Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Wir sagten schon, daß dieser Ehrenmann ein sehr mangelhaftes Gedächtniß besizt. Sonst würd' er seinen guten und gelehrten Freund Master Job nicht so bald vergessen haben. Seinem Namen entsprechend, ist Master Job bis jezt nur in die Schule der Leiden gegangen. Ach, er ist ein alter graugewordener Schüler in dieser Trübsalsanstalt. Er wird, wie jezt die Sachen stehen, sie sobald nicht verlassen. Jobs Eltern trieben in London einen kleinen Kram und gehörten zur Gattung jener sogenannten respektablen Leute, die, wenn sie so genannt werden, es wenigstens in den untern Ständen mehr verdienen, als in den obern. Sie hatten ihren Sohn ihrer Meinung nach zu nichts Besserem bestimmen können, als wozu ihn Gott berufen zu haben schien. Vielleicht erregte es ihren Stolz, den Sohn einst auf der Kanzel zu sehen, denn daß die sonntägliche Lektüre einer alten Predigtsammlung nach der Kirche reine Frömmigkeit gewesen, ist man bei den Christen, welche nicht Dissenter sind, nicht gleich geneigt, anzunehmen. Genug, Toby hielt als Kind schon jeden Sonntag Nachmittag eine Predigt, die er aus jenem Buch ablas und wobei er die Manieren des Pfarrers, den er Vormittags selbst gehört, so nachzuahmen wußte, daß die Eltern ihn für einen Heiligen hielten. Mit dem Oel der Stipendien wurde dies allmälig anglimmende Kirchenlicht sparsam erhalten. Toby Job war fleißig, gefügig, sanft gegen Lehrer und Kameraden; ja die Verbindung Wir sagten schon, daß dieser Ehrenmann ein sehr mangelhaftes Gedächtniß besizt. Sonst würd’ er seinen guten und gelehrten Freund Master Job nicht so bald vergessen haben. Seinem Namen entsprechend, ist Master Job bis jezt nur in die Schule der Leiden gegangen. Ach, er ist ein alter graugewordener Schüler in dieser Trübsalsanstalt. Er wird, wie jezt die Sachen stehen, sie sobald nicht verlassen. Jobs Eltern trieben in London einen kleinen Kram und gehörten zur Gattung jener sogenannten respektablen Leute, die, wenn sie so genannt werden, es wenigstens in den untern Ständen mehr verdienen, als in den obern. Sie hatten ihren Sohn ihrer Meinung nach zu nichts Besserem bestimmen können, als wozu ihn Gott berufen zu haben schien. Vielleicht erregte es ihren Stolz, den Sohn einst auf der Kanzel zu sehen, denn daß die sonntägliche Lektüre einer alten Predigtsammlung nach der Kirche reine Frömmigkeit gewesen, ist man bei den Christen, welche nicht Dissenter sind, nicht gleich geneigt, anzunehmen. Genug, Toby hielt als Kind schon jeden Sonntag Nachmittag eine Predigt, die er aus jenem Buch ablas und wobei er die Manieren des Pfarrers, den er Vormittags selbst gehört, so nachzuahmen wußte, daß die Eltern ihn für einen Heiligen hielten. Mit dem Oel der Stipendien wurde dies allmälig anglimmende Kirchenlicht sparsam erhalten. Toby Job war fleißig, gefügig, sanft gegen Lehrer und Kameraden; ja die Verbindung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0131" n="129"/> <p> Wir sagten schon, daß dieser Ehrenmann ein sehr mangelhaftes Gedächtniß besizt. Sonst würd’ er seinen guten und gelehrten Freund Master <hi rendition="#g">Job</hi> nicht so bald vergessen haben. Seinem Namen entsprechend, ist Master <hi rendition="#g">Job</hi> bis jezt nur in die Schule der Leiden gegangen. Ach, er ist ein alter graugewordener Schüler in dieser Trübsalsanstalt. Er wird, wie jezt die Sachen stehen, sie sobald nicht verlassen. <hi rendition="#g">Jobs</hi> Eltern trieben in London einen kleinen Kram und gehörten zur Gattung jener sogenannten respektablen Leute, die, wenn sie so genannt werden, es wenigstens in den untern Ständen mehr verdienen, als in den obern. Sie hatten ihren Sohn ihrer Meinung nach zu nichts Besserem bestimmen können, als wozu ihn Gott berufen zu haben schien. Vielleicht erregte es ihren Stolz, den Sohn einst auf der Kanzel zu sehen, denn daß die sonntägliche Lektüre einer alten Predigtsammlung nach der Kirche reine Frömmigkeit gewesen, ist man bei den Christen, welche nicht Dissenter sind, nicht gleich geneigt, anzunehmen. Genug, <hi rendition="#g">Toby</hi> hielt als Kind schon jeden Sonntag Nachmittag eine Predigt, die er aus jenem Buch ablas und wobei er die Manieren des Pfarrers, den er Vormittags selbst gehört, so nachzuahmen wußte, daß die Eltern ihn für einen Heiligen hielten. Mit dem Oel der Stipendien wurde dies allmälig anglimmende Kirchenlicht sparsam erhalten. <hi rendition="#g">Toby Job</hi> war fleißig, gefügig, sanft gegen Lehrer und Kameraden; ja die Verbindung </p> </div> </body> </text> </TEI> [129/0131]
Wir sagten schon, daß dieser Ehrenmann ein sehr mangelhaftes Gedächtniß besizt. Sonst würd’ er seinen guten und gelehrten Freund Master Job nicht so bald vergessen haben. Seinem Namen entsprechend, ist Master Job bis jezt nur in die Schule der Leiden gegangen. Ach, er ist ein alter graugewordener Schüler in dieser Trübsalsanstalt. Er wird, wie jezt die Sachen stehen, sie sobald nicht verlassen. Jobs Eltern trieben in London einen kleinen Kram und gehörten zur Gattung jener sogenannten respektablen Leute, die, wenn sie so genannt werden, es wenigstens in den untern Ständen mehr verdienen, als in den obern. Sie hatten ihren Sohn ihrer Meinung nach zu nichts Besserem bestimmen können, als wozu ihn Gott berufen zu haben schien. Vielleicht erregte es ihren Stolz, den Sohn einst auf der Kanzel zu sehen, denn daß die sonntägliche Lektüre einer alten Predigtsammlung nach der Kirche reine Frömmigkeit gewesen, ist man bei den Christen, welche nicht Dissenter sind, nicht gleich geneigt, anzunehmen. Genug, Toby hielt als Kind schon jeden Sonntag Nachmittag eine Predigt, die er aus jenem Buch ablas und wobei er die Manieren des Pfarrers, den er Vormittags selbst gehört, so nachzuahmen wußte, daß die Eltern ihn für einen Heiligen hielten. Mit dem Oel der Stipendien wurde dies allmälig anglimmende Kirchenlicht sparsam erhalten. Toby Job war fleißig, gefügig, sanft gegen Lehrer und Kameraden; ja die Verbindung
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