Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

das so schön dargestellte System sich kompromittiren, wenn sie straucheln, und nun weder bei den Einen noch bei den Andern Zuflucht finden. Die Macchiavellismen gehen immer im Schwange; jeder benutzt seinen Vortheil, wo er ihn wahrnimmt; man kann sich auf keinem Gebiete wechselseitiges Vertrauen schenken, wo nicht eine Partei der andern entschiedene Concessionen macht. Wehe denen, die sich statt auf Werke nur auf Worte verlassen!"

Genug hievon! Jch könnte nun eine Blöße aufdecken, welche beschämend ist; doch sind die vorangehenden Bemerkungen zu ernst und tief begründet, als daß ich z. B. durch die Skizze eines Legationssekretärs diese Betrachtung mit einem Scherze schließen dürfte. Doch von einem Exemplar dieser Gattung kann ich mich nicht enthalten hier einige kurze Pinselstriche hinzuwerfen.

Es war auf dem Continent, wo mich eine verwickelte Angelegenheit zwang, die Behörden der .....schen Legation anzugehen. Es war eine kleine Residenzstadt, weitläufig gebaut, aber dünn bevölkert, breite, lichte Straßen, wo die Menschen so rar waren, wie die Straßenlaternen. Der Gesandte wohnte in einem neu angebauten Ende der Stadt, wo die Straße noch kein Pflaster hatte und man durch den tiefsten Koth waten mußte. Jch finde endlich das Haus und erfahre, daß der Gesandte verreist ist. Man weist mich an den in der Nähe wohnenden Sekretär der Legation. Der Name desselben war so schwer und stolz, wie der eines irländischen Pairs, welcher sich rühmte, "mein Geschlecht stammt in gerader Linie von

das so schön dargestellte System sich kompromittiren, wenn sie straucheln, und nun weder bei den Einen noch bei den Andern Zuflucht finden. Die Macchiavellismen gehen immer im Schwange; jeder benutzt seinen Vortheil, wo er ihn wahrnimmt; man kann sich auf keinem Gebiete wechselseitiges Vertrauen schenken, wo nicht eine Partei der andern entschiedene Concessionen macht. Wehe denen, die sich statt auf Werke nur auf Worte verlassen!“

Genug hievon! Jch könnte nun eine Blöße aufdecken, welche beschämend ist; doch sind die vorangehenden Bemerkungen zu ernst und tief begründet, als daß ich z. B. durch die Skizze eines Legationssekretärs diese Betrachtung mit einem Scherze schließen dürfte. Doch von einem Exemplar dieser Gattung kann ich mich nicht enthalten hier einige kurze Pinselstriche hinzuwerfen.

Es war auf dem Continent, wo mich eine verwickelte Angelegenheit zwang, die Behörden der .....schen Legation anzugehen. Es war eine kleine Residenzstadt, weitläufig gebaut, aber dünn bevölkert, breite, lichte Straßen, wo die Menschen so rar waren, wie die Straßenlaternen. Der Gesandte wohnte in einem neu angebauten Ende der Stadt, wo die Straße noch kein Pflaster hatte und man durch den tiefsten Koth waten mußte. Jch finde endlich das Haus und erfahre, daß der Gesandte verreist ist. Man weist mich an den in der Nähe wohnenden Sekretär der Legation. Der Name desselben war so schwer und stolz, wie der eines irländischen Pairs, welcher sich rühmte, "mein Geschlecht stammt in gerader Linie von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0370" n="342"/>
das so schön dargestellte System sich kompromittiren, wenn sie straucheln, und nun weder bei den Einen noch bei den Andern Zuflucht finden. Die Macchiavellismen gehen immer im Schwange; jeder benutzt seinen Vortheil, wo er ihn wahrnimmt; man kann sich auf keinem Gebiete wechselseitiges Vertrauen schenken, wo nicht eine Partei der andern entschiedene Concessionen macht. Wehe denen, die sich statt auf Werke nur auf Worte verlassen!&#x201C;</p>
        <p>Genug hievon! Jch könnte nun eine Blöße aufdecken, welche beschämend ist; doch sind die vorangehenden Bemerkungen zu ernst und tief begründet, als daß ich z. B. durch die Skizze eines Legationssekretärs diese Betrachtung mit einem Scherze schließen dürfte. Doch von einem Exemplar dieser Gattung kann ich mich nicht enthalten hier einige kurze Pinselstriche hinzuwerfen.</p>
        <p>Es war auf dem Continent, wo mich eine verwickelte Angelegenheit zwang, die Behörden der .....schen Legation anzugehen. Es war eine kleine Residenzstadt, weitläufig gebaut, aber dünn bevölkert, breite, lichte Straßen, wo die Menschen so rar waren, wie die Straßenlaternen. Der Gesandte wohnte in einem neu angebauten Ende der Stadt, wo die Straße noch kein Pflaster hatte und man durch den tiefsten Koth waten mußte. Jch finde endlich das Haus und erfahre, daß der Gesandte verreist ist. Man weist mich an den in der Nähe wohnenden Sekretär der Legation. Der Name desselben war so schwer und stolz, wie der eines irländischen Pairs, welcher sich rühmte, "mein Geschlecht stammt in gerader Linie von
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0370] das so schön dargestellte System sich kompromittiren, wenn sie straucheln, und nun weder bei den Einen noch bei den Andern Zuflucht finden. Die Macchiavellismen gehen immer im Schwange; jeder benutzt seinen Vortheil, wo er ihn wahrnimmt; man kann sich auf keinem Gebiete wechselseitiges Vertrauen schenken, wo nicht eine Partei der andern entschiedene Concessionen macht. Wehe denen, die sich statt auf Werke nur auf Worte verlassen!“ Genug hievon! Jch könnte nun eine Blöße aufdecken, welche beschämend ist; doch sind die vorangehenden Bemerkungen zu ernst und tief begründet, als daß ich z. B. durch die Skizze eines Legationssekretärs diese Betrachtung mit einem Scherze schließen dürfte. Doch von einem Exemplar dieser Gattung kann ich mich nicht enthalten hier einige kurze Pinselstriche hinzuwerfen. Es war auf dem Continent, wo mich eine verwickelte Angelegenheit zwang, die Behörden der .....schen Legation anzugehen. Es war eine kleine Residenzstadt, weitläufig gebaut, aber dünn bevölkert, breite, lichte Straßen, wo die Menschen so rar waren, wie die Straßenlaternen. Der Gesandte wohnte in einem neu angebauten Ende der Stadt, wo die Straße noch kein Pflaster hatte und man durch den tiefsten Koth waten mußte. Jch finde endlich das Haus und erfahre, daß der Gesandte verreist ist. Man weist mich an den in der Nähe wohnenden Sekretär der Legation. Der Name desselben war so schwer und stolz, wie der eines irländischen Pairs, welcher sich rühmte, "mein Geschlecht stammt in gerader Linie von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/370
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/370>, abgerufen am 22.11.2024.