Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.war, darbrachte. Jezt schafft man sich selbst sein Evangelium, und wenn Jeder, der vor der Ewigkeit des Christenthums Achtung empfindet, der selbst in seinen Dogmen um so weniger die Tiefe verkennt, als sie mit der Religionsweisheit des Alterthums und dem Drange aller Zeiten nach Erkenntniß zusammenhängt, seine eigene evangelische Geschichte niederschreiben wollte, so würde sie vielleicht nicht weniger fabelhaft und wunderbar ausfallen, als die alte und würde der Einflüsse unserer gegenwärtigen Zeit wegen von einer zukünftigen vielleicht kaum halb verstanden werden. Nach diesen Vorbemerkungen lassen sich zwei Systeme, die christlichen Lehrbegriffe zu erkennen, aufstellen. Beide gehen von der größten Freiheit in Rücksicht auf das Historische im Christenthum aus. Beide haben gleiche Achtung vor dem Ewigen in demselben. Jenes ist ein moralisches, dieses ein metaphysisches System. Jenes ist auf den Menschen, dieses auf die Natur Gottes begründet. Wenn nämlich der Philosoph den Ursprung der Dinge, den allmäligen Fortgang derselben und die Geschichte der Menschheit verfolgt, so wird ihm nach dem lezteren System in den Satzungen des Christenthums bald die höhere und ewige Wahrheit einleuchten. Das Leben Gottes ist im Urbeginne der Dinge anzusehen als eine abgeschlossene, von der noch nicht existirenden Welt abstrahirte Jdee, für welche nur unser Verstand, nicht unser Gefühl eine Vorstellung hat. Die Offenbarungen war, darbrachte. Jezt schafft man sich selbst sein Evangelium, und wenn Jeder, der vor der Ewigkeit des Christenthums Achtung empfindet, der selbst in seinen Dogmen um so weniger die Tiefe verkennt, als sie mit der Religionsweisheit des Alterthums und dem Drange aller Zeiten nach Erkenntniß zusammenhängt, seine eigene evangelische Geschichte niederschreiben wollte, so würde sie vielleicht nicht weniger fabelhaft und wunderbar ausfallen, als die alte und würde der Einflüsse unserer gegenwärtigen Zeit wegen von einer zukünftigen vielleicht kaum halb verstanden werden. Nach diesen Vorbemerkungen lassen sich zwei Systeme, die christlichen Lehrbegriffe zu erkennen, aufstellen. Beide gehen von der größten Freiheit in Rücksicht auf das Historische im Christenthum aus. Beide haben gleiche Achtung vor dem Ewigen in demselben. Jenes ist ein moralisches, dieses ein metaphysisches System. Jenes ist auf den Menschen, dieses auf die Natur Gottes begründet. Wenn nämlich der Philosoph den Ursprung der Dinge, den allmäligen Fortgang derselben und die Geschichte der Menschheit verfolgt, so wird ihm nach dem lezteren System in den Satzungen des Christenthums bald die höhere und ewige Wahrheit einleuchten. Das Leben Gottes ist im Urbeginne der Dinge anzusehen als eine abgeschlossene, von der noch nicht existirenden Welt abstrahirte Jdee, für welche nur unser Verstand, nicht unser Gefühl eine Vorstellung hat. Die Offenbarungen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0177" n="175"/> war, darbrachte. Jezt schafft man sich selbst sein Evangelium, und wenn Jeder, der vor der Ewigkeit des Christenthums Achtung empfindet, der selbst in seinen Dogmen um so weniger die Tiefe verkennt, als sie mit der Religionsweisheit des Alterthums und dem Drange aller Zeiten nach Erkenntniß zusammenhängt, seine eigene evangelische Geschichte niederschreiben wollte, so würde sie vielleicht nicht weniger fabelhaft und wunderbar ausfallen, als die alte und würde der Einflüsse unserer gegenwärtigen Zeit wegen von einer zukünftigen vielleicht kaum halb verstanden werden.</p> <p>Nach diesen Vorbemerkungen lassen sich zwei Systeme, die christlichen Lehrbegriffe zu <hi rendition="#g">erkennen</hi>, aufstellen. Beide gehen von der größten Freiheit in Rücksicht auf das Historische im Christenthum aus. Beide haben gleiche Achtung vor dem Ewigen in demselben. Jenes ist ein moralisches, dieses ein metaphysisches System. Jenes ist auf den Menschen, dieses auf die Natur Gottes begründet. Wenn nämlich der Philosoph den Ursprung der Dinge, den allmäligen Fortgang derselben und die Geschichte der Menschheit verfolgt, so wird ihm nach dem lezteren System in den Satzungen des Christenthums bald die höhere und ewige Wahrheit einleuchten. Das Leben Gottes ist im Urbeginne der Dinge anzusehen als eine abgeschlossene, von der noch nicht existirenden Welt abstrahirte Jdee, für welche nur unser Verstand, nicht unser Gefühl eine Vorstellung hat. Die Offenbarungen </p> </div> </body> </text> </TEI> [175/0177]
war, darbrachte. Jezt schafft man sich selbst sein Evangelium, und wenn Jeder, der vor der Ewigkeit des Christenthums Achtung empfindet, der selbst in seinen Dogmen um so weniger die Tiefe verkennt, als sie mit der Religionsweisheit des Alterthums und dem Drange aller Zeiten nach Erkenntniß zusammenhängt, seine eigene evangelische Geschichte niederschreiben wollte, so würde sie vielleicht nicht weniger fabelhaft und wunderbar ausfallen, als die alte und würde der Einflüsse unserer gegenwärtigen Zeit wegen von einer zukünftigen vielleicht kaum halb verstanden werden.
Nach diesen Vorbemerkungen lassen sich zwei Systeme, die christlichen Lehrbegriffe zu erkennen, aufstellen. Beide gehen von der größten Freiheit in Rücksicht auf das Historische im Christenthum aus. Beide haben gleiche Achtung vor dem Ewigen in demselben. Jenes ist ein moralisches, dieses ein metaphysisches System. Jenes ist auf den Menschen, dieses auf die Natur Gottes begründet. Wenn nämlich der Philosoph den Ursprung der Dinge, den allmäligen Fortgang derselben und die Geschichte der Menschheit verfolgt, so wird ihm nach dem lezteren System in den Satzungen des Christenthums bald die höhere und ewige Wahrheit einleuchten. Das Leben Gottes ist im Urbeginne der Dinge anzusehen als eine abgeschlossene, von der noch nicht existirenden Welt abstrahirte Jdee, für welche nur unser Verstand, nicht unser Gefühl eine Vorstellung hat. Die Offenbarungen
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/177>, abgerufen am 16.02.2025. |