit, wo die Person in der Masse untergeht. Die Bestimmung ist die, daß im Universalismus selbst das Jndividuum dadurch wieder anerkannt wird, daß es eine isolirte Stellung erhält, dasjenige, was man die Specialität unserer Zeit nennen könnte. Alle unsre Politik strebt dahin, die Jndividuen in die Masse zurück zu schleudern; die Bildung nimmt sie aber wieder hervor und gibt ihnen eigenthümliche Signaturen, die ihnen für die historische Unmittelbarkeit Ersatz werden sollen. Die Jnteressen der Jndustrie, des Handels, der Wissenschaft, verlangen ausdrücklich diese Specialität, welche, da nicht nur die Masse des Wissens nicht zu überwältigen ist, sondern das Ausgezeichnete auch nur durch eine auf das Einzelne ausdrücklich gerichtete Bestrebung geschaffen wird, allmählich das Prinzip der modernen Kultur zu werden scheint. Weil die Menschen dieser Zeit sich in der Allgemeinheit mit Bewußtseyn fühlen sollen, so greift besonders die konstitutionelle Staatsform um sich, deren vorzügliches Merkmal eben die innig verflochtene Jneinanderwirkung der Emanzipation und doch wieder der gesetzmäßigen Unterordnung ist. Fast Alles wird durch Gesellschaften, Associationen und Unterschriften erreicht; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0102" n="74"/> das achtzehnte Jahrhundert, wir kennen es; dort das zwanzigste, wir ahnen es. Jetzt, was liegt dazwischen?</p> <p>Dazwischen liegt eine Reaktion und eine Bestimmung. Die Erstere ist die, daß in ihr die Jndividuen wie allzu schnelle Rosse am Zügel gepackt und wieder zurückgeführt wurden in die lange Kette der Allgemeinheit, wo die Person in der Masse untergeht. Die Bestimmung ist die, daß im Universalismus selbst das Jndividuum dadurch wieder anerkannt wird, daß es eine isolirte Stellung erhält, dasjenige, was man die Specialität unserer Zeit nennen könnte. Alle unsre Politik strebt dahin, die Jndividuen in die Masse zurück zu schleudern; die Bildung nimmt sie aber wieder hervor und gibt ihnen eigenthümliche Signaturen, die ihnen für die historische Unmittelbarkeit Ersatz werden sollen. Die Jnteressen der Jndustrie, des Handels, der Wissenschaft, verlangen ausdrücklich diese Specialität, welche, da nicht nur die Masse des Wissens nicht zu überwältigen ist, sondern das Ausgezeichnete auch nur durch eine auf das Einzelne ausdrücklich gerichtete Bestrebung geschaffen wird, allmählich das Prinzip der modernen Kultur zu werden scheint. Weil die Menschen dieser Zeit sich in der Allgemeinheit mit Bewußtseyn fühlen sollen, so greift besonders die konstitutionelle Staatsform um sich, deren vorzügliches Merkmal eben die innig verflochtene Jneinanderwirkung der Emanzipation und doch wieder der gesetzmäßigen Unterordnung ist. Fast Alles wird durch Gesellschaften, Associationen und Unterschriften erreicht; </p> </div> </body> </text> </TEI> [74/0102]
das achtzehnte Jahrhundert, wir kennen es; dort das zwanzigste, wir ahnen es. Jetzt, was liegt dazwischen?
Dazwischen liegt eine Reaktion und eine Bestimmung. Die Erstere ist die, daß in ihr die Jndividuen wie allzu schnelle Rosse am Zügel gepackt und wieder zurückgeführt wurden in die lange Kette der Allgemeinheit, wo die Person in der Masse untergeht. Die Bestimmung ist die, daß im Universalismus selbst das Jndividuum dadurch wieder anerkannt wird, daß es eine isolirte Stellung erhält, dasjenige, was man die Specialität unserer Zeit nennen könnte. Alle unsre Politik strebt dahin, die Jndividuen in die Masse zurück zu schleudern; die Bildung nimmt sie aber wieder hervor und gibt ihnen eigenthümliche Signaturen, die ihnen für die historische Unmittelbarkeit Ersatz werden sollen. Die Jnteressen der Jndustrie, des Handels, der Wissenschaft, verlangen ausdrücklich diese Specialität, welche, da nicht nur die Masse des Wissens nicht zu überwältigen ist, sondern das Ausgezeichnete auch nur durch eine auf das Einzelne ausdrücklich gerichtete Bestrebung geschaffen wird, allmählich das Prinzip der modernen Kultur zu werden scheint. Weil die Menschen dieser Zeit sich in der Allgemeinheit mit Bewußtseyn fühlen sollen, so greift besonders die konstitutionelle Staatsform um sich, deren vorzügliches Merkmal eben die innig verflochtene Jneinanderwirkung der Emanzipation und doch wieder der gesetzmäßigen Unterordnung ist. Fast Alles wird durch Gesellschaften, Associationen und Unterschriften erreicht;
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/102>, abgerufen am 16.02.2025. |