Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

mit Cnox beruhte bei ihm auf einem wahrhaften Bedürfniß und nicht auf seiner Bedürftigkeit. Doch als die Eltern von der Freundschaft erfuhren, bestärkten sie ihn, sie warm zu halten. Job trug Cnoxen wie ein Kreuz auf die Schädelstätte der jährlichen Prüfungen. Er war der Lothse, der ihn mit eigener Lebensgefahr aus allen Stürmen der Unwissenheit in den Hafen eines guten Zeugnisses führte. Job, der ein so gefühlvolles Herz hatte, daß er sich sogar vor der Zeit verliebte, sehnte sich nach keinen höhern Ehren, als denen einer bequemen Landpfarre. Cnox vertröstete ihn und ließ sich von ihm jene Predigt machen, die jener nicht einmal lesen konnte, die ihm aber doch bis auf den heutigen Tag die Bischofsmütze brachte. Als Cnox im Zuge seiner Laufbahn war, bat ihn Job flehentlich, sein Versprechen zu erfüllen; allein leere Versprechungen waren der Lohn dafür, daß er sich Jahre lang zum Schemel jenes geistlichen Figuranten gemacht hatte. Job mußte als Hauslehrer aus einer zurückgesezten Stellung in die andre wandern, bald war er in Südwales, bald in Westmoreland, wie ein Stier ins Joch gespannt, um den steinigen Boden bisher verfehlter Erziehungen umzuackern. Dann ergriff er wohl die Lehrerstelle einer kleinen Stadtschule; zulezt, als Cnox sogar aufhörte, seine Bitten zu beantworten, übernahm er ein armseliges Vikariat, bei dem er hätte verhungern müssen, wenn er nicht bei den reichsten Landleuten die Wochentage in

mit Cnox beruhte bei ihm auf einem wahrhaften Bedürfniß und nicht auf seiner Bedürftigkeit. Doch als die Eltern von der Freundschaft erfuhren, bestärkten sie ihn, sie warm zu halten. Job trug Cnoxen wie ein Kreuz auf die Schädelstätte der jährlichen Prüfungen. Er war der Lothse, der ihn mit eigener Lebensgefahr aus allen Stürmen der Unwissenheit in den Hafen eines guten Zeugnisses führte. Job, der ein so gefühlvolles Herz hatte, daß er sich sogar vor der Zeit verliebte, sehnte sich nach keinen höhern Ehren, als denen einer bequemen Landpfarre. Cnox vertröstete ihn und ließ sich von ihm jene Predigt machen, die jener nicht einmal lesen konnte, die ihm aber doch bis auf den heutigen Tag die Bischofsmütze brachte. Als Cnox im Zuge seiner Laufbahn war, bat ihn Job flehentlich, sein Versprechen zu erfüllen; allein leere Versprechungen waren der Lohn dafür, daß er sich Jahre lang zum Schemel jenes geistlichen Figuranten gemacht hatte. Job mußte als Hauslehrer aus einer zurückgesezten Stellung in die andre wandern, bald war er in Südwales, bald in Westmoreland, wie ein Stier ins Joch gespannt, um den steinigen Boden bisher verfehlter Erziehungen umzuackern. Dann ergriff er wohl die Lehrerstelle einer kleinen Stadtschule; zulezt, als Cnox sogar aufhörte, seine Bitten zu beantworten, übernahm er ein armseliges Vikariat, bei dem er hätte verhungern müssen, wenn er nicht bei den reichsten Landleuten die Wochentage in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0132" n="130"/>
mit <hi rendition="#g">Cnox</hi> beruhte bei ihm auf einem wahrhaften Bedürfniß und nicht auf seiner Bedürftigkeit. Doch als die Eltern von der Freundschaft erfuhren, bestärkten sie ihn, sie warm zu halten. <hi rendition="#g">Job</hi> trug <hi rendition="#g">Cnoxen</hi> wie ein Kreuz auf die Schädelstätte der jährlichen Prüfungen. Er war der Lothse, der ihn mit eigener Lebensgefahr aus allen Stürmen der Unwissenheit in den Hafen eines guten Zeugnisses führte. <hi rendition="#g">Job</hi>, der ein so gefühlvolles Herz hatte, daß er sich sogar vor der Zeit verliebte, sehnte sich nach keinen höhern Ehren, als denen einer bequemen Landpfarre. <hi rendition="#g">Cnox</hi> vertröstete ihn und ließ sich von ihm jene Predigt machen, die jener nicht einmal lesen konnte, die ihm aber doch bis auf den heutigen Tag die Bischofsmütze brachte. Als <hi rendition="#g">Cnox</hi> im Zuge seiner Laufbahn war, bat ihn <hi rendition="#g">Job</hi> flehentlich, sein Versprechen zu erfüllen; allein leere Versprechungen waren der Lohn dafür, daß er sich Jahre lang zum Schemel jenes geistlichen Figuranten gemacht hatte. <hi rendition="#g">Job</hi> mußte als Hauslehrer aus einer zurückgesezten Stellung in die andre wandern, bald war er in Südwales, bald in Westmoreland, wie ein Stier ins Joch gespannt, um den steinigen Boden bisher verfehlter Erziehungen umzuackern. Dann ergriff er wohl die Lehrerstelle einer kleinen Stadtschule; zulezt, als <hi rendition="#g">Cnox</hi> sogar aufhörte, seine Bitten zu beantworten, übernahm er ein armseliges Vikariat, bei dem er hätte verhungern müssen, wenn er nicht bei den reichsten Landleuten die Wochentage in
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0132] mit Cnox beruhte bei ihm auf einem wahrhaften Bedürfniß und nicht auf seiner Bedürftigkeit. Doch als die Eltern von der Freundschaft erfuhren, bestärkten sie ihn, sie warm zu halten. Job trug Cnoxen wie ein Kreuz auf die Schädelstätte der jährlichen Prüfungen. Er war der Lothse, der ihn mit eigener Lebensgefahr aus allen Stürmen der Unwissenheit in den Hafen eines guten Zeugnisses führte. Job, der ein so gefühlvolles Herz hatte, daß er sich sogar vor der Zeit verliebte, sehnte sich nach keinen höhern Ehren, als denen einer bequemen Landpfarre. Cnox vertröstete ihn und ließ sich von ihm jene Predigt machen, die jener nicht einmal lesen konnte, die ihm aber doch bis auf den heutigen Tag die Bischofsmütze brachte. Als Cnox im Zuge seiner Laufbahn war, bat ihn Job flehentlich, sein Versprechen zu erfüllen; allein leere Versprechungen waren der Lohn dafür, daß er sich Jahre lang zum Schemel jenes geistlichen Figuranten gemacht hatte. Job mußte als Hauslehrer aus einer zurückgesezten Stellung in die andre wandern, bald war er in Südwales, bald in Westmoreland, wie ein Stier ins Joch gespannt, um den steinigen Boden bisher verfehlter Erziehungen umzuackern. Dann ergriff er wohl die Lehrerstelle einer kleinen Stadtschule; zulezt, als Cnox sogar aufhörte, seine Bitten zu beantworten, übernahm er ein armseliges Vikariat, bei dem er hätte verhungern müssen, wenn er nicht bei den reichsten Landleuten die Wochentage in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/132
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/132>, abgerufen am 16.05.2024.