Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.der sich streitenden Parteien, steckte die Hand in den Brustlatz und behielt seine Stimme bei sich, selbst wenn er damit für die Wahl eines Reformers den Ausschlag hätte geben können. Er ging in keine Kirche, weil er überzeugt war, daß die Religion nur um des Staates willen erfunden wäre. Er wies jede Beziehung zu öffentlichen Dingen zurück, las keine Zeitungen, keine Broschüren und wußte entweder wirklich nicht mehr, welcher Meinung dieser oder jener Staatsmann angehörte, oder affektirte, es nicht zu wissen. Er gestand, nicht mehr zu wissen, ob Wellington für die königliche Prärogative oder für das Volk stimme. Es machte ihm Vergnügen, von Robert Peel so zu sprechen, als hielt er ihn für einen ostindischen Missionär. Lord John Russel wird für die Appropriation auftreten, sagte man ihm einmal. Für die Aneignung? frug er; ist da schon wieder ein Advokat aufgestanden, der den Diebstahl vertheidigen will? Er erklärte in einer Gesellschaft, den Unterschied zwischen dem Ober- und Unterhause vergessen zu haben. Es sey ihm auch so wenig d'ran gelegen, daß ihm weit lieber wäre zu wissen, wie die Herzogin von New-castle ihre große Katze nenne. Kurz, in dieser Weise hatte er sich einen Wahnsinn angeeignet, in welchem eine consequente Methode, den Staat zu verachten, die Oberhand hatte. Sey es nun aber, daß ihn die lange Weile oder die Nothwendigkeit, seine Zeit zu zerstreuen, trieb; er wurde ein großer Fußgänger, ein Sportsman, der nie Milzstechen der sich streitenden Parteien, steckte die Hand in den Brustlatz und behielt seine Stimme bei sich, selbst wenn er damit für die Wahl eines Reformers den Ausschlag hätte geben können. Er ging in keine Kirche, weil er überzeugt war, daß die Religion nur um des Staates willen erfunden wäre. Er wies jede Beziehung zu öffentlichen Dingen zurück, las keine Zeitungen, keine Broschüren und wußte entweder wirklich nicht mehr, welcher Meinung dieser oder jener Staatsmann angehörte, oder affektirte, es nicht zu wissen. Er gestand, nicht mehr zu wissen, ob Wellington für die königliche Prärogative oder für das Volk stimme. Es machte ihm Vergnügen, von Robert Peel so zu sprechen, als hielt er ihn für einen ostindischen Missionär. Lord John Russel wird für die Appropriation auftreten, sagte man ihm einmal. Für die Aneignung? frug er; ist da schon wieder ein Advokat aufgestanden, der den Diebstahl vertheidigen will? Er erklärte in einer Gesellschaft, den Unterschied zwischen dem Ober- und Unterhause vergessen zu haben. Es sey ihm auch so wenig d’ran gelegen, daß ihm weit lieber wäre zu wissen, wie die Herzogin von New-castle ihre große Katze nenne. Kurz, in dieser Weise hatte er sich einen Wahnsinn angeeignet, in welchem eine consequente Methode, den Staat zu verachten, die Oberhand hatte. Sey es nun aber, daß ihn die lange Weile oder die Nothwendigkeit, seine Zeit zu zerstreuen, trieb; er wurde ein großer Fußgänger, ein Sportsman, der nie Milzstechen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0301" n="273"/> der sich streitenden Parteien, steckte die Hand in den Brustlatz und behielt seine Stimme bei sich, selbst wenn er damit für die Wahl eines Reformers den Ausschlag hätte geben können. Er ging in keine Kirche, weil er überzeugt war, daß die Religion nur um des Staates willen erfunden wäre. Er wies jede Beziehung zu öffentlichen Dingen zurück, las keine Zeitungen, keine Broschüren und wußte entweder wirklich nicht mehr, welcher Meinung dieser oder jener Staatsmann angehörte, oder affektirte, es nicht zu wissen. Er gestand, nicht mehr zu wissen, ob Wellington für die königliche Prärogative oder für das Volk stimme. Es machte ihm Vergnügen, von Robert Peel so zu sprechen, als hielt er ihn für einen ostindischen Missionär. Lord John Russel wird für die Appropriation auftreten, sagte man ihm einmal. Für die Aneignung? frug er; ist da schon wieder ein Advokat aufgestanden, der den Diebstahl vertheidigen will? Er erklärte in einer Gesellschaft, den Unterschied zwischen dem Ober- und Unterhause vergessen zu haben. Es sey ihm auch so wenig d’ran gelegen, daß ihm weit lieber wäre zu wissen, wie die Herzogin von New-castle ihre große Katze nenne. Kurz, in dieser Weise hatte er sich einen Wahnsinn angeeignet, in welchem eine consequente Methode, den Staat zu verachten, die Oberhand hatte.</p> <p>Sey es nun aber, daß ihn die lange Weile oder die Nothwendigkeit, seine Zeit zu zerstreuen, trieb; er wurde ein großer Fußgänger, ein Sportsman, der nie Milzstechen </p> </div> </body> </text> </TEI> [273/0301]
der sich streitenden Parteien, steckte die Hand in den Brustlatz und behielt seine Stimme bei sich, selbst wenn er damit für die Wahl eines Reformers den Ausschlag hätte geben können. Er ging in keine Kirche, weil er überzeugt war, daß die Religion nur um des Staates willen erfunden wäre. Er wies jede Beziehung zu öffentlichen Dingen zurück, las keine Zeitungen, keine Broschüren und wußte entweder wirklich nicht mehr, welcher Meinung dieser oder jener Staatsmann angehörte, oder affektirte, es nicht zu wissen. Er gestand, nicht mehr zu wissen, ob Wellington für die königliche Prärogative oder für das Volk stimme. Es machte ihm Vergnügen, von Robert Peel so zu sprechen, als hielt er ihn für einen ostindischen Missionär. Lord John Russel wird für die Appropriation auftreten, sagte man ihm einmal. Für die Aneignung? frug er; ist da schon wieder ein Advokat aufgestanden, der den Diebstahl vertheidigen will? Er erklärte in einer Gesellschaft, den Unterschied zwischen dem Ober- und Unterhause vergessen zu haben. Es sey ihm auch so wenig d’ran gelegen, daß ihm weit lieber wäre zu wissen, wie die Herzogin von New-castle ihre große Katze nenne. Kurz, in dieser Weise hatte er sich einen Wahnsinn angeeignet, in welchem eine consequente Methode, den Staat zu verachten, die Oberhand hatte.
Sey es nun aber, daß ihn die lange Weile oder die Nothwendigkeit, seine Zeit zu zerstreuen, trieb; er wurde ein großer Fußgänger, ein Sportsman, der nie Milzstechen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |