Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

nirgends existirt. Mich wenigstens treibt es augenblicklich aus den Allgemeinheiten heraus, wenn ich mich in sie verflogen habe, und es klopft an meine Thür. Herein! Der Friseur. Eine Gestalt, die uns mitten im Sommer das Bild des Winters gibt, weil der Puder wie festgefrorner Reif auf dem Kleide sitzt; eine krumme, servile, höfliche Schwatzhaftigkeit, welche die Menschen nach ihren Toupe's beurtheilt, und deren täglicher Refrain ist: "Ja, ehemals! Der Perruquier ist für unsre Zeit hin: Alles scheert sich glatt; die Frauenzimmer stehen des Morgens auf, links, rechts, hin und her, so, der Zopf ist fertig, herumgewunden, aufgesteckt, zwei Löckchen an den Ohren mit Pomade oder, wenn sie fehlt, mit etwas ganz Anderm gedreht. Das ist die heutige Kunst, die sich selbst bedient!" Dieser Mann ist unausstehlich, er gehört dem vorigen Jahrhundert an, er macht aber schon mehr als dreißig des neuen mit. Darf ich ihn übergehen? Und so den ganzen Tag. Das Rufen und Lärmen auf der Gasse, die neuen Erfindungen, die Plakate,

nirgends existirt. Mich wenigstens treibt es augenblicklich aus den Allgemeinheiten heraus, wenn ich mich in sie verflogen habe, und es klopft an meine Thür. Herein! Der Friseur. Eine Gestalt, die uns mitten im Sommer das Bild des Winters gibt, weil der Puder wie festgefrorner Reif auf dem Kleide sitzt; eine krumme, servile, höfliche Schwatzhaftigkeit, welche die Menschen nach ihren Toupé’s beurtheilt, und deren täglicher Refrain ist: "Ja, ehemals! Der Perruquier ist für unsre Zeit hin: Alles scheert sich glatt; die Frauenzimmer stehen des Morgens auf, links, rechts, hin und her, so, der Zopf ist fertig, herumgewunden, aufgesteckt, zwei Löckchen an den Ohren mit Pomade oder, wenn sie fehlt, mit etwas ganz Anderm gedreht. Das ist die heutige Kunst, die sich selbst bedient!" Dieser Mann ist unausstehlich, er gehört dem vorigen Jahrhundert an, er macht aber schon mehr als dreißig des neuen mit. Darf ich ihn übergehen? Und so den ganzen Tag. Das Rufen und Lärmen auf der Gasse, die neuen Erfindungen, die Plakate,

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="dedication">
        <p><pb facs="#f0020" n="XVI"/>
nirgends existirt. Mich wenigstens treibt es augenblicklich aus den Allgemeinheiten heraus, wenn ich mich in sie verflogen habe, und es klopft an meine Thür. Herein! Der Friseur. Eine Gestalt, die uns mitten im Sommer das Bild des Winters gibt, weil der Puder wie festgefrorner Reif auf dem Kleide sitzt; eine krumme, servile, höfliche Schwatzhaftigkeit, welche die Menschen nach ihren Toupé&#x2019;s beurtheilt, und deren täglicher Refrain ist: "Ja, ehemals! Der <ref xml:id="TEXTPerruquier" type="editorialNote" target="ZgZuE.htm#ERLPerruquier">Perruquier</ref> ist für unsre Zeit hin: <ref xml:id="TEXTAllesscheertsichBISmitPomade" type="editorialNote" target="ZgZuE.htm#ERLAllesscheertsichBISmitPomade">Alles scheert sich glatt; die Frauenzimmer stehen des Morgens auf, links, rechts, hin und her, so, der Zopf ist fertig, herumgewunden, aufgesteckt, zwei Löckchen an den Ohren mit Pomade</ref> oder, wenn sie fehlt, mit etwas ganz Anderm gedreht. Das ist die heutige Kunst, die sich selbst bedient!" Dieser Mann ist unausstehlich, er gehört dem vorigen Jahrhundert an, er macht aber schon mehr als dreißig des neuen mit. Darf ich ihn übergehen? Und so den ganzen Tag. Das Rufen und Lärmen auf der Gasse, die neuen Erfindungen, die Plakate,
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XVI/0020] nirgends existirt. Mich wenigstens treibt es augenblicklich aus den Allgemeinheiten heraus, wenn ich mich in sie verflogen habe, und es klopft an meine Thür. Herein! Der Friseur. Eine Gestalt, die uns mitten im Sommer das Bild des Winters gibt, weil der Puder wie festgefrorner Reif auf dem Kleide sitzt; eine krumme, servile, höfliche Schwatzhaftigkeit, welche die Menschen nach ihren Toupé’s beurtheilt, und deren täglicher Refrain ist: "Ja, ehemals! Der Perruquier ist für unsre Zeit hin: Alles scheert sich glatt; die Frauenzimmer stehen des Morgens auf, links, rechts, hin und her, so, der Zopf ist fertig, herumgewunden, aufgesteckt, zwei Löckchen an den Ohren mit Pomade oder, wenn sie fehlt, mit etwas ganz Anderm gedreht. Das ist die heutige Kunst, die sich selbst bedient!" Dieser Mann ist unausstehlich, er gehört dem vorigen Jahrhundert an, er macht aber schon mehr als dreißig des neuen mit. Darf ich ihn übergehen? Und so den ganzen Tag. Das Rufen und Lärmen auf der Gasse, die neuen Erfindungen, die Plakate,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/20
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. XVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/20>, abgerufen am 21.11.2024.