Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.diplomatischen Verbindungen der übrigen Staaten mit Frankreich hatten einen Anstrich von Zuneigung, der nicht völlig erheuchelt war; die dynastischen Jnteressen der Throne fingen an, sich wegen Frankreich zu beruhigen. Unter diesen Umständen entwickelte sich die Erscheinung Napoleons, eines Mannes, dem Niemand verglichen werden kann, wenn man bedenkt, wie geliebt er wurde, als er stieg, und wie gehaßt, da er fiel. Napoleon wurde um so mehr der Zeitungsgott, da er seine Waffen nach Aegypten übertrug und dort für unsre Neugier, für unsre Admiromanie Wunder verrichtete, die uns nichts kosteten. Als er später Oestreich angriff, so waren auch diese Kriege populär, da man wohl wußte, daß sie von England bezahlt wurden. Man übersehe nicht, daß diese Hingebung an den Modehelden nicht günstig für die Dynastien wirken konnte, wenn auch Napoleon bald aufhörte, politische Begriffe der Heimath, nämlich Freiheitsideen, an seine Fortschritte zu knüpfen. Je mehr Napoleons Jndividualität in den Vorgrund trat, je mehr er selbst der Schwerpunkt seiner balancirenden Versuchungen des Glücks wurde, desto mächtiger die Anziehungskraft, die er auf die Gemüther hatte. Napoleon überwand nicht nur Völker, die ihn bewunderten, sondern sogar Armeen und Feldherren, welche sich's für Ehre anrechneten, von ihm geschlagen zu werden. Dieser allgemeine Enthusiasmus hörte später auf und erholte sich wieder, als Napoleon fiel. Man muß diese beiden Wendepunkte seines Geschicks wohl diplomatischen Verbindungen der übrigen Staaten mit Frankreich hatten einen Anstrich von Zuneigung, der nicht völlig erheuchelt war; die dynastischen Jnteressen der Throne fingen an, sich wegen Frankreich zu beruhigen. Unter diesen Umständen entwickelte sich die Erscheinung Napoleons, eines Mannes, dem Niemand verglichen werden kann, wenn man bedenkt, wie geliebt er wurde, als er stieg, und wie gehaßt, da er fiel. Napoleon wurde um so mehr der Zeitungsgott, da er seine Waffen nach Aegypten übertrug und dort für unsre Neugier, für unsre Admiromanie Wunder verrichtete, die uns nichts kosteten. Als er später Oestreich angriff, so waren auch diese Kriege populär, da man wohl wußte, daß sie von England bezahlt wurden. Man übersehe nicht, daß diese Hingebung an den Modehelden nicht günstig für die Dynastien wirken konnte, wenn auch Napoleon bald aufhörte, politische Begriffe der Heimath, nämlich Freiheitsideen, an seine Fortschritte zu knüpfen. Je mehr Napoleons Jndividualität in den Vorgrund trat, je mehr er selbst der Schwerpunkt seiner balancirenden Versuchungen des Glücks wurde, desto mächtiger die Anziehungskraft, die er auf die Gemüther hatte. Napoleon überwand nicht nur Völker, die ihn bewunderten, sondern sogar Armeen und Feldherren, welche sich’s für Ehre anrechneten, von ihm geschlagen zu werden. Dieser allgemeine Enthusiasmus hörte später auf und erholte sich wieder, als Napoleon fiel. Man muß diese beiden Wendepunkte seines Geschicks wohl <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0108" n="80"/> diplomatischen Verbindungen der übrigen Staaten mit Frankreich hatten einen Anstrich von Zuneigung, der nicht völlig erheuchelt war; die dynastischen Jnteressen der Throne fingen an, sich wegen Frankreich zu beruhigen. Unter diesen Umständen entwickelte sich die Erscheinung Napoleons, eines Mannes, dem Niemand verglichen werden kann, wenn man bedenkt, wie geliebt er wurde, als er stieg, und wie gehaßt, da er fiel. Napoleon wurde um so mehr der Zeitungsgott, da er seine Waffen nach Aegypten übertrug und dort für unsre Neugier, für unsre Admiromanie Wunder verrichtete, die uns nichts kosteten. Als er später Oestreich angriff, so waren auch diese Kriege populär, da man wohl wußte, daß sie von England bezahlt wurden. Man übersehe nicht, daß diese Hingebung an den Modehelden nicht günstig für die Dynastien wirken konnte, wenn auch Napoleon bald aufhörte, politische Begriffe der Heimath, nämlich Freiheitsideen, an seine Fortschritte zu knüpfen. Je mehr Napoleons Jndividualität in den Vorgrund trat, je mehr er selbst der Schwerpunkt seiner balancirenden Versuchungen des Glücks wurde, desto mächtiger die Anziehungskraft, die er auf die Gemüther hatte. Napoleon überwand nicht nur Völker, die ihn bewunderten, sondern sogar Armeen und Feldherren, welche sich’s für Ehre anrechneten, von ihm geschlagen zu werden. Dieser allgemeine Enthusiasmus hörte später auf und erholte sich wieder, als Napoleon fiel. Man muß diese beiden Wendepunkte seines Geschicks wohl </p> </div> </body> </text> </TEI> [80/0108]
diplomatischen Verbindungen der übrigen Staaten mit Frankreich hatten einen Anstrich von Zuneigung, der nicht völlig erheuchelt war; die dynastischen Jnteressen der Throne fingen an, sich wegen Frankreich zu beruhigen. Unter diesen Umständen entwickelte sich die Erscheinung Napoleons, eines Mannes, dem Niemand verglichen werden kann, wenn man bedenkt, wie geliebt er wurde, als er stieg, und wie gehaßt, da er fiel. Napoleon wurde um so mehr der Zeitungsgott, da er seine Waffen nach Aegypten übertrug und dort für unsre Neugier, für unsre Admiromanie Wunder verrichtete, die uns nichts kosteten. Als er später Oestreich angriff, so waren auch diese Kriege populär, da man wohl wußte, daß sie von England bezahlt wurden. Man übersehe nicht, daß diese Hingebung an den Modehelden nicht günstig für die Dynastien wirken konnte, wenn auch Napoleon bald aufhörte, politische Begriffe der Heimath, nämlich Freiheitsideen, an seine Fortschritte zu knüpfen. Je mehr Napoleons Jndividualität in den Vorgrund trat, je mehr er selbst der Schwerpunkt seiner balancirenden Versuchungen des Glücks wurde, desto mächtiger die Anziehungskraft, die er auf die Gemüther hatte. Napoleon überwand nicht nur Völker, die ihn bewunderten, sondern sogar Armeen und Feldherren, welche sich’s für Ehre anrechneten, von ihm geschlagen zu werden. Dieser allgemeine Enthusiasmus hörte später auf und erholte sich wieder, als Napoleon fiel. Man muß diese beiden Wendepunkte seines Geschicks wohl
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/108 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/108>, abgerufen am 16.02.2025. |