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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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die richtigste ist; allein beide haben einen ernsten und tüchtigen Bewegungsgrund, der wenigstens das Wesen der Religion nicht kompromittirt. Und so sind bei all den großen Fragen, mit deren Lösung unsere Zeit sich beschäftigt, die Wahrheiten der Religion und Moral, tröstend oder anfeuernd, immer in der Nähe des Schlachtfeldes geblieben. Der Jrrthum beruht sich auf sie, die Wahrheit, die Lüge, die Ueberzeugung. Die Religion kann entstellt, aber so leicht nicht mehr mit Füßen getreten werden, wie im vorigen Jahrhundert.

Gehen wir nun auf das religiöse Leben der Gegenwart näher ein, so wollen wir für diese Gedankenreihe drei Zielpunkte feststellen: 1) die Religion im Gebiete der Kirche und als Wissenschaft; 2) die Religion im Gebiete des Staats; 3) die Religion in Beziehung auf die Gesellschaft und als Gesinnung.

- Es war dem kritischen Sinne unserer Zeit angemessen, daß man in der Theologie hauptsächlich über Ursprung und Zusammensetzung der Bibel Rechenschaft zu geben suchte. Sie wurde wie jedes andere vom Alterthum überlieferte Buch betrachtet, und um so lieber in ihrer Geschichte verfolgt, als es der Theologen genug gibt, welche den Dogmen nicht gern ins Antlitz sehen und ihre Gelehrsamkeit lieber in einem Gebiete walten lassen, wo sich zwar allerdings aus den wissenschaftlichen Resultaten Schlußfolgerungen der wichtigsten Art für das Christenthum ergaben,

die richtigste ist; allein beide haben einen ernsten und tüchtigen Bewegungsgrund, der wenigstens das Wesen der Religion nicht kompromittirt. Und so sind bei all den großen Fragen, mit deren Lösung unsere Zeit sich beschäftigt, die Wahrheiten der Religion und Moral, tröstend oder anfeuernd, immer in der Nähe des Schlachtfeldes geblieben. Der Jrrthum beruht sich auf sie, die Wahrheit, die Lüge, die Ueberzeugung. Die Religion kann entstellt, aber so leicht nicht mehr mit Füßen getreten werden, wie im vorigen Jahrhundert.

Gehen wir nun auf das religiöse Leben der Gegenwart näher ein, so wollen wir für diese Gedankenreihe drei Zielpunkte feststellen: 1) die Religion im Gebiete der Kirche und als Wissenschaft; 2) die Religion im Gebiete des Staats; 3) die Religion in Beziehung auf die Gesellschaft und als Gesinnung.

- Es war dem kritischen Sinne unserer Zeit angemessen, daß man in der Theologie hauptsächlich über Ursprung und Zusammensetzung der Bibel Rechenschaft zu geben suchte. Sie wurde wie jedes andere vom Alterthum überlieferte Buch betrachtet, und um so lieber in ihrer Geschichte verfolgt, als es der Theologen genug gibt, welche den Dogmen nicht gern ins Antlitz sehen und ihre Gelehrsamkeit lieber in einem Gebiete walten lassen, wo sich zwar allerdings aus den wissenschaftlichen Resultaten Schlußfolgerungen der wichtigsten Art für das Christenthum ergaben,

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[157/0159] die richtigste ist; allein beide haben einen ernsten und tüchtigen Bewegungsgrund, der wenigstens das Wesen der Religion nicht kompromittirt. Und so sind bei all den großen Fragen, mit deren Lösung unsere Zeit sich beschäftigt, die Wahrheiten der Religion und Moral, tröstend oder anfeuernd, immer in der Nähe des Schlachtfeldes geblieben. Der Jrrthum beruht sich auf sie, die Wahrheit, die Lüge, die Ueberzeugung. Die Religion kann entstellt, aber so leicht nicht mehr mit Füßen getreten werden, wie im vorigen Jahrhundert. Gehen wir nun auf das religiöse Leben der Gegenwart näher ein, so wollen wir für diese Gedankenreihe drei Zielpunkte feststellen: 1) die Religion im Gebiete der Kirche und als Wissenschaft; 2) die Religion im Gebiete des Staats; 3) die Religion in Beziehung auf die Gesellschaft und als Gesinnung. - Es war dem kritischen Sinne unserer Zeit angemessen, daß man in der Theologie hauptsächlich über Ursprung und Zusammensetzung der Bibel Rechenschaft zu geben suchte. Sie wurde wie jedes andere vom Alterthum überlieferte Buch betrachtet, und um so lieber in ihrer Geschichte verfolgt, als es der Theologen genug gibt, welche den Dogmen nicht gern ins Antlitz sehen und ihre Gelehrsamkeit lieber in einem Gebiete walten lassen, wo sich zwar allerdings aus den wissenschaftlichen Resultaten Schlußfolgerungen der wichtigsten Art für das Christenthum ergaben,

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Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/159>, abgerufen am 15.05.2024.