Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Adam her." Jch erwartete, die Bekanntschaft eines jungen, geistreichen Cavaliers zu machen, dem man noch einst bei fortgesetzter Carriere auf den höhern Staatsstellen begegnen könnte. Obschon das letztere gar nicht unwahrscheinlich ist, so bin ich doch von der erstern Annahme auf eine horrible Weise enttäuscht worden.

Jch betrat das Haus des jungen Diplomaten; ein wandernder Krämer mit Herren-Toilettenartikeln begegnete mir schon auf der Treppe; darauf eine alte Wäscherin, die ein kleines saubergelegtes Briefchen trug. Auf dem Vorplatze balgten sich Hunde, ein Bedienter, der sich schnell erst seine Livree überzog, um ein herrschaftliches Ansehen zu erhalten, erwiederte mir, daß sein Herr unwohl sey, doch wolle er ihn fragen, ob ich vorkommen solle. Nach einer Weile erschien er und erklärte, daß es dem Herrn Grafen eine Ehre seyn würde. Diesen traf ich denn auch in einem der entlegenern Zimmer. Ein blutjunger Mann, über und über blond, mit einer leisen und fliegenden Röthe über dem zart geschnittenen Gesicht. Ein leiser Schatten auf der Oberlippe deutete an, daß sich dort eine Moustache befinden sollte. Was mir zunächst auffiel, war die possierliche Tracht des jungen Mannes; er trug einen ganz dünn und enganliegenden kurzen Rock, der kaum die Hälfte des obern Beines bedeckte; er war rings um die Taille herum in die saubersten Falten gelegt, die Beinkleider waren roth und so weitbauschig, wie bei einem Kosaken. Dazu trug er gelbe Stiefel und um den Hals einen Shawl von

Adam her." Jch erwartete, die Bekanntschaft eines jungen, geistreichen Cavaliers zu machen, dem man noch einst bei fortgesetzter Carriere auf den höhern Staatsstellen begegnen könnte. Obschon das letztere gar nicht unwahrscheinlich ist, so bin ich doch von der erstern Annahme auf eine horrible Weise enttäuscht worden.

Jch betrat das Haus des jungen Diplomaten; ein wandernder Krämer mit Herren-Toilettenartikeln begegnete mir schon auf der Treppe; darauf eine alte Wäscherin, die ein kleines saubergelegtes Briefchen trug. Auf dem Vorplatze balgten sich Hunde, ein Bedienter, der sich schnell erst seine Livree überzog, um ein herrschaftliches Ansehen zu erhalten, erwiederte mir, daß sein Herr unwohl sey, doch wolle er ihn fragen, ob ich vorkommen solle. Nach einer Weile erschien er und erklärte, daß es dem Herrn Grafen eine Ehre seyn würde. Diesen traf ich denn auch in einem der entlegenern Zimmer. Ein blutjunger Mann, über und über blond, mit einer leisen und fliegenden Röthe über dem zart geschnittenen Gesicht. Ein leiser Schatten auf der Oberlippe deutete an, daß sich dort eine Moustache befinden sollte. Was mir zunächst auffiel, war die possierliche Tracht des jungen Mannes; er trug einen ganz dünn und enganliegenden kurzen Rock, der kaum die Hälfte des obern Beines bedeckte; er war rings um die Taille herum in die saubersten Falten gelegt, die Beinkleider waren roth und so weitbauschig, wie bei einem Kosaken. Dazu trug er gelbe Stiefel und um den Hals einen Shawl von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0371" n="343"/>
Adam her." Jch erwartete, die Bekanntschaft eines jungen, geistreichen Cavaliers zu machen, dem man noch einst bei fortgesetzter Carriere auf den höhern Staatsstellen begegnen könnte. Obschon das letztere gar nicht unwahrscheinlich ist, so bin ich doch von der erstern Annahme auf eine horrible Weise enttäuscht worden.</p>
        <p>Jch betrat das Haus des jungen Diplomaten; ein wandernder Krämer mit Herren-Toilettenartikeln begegnete mir schon auf der Treppe; darauf eine alte Wäscherin, die ein kleines saubergelegtes Briefchen trug. Auf dem Vorplatze balgten sich Hunde, ein Bedienter, der sich schnell erst seine Livree überzog, um ein herrschaftliches Ansehen zu erhalten, erwiederte mir, daß sein Herr unwohl sey, doch wolle er ihn fragen, ob ich vorkommen solle. Nach einer Weile erschien er und erklärte, daß es dem Herrn Grafen eine Ehre seyn würde. Diesen traf ich denn auch in einem der entlegenern Zimmer. Ein blutjunger Mann, über und über blond, mit einer leisen und fliegenden Röthe über dem zart geschnittenen Gesicht. Ein leiser Schatten auf der Oberlippe deutete an, daß sich dort eine Moustache befinden sollte. Was mir zunächst auffiel, war die possierliche Tracht des jungen Mannes; er trug einen ganz dünn und enganliegenden kurzen Rock, der kaum die Hälfte des obern Beines bedeckte; er war rings um die Taille herum in die saubersten Falten gelegt, die Beinkleider waren roth und so weitbauschig, wie bei einem Kosaken. Dazu trug er gelbe Stiefel und um den Hals einen Shawl von
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0371] Adam her." Jch erwartete, die Bekanntschaft eines jungen, geistreichen Cavaliers zu machen, dem man noch einst bei fortgesetzter Carriere auf den höhern Staatsstellen begegnen könnte. Obschon das letztere gar nicht unwahrscheinlich ist, so bin ich doch von der erstern Annahme auf eine horrible Weise enttäuscht worden. Jch betrat das Haus des jungen Diplomaten; ein wandernder Krämer mit Herren-Toilettenartikeln begegnete mir schon auf der Treppe; darauf eine alte Wäscherin, die ein kleines saubergelegtes Briefchen trug. Auf dem Vorplatze balgten sich Hunde, ein Bedienter, der sich schnell erst seine Livree überzog, um ein herrschaftliches Ansehen zu erhalten, erwiederte mir, daß sein Herr unwohl sey, doch wolle er ihn fragen, ob ich vorkommen solle. Nach einer Weile erschien er und erklärte, daß es dem Herrn Grafen eine Ehre seyn würde. Diesen traf ich denn auch in einem der entlegenern Zimmer. Ein blutjunger Mann, über und über blond, mit einer leisen und fliegenden Röthe über dem zart geschnittenen Gesicht. Ein leiser Schatten auf der Oberlippe deutete an, daß sich dort eine Moustache befinden sollte. Was mir zunächst auffiel, war die possierliche Tracht des jungen Mannes; er trug einen ganz dünn und enganliegenden kurzen Rock, der kaum die Hälfte des obern Beines bedeckte; er war rings um die Taille herum in die saubersten Falten gelegt, die Beinkleider waren roth und so weitbauschig, wie bei einem Kosaken. Dazu trug er gelbe Stiefel und um den Hals einen Shawl von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/371
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/371>, abgerufen am 22.11.2024.