Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.die Stiefelwichspatente; kann man dieß Alles vergessen, wenn man über sein Jahrhundert nachdenken will? Dort steht ein junger idealistischer Revolutionär vom Continent, ein Eingebürgerter von St. Pelagie. Sein Haar wallt lockig über die Schultern, es ist schwarz und hat vor Frühreife schon, gegen das Licht gehalten, ein graues Lüstre; er runzelt die Stirn, er liest in den Werken St. Justs, er ist adelig und läßt die Bezeichnung davon aus, er ist reich und hungert, um die Empfindungen der Proletairs zu studiren. Und hier führ' ich Euch in ein Haus, das mit Tulpen rings umpflanzt ist, ein sauber lakirtes Haus in Holland, in welchem man nichts, als Milch und Kupfer im Hofe sieht, in die Nähe Derer, die es bewohnen, zweier Eheleute, die ohne Kinder alt geworden sind. Sie stehen spät auf, frühstücken eine Stunde, lesen sich wechselseitig die Zeitung vor, von dem leitenden Artikel an bis zum Hunde, der verloren ist und auf den Namen einer Sängerin hört, mit welchem ihn sein Herr taufte; sie lesen Alles, früh- die Stiefelwichspatente; kann man dieß Alles vergessen, wenn man über sein Jahrhundert nachdenken will? Dort steht ein junger idealistischer Revolutionär vom Continent, ein Eingebürgerter von St. Pelagie. Sein Haar wallt lockig über die Schultern, es ist schwarz und hat vor Frühreife schon, gegen das Licht gehalten, ein graues Lüstre; er runzelt die Stirn, er liest in den Werken St. Justs, er ist adelig und läßt die Bezeichnung davon aus, er ist reich und hungert, um die Empfindungen der Proletairs zu studiren. Und hier führ’ ich Euch in ein Haus, das mit Tulpen rings umpflanzt ist, ein sauber lakirtes Haus in Holland, in welchem man nichts, als Milch und Kupfer im Hofe sieht, in die Nähe Derer, die es bewohnen, zweier Eheleute, die ohne Kinder alt geworden sind. Sie stehen spät auf, frühstücken eine Stunde, lesen sich wechselseitig die Zeitung vor, von dem leitenden Artikel an bis zum Hunde, der verloren ist und auf den Namen einer Sängerin hört, mit welchem ihn sein Herr taufte; sie lesen Alles, früh- <TEI> <text> <front> <div type="dedication"> <p><pb facs="#f0021" n="XVII"/> die Stiefelwichspatente; kann man dieß Alles vergessen, wenn man über sein Jahrhundert nachdenken will? Dort steht <ref xml:id="TEXTeinjungerBISStPelagie" type="editorialNote" target="ZgZuE.htm#ERLeinjungerBISStPelagie">ein junger idealistischer Revolutionär vom Continent, ein Eingebürgerter von St. Pelagie</ref>. Sein Haar wallt lockig über die Schultern, es ist schwarz und hat vor Frühreife schon, gegen das Licht gehalten, ein graues Lüstre; er runzelt die Stirn, er liest in den Werken <ref xml:id="TEXTStJusts" type="editorialNote" target="ZgZuE.htm#ERLStJusts">St. Justs</ref>, <ref xml:id="TEXTeristadeligBISdavonaus" type="editorialNote" target="ZgZuE.htm#ERLeristadeligBISdavonaus">er ist adelig und läßt die Bezeichnung davon aus</ref>, er ist reich und hungert, um die Empfindungen der Proletairs zu studiren. Und hier führ’ ich Euch in ein Haus, das mit Tulpen rings umpflanzt ist, <ref xml:id="TEXTeinsauberBISHolland" type="editorialNote" target="ZgZuE.htm#ERLeinsauberBISHolland">ein sauber lakirtes Haus in Holland</ref>, in welchem man nichts, als Milch und Kupfer im Hofe sieht, in die Nähe Derer, die es bewohnen, zweier Eheleute, die ohne Kinder alt geworden sind. Sie stehen spät auf, frühstücken eine Stunde, lesen sich wechselseitig die Zeitung vor, von dem leitenden Artikel an bis zum Hunde, der verloren ist und auf den Namen einer Sängerin hört, mit welchem ihn sein Herr taufte; sie lesen Alles, früh- </p> </div> </front> </text> </TEI> [XVII/0021]
die Stiefelwichspatente; kann man dieß Alles vergessen, wenn man über sein Jahrhundert nachdenken will? Dort steht ein junger idealistischer Revolutionär vom Continent, ein Eingebürgerter von St. Pelagie. Sein Haar wallt lockig über die Schultern, es ist schwarz und hat vor Frühreife schon, gegen das Licht gehalten, ein graues Lüstre; er runzelt die Stirn, er liest in den Werken St. Justs, er ist adelig und läßt die Bezeichnung davon aus, er ist reich und hungert, um die Empfindungen der Proletairs zu studiren. Und hier führ’ ich Euch in ein Haus, das mit Tulpen rings umpflanzt ist, ein sauber lakirtes Haus in Holland, in welchem man nichts, als Milch und Kupfer im Hofe sieht, in die Nähe Derer, die es bewohnen, zweier Eheleute, die ohne Kinder alt geworden sind. Sie stehen spät auf, frühstücken eine Stunde, lesen sich wechselseitig die Zeitung vor, von dem leitenden Artikel an bis zum Hunde, der verloren ist und auf den Namen einer Sängerin hört, mit welchem ihn sein Herr taufte; sie lesen Alles, früh-
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