Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.und sich die historische Stellung des Christenthums erklären können. Er wird um so frommer seyn, je mehr er von seiner Urreligion in den Dogmen wieder findet. Jch bin hier in das Gehege der Theologen gekommen. Jch höre, wie man mir Vorwürfe macht, daß ich schon so lange über die Erziehung und erst jetzt vom Christenthum spreche. Jch habe so viel Achtung vor diesen Vorwürfen, daß ich hier die schickliche Gelegenheit wahrnehme und einen Brief, den mir kürzlich ein achtbarer presbyterianischer Geistlicher auf dem Lande schickte, hier einrücke. Jch will keine Stimme überhören, wenn sie aus dem Munde eines Zeitgenossen kömmt. Die Veranlassung zu diesem Briefe nahm sich der Verfasser desselben selbst. Er lautete, wie folgt: Mein theurer Herr! Seit Jahren les' ich mit Vergnügen die Werke, mit welchen Sie das Publikum beschenkt haben. Jch würde sie aber, um offen mit dem Zweck meines Schreibens hervorzutreten, mit noch weit größerem Wohlgefallen lesen, wenn ich fände, daß sie von der Kraft des Christenthums durchströmt und in einem festeren Glauben an die Pforten der Ewigkeit, die uns der Heiland erschlossen, geschrieben wären. Jch darf Sie nicht zu jenen Schriftstellern rechnen, welche mit einer Frivolität, die hinter Voltaire immer zu spät kömmt, das Christenthum angreifen; aber Sie, indem Sie das Christenthum igno- und sich die historische Stellung des Christenthums erklären können. Er wird um so frommer seyn, je mehr er von seiner Urreligion in den Dogmen wieder findet. Jch bin hier in das Gehege der Theologen gekommen. Jch höre, wie man mir Vorwürfe macht, daß ich schon so lange über die Erziehung und erst jetzt vom Christenthum spreche. Jch habe so viel Achtung vor diesen Vorwürfen, daß ich hier die schickliche Gelegenheit wahrnehme und einen Brief, den mir kürzlich ein achtbarer presbyterianischer Geistlicher auf dem Lande schickte, hier einrücke. Jch will keine Stimme überhören, wenn sie aus dem Munde eines Zeitgenossen kömmt. Die Veranlassung zu diesem Briefe nahm sich der Verfasser desselben selbst. Er lautete, wie folgt: Mein theurer Herr! Seit Jahren les’ ich mit Vergnügen die Werke, mit welchen Sie das Publikum beschenkt haben. Jch würde sie aber, um offen mit dem Zweck meines Schreibens hervorzutreten, mit noch weit größerem Wohlgefallen lesen, wenn ich fände, daß sie von der Kraft des Christenthums durchströmt und in einem festeren Glauben an die Pforten der Ewigkeit, die uns der Heiland erschlossen, geschrieben wären. Jch darf Sie nicht zu jenen Schriftstellern rechnen, welche mit einer Frivolität, die hinter Voltaire immer zu spät kömmt, das Christenthum angreifen; aber Sie, indem Sie das Christenthum igno- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0415" n="387"/> und sich die historische Stellung des Christenthums erklären können. Er wird um so frommer seyn, je mehr er von seiner <hi rendition="#g">Urreligion</hi> in den Dogmen wieder findet.</p> <p>Jch bin hier in das Gehege der Theologen gekommen. Jch höre, wie man mir Vorwürfe macht, daß ich schon so lange über die Erziehung und erst jetzt vom Christenthum spreche. Jch habe so viel Achtung vor diesen Vorwürfen, daß ich hier die schickliche Gelegenheit wahrnehme und einen Brief, den mir kürzlich ein achtbarer presbyterianischer Geistlicher auf dem Lande schickte, hier einrücke. Jch will keine Stimme überhören, wenn sie aus dem Munde eines <hi rendition="#g">Zeitgenossen</hi> kömmt. Die Veranlassung zu diesem Briefe nahm sich der Verfasser desselben selbst. Er lautete, wie folgt:</p> <p>Mein theurer Herr!</p> <p>Seit Jahren les’ ich mit Vergnügen die Werke, mit welchen Sie das Publikum beschenkt haben. Jch würde sie aber, um offen mit dem Zweck meines Schreibens hervorzutreten, mit noch weit größerem Wohlgefallen lesen, wenn ich fände, daß sie von der Kraft des Christenthums durchströmt und in einem festeren Glauben an die Pforten der Ewigkeit, die uns der Heiland erschlossen, geschrieben wären. Jch darf Sie nicht zu jenen Schriftstellern rechnen, welche mit einer Frivolität, die hinter Voltaire immer zu spät kömmt, das Christenthum angreifen; aber Sie, indem Sie das Christenthum igno- </p> </div> </body> </text> </TEI> [387/0415]
und sich die historische Stellung des Christenthums erklären können. Er wird um so frommer seyn, je mehr er von seiner Urreligion in den Dogmen wieder findet.
Jch bin hier in das Gehege der Theologen gekommen. Jch höre, wie man mir Vorwürfe macht, daß ich schon so lange über die Erziehung und erst jetzt vom Christenthum spreche. Jch habe so viel Achtung vor diesen Vorwürfen, daß ich hier die schickliche Gelegenheit wahrnehme und einen Brief, den mir kürzlich ein achtbarer presbyterianischer Geistlicher auf dem Lande schickte, hier einrücke. Jch will keine Stimme überhören, wenn sie aus dem Munde eines Zeitgenossen kömmt. Die Veranlassung zu diesem Briefe nahm sich der Verfasser desselben selbst. Er lautete, wie folgt:
Mein theurer Herr!
Seit Jahren les’ ich mit Vergnügen die Werke, mit welchen Sie das Publikum beschenkt haben. Jch würde sie aber, um offen mit dem Zweck meines Schreibens hervorzutreten, mit noch weit größerem Wohlgefallen lesen, wenn ich fände, daß sie von der Kraft des Christenthums durchströmt und in einem festeren Glauben an die Pforten der Ewigkeit, die uns der Heiland erschlossen, geschrieben wären. Jch darf Sie nicht zu jenen Schriftstellern rechnen, welche mit einer Frivolität, die hinter Voltaire immer zu spät kömmt, das Christenthum angreifen; aber Sie, indem Sie das Christenthum igno-
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