Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Arcadien in unser runzeligtes Europa, man macht aus der alten Schönen eine Theaterprinzessin, die sich schminkt und eine Jugend affectirt, die sie längst verloren hat. Unsre Zeit hat Thorheiten, von denen der Cabinette bis zu denen des Boudoirs, von der Krone herab bis zur Cravatte; aber ist es nicht lächerlich, statt Jemanden zu sagen, du würgst dir deinen Kehlkopf so unvernünftig zusammen, daß du hinten ein wenig lüften mußt, ihm rundweg zu erklären: Geh' mit blosem Halse! Unsre Zeit hat etwas ungemein Anziehendes, selbst wenn man ihre Abgeschmacktheiten vergleicht. Es gibt nichts so Unvernünftiges, was bei uns die Gedankenlosigkeit in der Politik, Moral und der Mode ausgeheckt hat, das nicht zu gleicher Zeit einen gewissen Anstrich, eine gewisse Raison hat, wenn man auch über sie nur lachen muß. Der Nonsens unsrer conversationellen Beziehungen ist kein Defizit an Vernunft, sondern Uebervernunft, die uns bei schlechter Laune albern, bei guter zuweilen recht ergötzlich erscheint. Von Sprache Arcadien in unser runzeligtes Europa, man macht aus der alten Schönen eine Theaterprinzessin, die sich schminkt und eine Jugend affectirt, die sie längst verloren hat. Unsre Zeit hat Thorheiten, von denen der Cabinette bis zu denen des Boudoirs, von der Krone herab bis zur Cravatte; aber ist es nicht lächerlich, statt Jemanden zu sagen, du würgst dir deinen Kehlkopf so unvernünftig zusammen, daß du hinten ein wenig lüften mußt, ihm rundweg zu erklären: Geh’ mit blosem Halse! Unsre Zeit hat etwas ungemein Anziehendes, selbst wenn man ihre Abgeschmacktheiten vergleicht. Es gibt nichts so Unvernünftiges, was bei uns die Gedankenlosigkeit in der Politik, Moral und der Mode ausgeheckt hat, das nicht zu gleicher Zeit einen gewissen Anstrich, eine gewisse Raison hat, wenn man auch über sie nur lachen muß. Der Nonsens unsrer conversationellen Beziehungen ist kein Defizit an Vernunft, sondern Uebervernunft, die uns bei schlechter Laune albern, bei guter zuweilen recht ergötzlich erscheint. Von Sprache <TEI> <text> <front> <div type="dedication"> <p><ref xml:id="TEXTEndlichmischtBISverlorenhat" type="editorialNote" target="ZgZuE.htm#ERLEndlichmischtBISverlorenhat"><pb facs="#f0016" n="XII"/> Arcadien in unser runzeligtes Europa, man macht aus der alten Schönen eine Theaterprinzessin, die sich schminkt und eine Jugend affectirt, die sie längst verloren hat</ref>. Unsre Zeit hat Thorheiten, von denen der Cabinette bis zu denen des Boudoirs, von der Krone herab bis zur <ref xml:id="TEXTCravatte" type="editorialNote" target="ZgZuE.htm#ERLCravatte">Cravatte</ref>; aber ist es nicht lächerlich, statt Jemanden zu sagen, du würgst dir deinen Kehlkopf so unvernünftig zusammen, <ref xml:id="TEXTdassduhintenBISlueftenmusst" type="editorialNote" target="ZgZuE.htm#ERLdassduhintenBISlueftenmusst">daß du hinten ein wenig lüften mußt</ref>, ihm rundweg zu erklären: Geh’ mit blosem Halse! Unsre Zeit hat etwas ungemein Anziehendes, selbst wenn man ihre Abgeschmacktheiten vergleicht. Es gibt nichts so Unvernünftiges, was bei uns die Gedankenlosigkeit in der Politik, Moral und der Mode ausgeheckt hat, das nicht zu gleicher Zeit einen gewissen Anstrich, eine gewisse <ref xml:id="TEXTRaison" type="editorialNote" target="ZgZuE.htm#ERLRaison">Raison</ref> hat, wenn man auch über sie nur lachen muß. Der <ref xml:id="TEXTNonsens" type="editorialNote" target="ZgZuE.htm#ERLNonsens">Nonsens</ref> unsrer <ref xml:id="TEXTconversationell" type="editorialNote" target="ZgZuE.htm#ERLconversationell">conversationellen</ref> Beziehungen ist kein Defizit an Vernunft, sondern Uebervernunft, die uns bei schlechter Laune albern, bei guter zuweilen recht ergötzlich erscheint. Von Sprache </p> </div> </front> </text> </TEI> [XII/0016]
Arcadien in unser runzeligtes Europa, man macht aus der alten Schönen eine Theaterprinzessin, die sich schminkt und eine Jugend affectirt, die sie längst verloren hat. Unsre Zeit hat Thorheiten, von denen der Cabinette bis zu denen des Boudoirs, von der Krone herab bis zur Cravatte; aber ist es nicht lächerlich, statt Jemanden zu sagen, du würgst dir deinen Kehlkopf so unvernünftig zusammen, daß du hinten ein wenig lüften mußt, ihm rundweg zu erklären: Geh’ mit blosem Halse! Unsre Zeit hat etwas ungemein Anziehendes, selbst wenn man ihre Abgeschmacktheiten vergleicht. Es gibt nichts so Unvernünftiges, was bei uns die Gedankenlosigkeit in der Politik, Moral und der Mode ausgeheckt hat, das nicht zu gleicher Zeit einen gewissen Anstrich, eine gewisse Raison hat, wenn man auch über sie nur lachen muß. Der Nonsens unsrer conversationellen Beziehungen ist kein Defizit an Vernunft, sondern Uebervernunft, die uns bei schlechter Laune albern, bei guter zuweilen recht ergötzlich erscheint. Von Sprache
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