Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.daß in der alten Erlösung, an der, welcher die Zeitgenossen Christi theilhaftig waren, die evangelische Geschichte in der Gestalt, wie sie uns überliefert ist, die Geschichte gerade der damaligen ersten, durch Zeit und Ort, Denk- und Gefühlsweise bedingten Erlösung war, so hat heute noch jeder, der sich in die Tiefe des Christenthums taucht (und er braucht dazu nichts, als sich in den Jordan seines eigenen innern Menschen zu tauchen), seine eigene evangelische Geschichte. Jener Hilfsmittel, welche die Zeitgenossen Christi bedurften, um an ihn zu glauben, und die da zeigten, daß er der Verheißene war - diese Bedingungen brauchen wir nicht mehr. Ob Christus schon im alten Testament geahnt war, ob David von ihm redet u. s. w., das kann für uns nur insofern Werth haben, als wir das Bedürfniß einer bessern Zukunft bei den Alten erblicken und um so mehr Achtung vor einem Ereignisse empfinden, das ihnen diese Zukunft, wenn auch in ganz anderer Gestalt, gebracht hat. Sonst wäre es traurig, wenn jene Wunder des neuen Testaments, die geheilten Blinden und Lahmen und nun sogar die Schlußtransfiguration des ganzen Gemäldes für uns einen höhern Werth haben sollten, als den, daran zu erkennen, wie schon damals an die heilende Kraft der neuen Lehre geglaubt wurde und wie man das Größte, was man hatte, das Geheimniß und das Wunder, zum Preis seiner Lehre, die weder Geheimniß noch Wunder daß in der alten Erlösung, an der, welcher die Zeitgenossen Christi theilhaftig waren, die evangelische Geschichte in der Gestalt, wie sie uns überliefert ist, die Geschichte gerade der damaligen ersten, durch Zeit und Ort, Denk- und Gefühlsweise bedingten Erlösung war, so hat heute noch jeder, der sich in die Tiefe des Christenthums taucht (und er braucht dazu nichts, als sich in den Jordan seines eigenen innern Menschen zu tauchen), seine eigene evangelische Geschichte. Jener Hilfsmittel, welche die Zeitgenossen Christi bedurften, um an ihn zu glauben, und die da zeigten, daß er der Verheißene war – diese Bedingungen brauchen wir nicht mehr. Ob Christus schon im alten Testament geahnt war, ob David von ihm redet u. s. w., das kann für uns nur insofern Werth haben, als wir das Bedürfniß einer bessern Zukunft bei den Alten erblicken und um so mehr Achtung vor einem Ereignisse empfinden, das ihnen diese Zukunft, wenn auch in ganz anderer Gestalt, gebracht hat. Sonst wäre es traurig, wenn jene Wunder des neuen Testaments, die geheilten Blinden und Lahmen und nun sogar die Schlußtransfiguration des ganzen Gemäldes für uns einen höhern Werth haben sollten, als den, daran zu erkennen, wie schon damals an die heilende Kraft der neuen Lehre geglaubt wurde und wie man das Größte, was man hatte, das Geheimniß und das Wunder, zum Preis seiner Lehre, die weder Geheimniß noch Wunder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0176" n="174"/> daß in der alten Erlösung, an der, welcher die Zeitgenossen Christi theilhaftig waren, die evangelische Geschichte in der Gestalt, wie sie uns überliefert ist, die Geschichte gerade der damaligen ersten, <hi rendition="#g">durch Zeit und Ort, Denk- und Gefühlsweise</hi> bedingten Erlösung war, so hat heute noch jeder, der sich in die Tiefe des Christenthums taucht (und er braucht dazu nichts, als sich in den Jordan seines eigenen innern Menschen zu tauchen), seine eigene evangelische Geschichte. Jener Hilfsmittel, welche die Zeitgenossen <hi rendition="#g">Christi</hi> bedurften, um an ihn zu glauben, und die da zeigten, daß er der Verheißene war – diese Bedingungen brauchen wir nicht mehr. Ob <hi rendition="#g">Christus</hi> schon im alten Testament geahnt war, ob <hi rendition="#g">David</hi> von ihm redet u. s. w., das kann für uns nur insofern Werth haben, als wir das Bedürfniß einer bessern Zukunft bei den Alten erblicken und um so mehr Achtung vor einem Ereignisse empfinden, das ihnen diese Zukunft, wenn auch in ganz anderer Gestalt, gebracht hat. Sonst wäre es traurig, wenn jene Wunder des neuen Testaments, die geheilten Blinden und Lahmen und nun sogar die Schlußtransfiguration des ganzen Gemäldes für uns einen höhern Werth haben sollten, als den, daran zu erkennen, wie schon damals an die heilende Kraft der neuen Lehre geglaubt wurde und wie man das Größte, was man hatte, das Geheimniß und das Wunder, zum Preis seiner Lehre, die weder Geheimniß noch Wunder </p> </div> </body> </text> </TEI> [174/0176]
daß in der alten Erlösung, an der, welcher die Zeitgenossen Christi theilhaftig waren, die evangelische Geschichte in der Gestalt, wie sie uns überliefert ist, die Geschichte gerade der damaligen ersten, durch Zeit und Ort, Denk- und Gefühlsweise bedingten Erlösung war, so hat heute noch jeder, der sich in die Tiefe des Christenthums taucht (und er braucht dazu nichts, als sich in den Jordan seines eigenen innern Menschen zu tauchen), seine eigene evangelische Geschichte. Jener Hilfsmittel, welche die Zeitgenossen Christi bedurften, um an ihn zu glauben, und die da zeigten, daß er der Verheißene war – diese Bedingungen brauchen wir nicht mehr. Ob Christus schon im alten Testament geahnt war, ob David von ihm redet u. s. w., das kann für uns nur insofern Werth haben, als wir das Bedürfniß einer bessern Zukunft bei den Alten erblicken und um so mehr Achtung vor einem Ereignisse empfinden, das ihnen diese Zukunft, wenn auch in ganz anderer Gestalt, gebracht hat. Sonst wäre es traurig, wenn jene Wunder des neuen Testaments, die geheilten Blinden und Lahmen und nun sogar die Schlußtransfiguration des ganzen Gemäldes für uns einen höhern Werth haben sollten, als den, daran zu erkennen, wie schon damals an die heilende Kraft der neuen Lehre geglaubt wurde und wie man das Größte, was man hatte, das Geheimniß und das Wunder, zum Preis seiner Lehre, die weder Geheimniß noch Wunder
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