Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Anknüpfungspunkte. Er hatte seine Feldzüge schon bis zu den Feldzügen herabgewürdigt, welche wegen Erbfolgen, Theilungen und Gleichgewichtsinteressen ehemals geführt wurden; die französischen Armeen selbst waren nur aus ganz französischem, ganz nationalem Stoff zusammengesetzt. Dieß Alles förderte einen Gegensatz ähnlicher Art hervor. Und dennoch muß man noch immer gestehen, daß derselbe nicht aus dem Gefühle der nationalen Selbständigkeit zunächst hervorging, sondern daß der Patriotismus erst die Form für ein anderes Unbehagen war, das die Völker zum Kampfe gegen Napoleon entzündete. Selbst bei den rachesprühenden Spaniern muß man sagen, daß der Gedanke, sich getäuscht zu sehen, erst den andern Gedanken, daß die Nation sich erheben müsse, erzeugte. Schweden, das sich einen französischen General zum Herrscher nahm, trat gewiß nicht aus nationaler Jdiosynkrasie gegen Napoleon auf. Nur Deutschland schien den Namen des Vaterlandes rächen zu wollen. Allein selbst in Deutschland war die Nation nicht der bloße Gedanke. Deutschland steckte zwar am begeistertsten diese Devise auf, aber es mußte die innerste Thatkraft der Nationalität beschwören, weil es seiner Zersplitterung wegen sonst nichts vermocht hätte, weil sie seine einzige Waffe war, und weil es zuletzt sein Alles in die Schanze schlagen mußte, um nicht die Schande zu erleben, daß es von der russischen Hülfe wäre überflügelt worden. Aber man bedenke nur das Ende. Jst eine Nation schneller auseinandergegangen, da Napoleon Anknüpfungspunkte. Er hatte seine Feldzüge schon bis zu den Feldzügen herabgewürdigt, welche wegen Erbfolgen, Theilungen und Gleichgewichtsinteressen ehemals geführt wurden; die französischen Armeen selbst waren nur aus ganz französischem, ganz nationalem Stoff zusammengesetzt. Dieß Alles förderte einen Gegensatz ähnlicher Art hervor. Und dennoch muß man noch immer gestehen, daß derselbe nicht aus dem Gefühle der nationalen Selbständigkeit zunächst hervorging, sondern daß der Patriotismus erst die Form für ein anderes Unbehagen war, das die Völker zum Kampfe gegen Napoleon entzündete. Selbst bei den rachesprühenden Spaniern muß man sagen, daß der Gedanke, sich getäuscht zu sehen, erst den andern Gedanken, daß die Nation sich erheben müsse, erzeugte. Schweden, das sich einen französischen General zum Herrscher nahm, trat gewiß nicht aus nationaler Jdiosynkrasie gegen Napoleon auf. Nur Deutschland schien den Namen des Vaterlandes rächen zu wollen. Allein selbst in Deutschland war die Nation nicht der bloße Gedanke. Deutschland steckte zwar am begeistertsten diese Devise auf, aber es mußte die innerste Thatkraft der Nationalität beschwören, weil es seiner Zersplitterung wegen sonst nichts vermocht hätte, weil sie seine einzige Waffe war, und weil es zuletzt sein Alles in die Schanze schlagen mußte, um nicht die Schande zu erleben, daß es von der russischen Hülfe wäre überflügelt worden. Aber man bedenke nur das Ende. Jst eine Nation schneller auseinandergegangen, da Napoleon <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0110" n="82"/> Anknüpfungspunkte. Er hatte seine Feldzüge schon bis zu den Feldzügen herabgewürdigt, welche wegen Erbfolgen, Theilungen und Gleichgewichtsinteressen ehemals geführt wurden; die französischen Armeen selbst waren nur aus ganz französischem, ganz nationalem Stoff zusammengesetzt. Dieß Alles förderte einen Gegensatz ähnlicher Art hervor. Und dennoch muß man noch immer gestehen, daß derselbe nicht aus dem Gefühle der nationalen Selbständigkeit zunächst hervorging, sondern daß der Patriotismus erst die Form für ein anderes Unbehagen war, das die Völker zum Kampfe gegen Napoleon entzündete. Selbst bei den rachesprühenden Spaniern muß man sagen, daß der Gedanke, sich getäuscht zu sehen, erst den andern Gedanken, daß die <hi rendition="#g">Nation</hi> sich erheben müsse, erzeugte. Schweden, das sich einen französischen General zum Herrscher nahm, trat gewiß nicht aus nationaler Jdiosynkrasie gegen Napoleon auf. Nur Deutschland schien den Namen des Vaterlandes rächen zu wollen. Allein selbst in Deutschland war die Nation nicht der bloße Gedanke. Deutschland steckte zwar am begeistertsten diese Devise auf, aber es mußte die innerste Thatkraft der Nationalität beschwören, weil es seiner Zersplitterung wegen sonst nichts vermocht hätte, weil sie seine einzige Waffe war, und weil es zuletzt sein Alles in die Schanze schlagen mußte, um nicht die Schande zu erleben, daß es von der russischen Hülfe wäre überflügelt worden. Aber man bedenke nur das Ende. Jst eine Nation schneller auseinandergegangen, da Napoleon </p> </div> </body> </text> </TEI> [82/0110]
Anknüpfungspunkte. Er hatte seine Feldzüge schon bis zu den Feldzügen herabgewürdigt, welche wegen Erbfolgen, Theilungen und Gleichgewichtsinteressen ehemals geführt wurden; die französischen Armeen selbst waren nur aus ganz französischem, ganz nationalem Stoff zusammengesetzt. Dieß Alles förderte einen Gegensatz ähnlicher Art hervor. Und dennoch muß man noch immer gestehen, daß derselbe nicht aus dem Gefühle der nationalen Selbständigkeit zunächst hervorging, sondern daß der Patriotismus erst die Form für ein anderes Unbehagen war, das die Völker zum Kampfe gegen Napoleon entzündete. Selbst bei den rachesprühenden Spaniern muß man sagen, daß der Gedanke, sich getäuscht zu sehen, erst den andern Gedanken, daß die Nation sich erheben müsse, erzeugte. Schweden, das sich einen französischen General zum Herrscher nahm, trat gewiß nicht aus nationaler Jdiosynkrasie gegen Napoleon auf. Nur Deutschland schien den Namen des Vaterlandes rächen zu wollen. Allein selbst in Deutschland war die Nation nicht der bloße Gedanke. Deutschland steckte zwar am begeistertsten diese Devise auf, aber es mußte die innerste Thatkraft der Nationalität beschwören, weil es seiner Zersplitterung wegen sonst nichts vermocht hätte, weil sie seine einzige Waffe war, und weil es zuletzt sein Alles in die Schanze schlagen mußte, um nicht die Schande zu erleben, daß es von der russischen Hülfe wäre überflügelt worden. Aber man bedenke nur das Ende. Jst eine Nation schneller auseinandergegangen, da Napoleon
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/110>, abgerufen am 16.02.2025. |