Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.reinigenden und erfrischenden Zugwind der Fortschritte im öffentlichen Leben entfernt gehalten hat, sondern sie selbst machen kaum größere Ansprüche, als sicher in ihrer Haut zu seyn, kleinen Geschäften ohne Zwang vorzustehen und an einer religiösen Ueberzeugung haften zu dürfen, die ihre Grundlage in der Verehrung des Alten hat und nur eine Hoffnung predigt, von der der Jude nur zu gut weiß, daß sie weit über den Horizont des Möglichen und Glaublichen hinausliegt. Hie und da trieben die Bedürfnisse des Geistes oder die Ansprüche des Reichthums das zerstreute Volk aus jenen Gassen, in welche sie das Mittelalter verschloß, heraus; sie ließen den Unterschied der Religion daheim zurück als ein, mit den Fortschritten der Aufklärung allmälig schwächer gewordenes Abzeichen, schlossen sich an die übrige christliche Gesellschaft an und wußten durch Scharfsinn, Reichthum und nicht selten zugestandene Autorität (die Rothschilds) die Trennung immer mehr in Vergessenheit zu bringen. Jüdische Zumuthungen, welche man in den Zeiten des Mittelalters für Hochverrath ausgegeben hätte, erhielten jezt einen kräftigen Nachhalt. Der Jude will keinem einzelnen, wie Goldadern, unser Europa durchziehenden Volk mehr angehören, sondern behauptet, durch Sprache, Sitte und Geburt Europa als seine Heimath errungen zu haben; er will nach dem Maße von Lasten, die ihn drücken, auch an den Vortheilen des öffentlichen Lebens Theil nehmen und verlangt das vollkommene Bürgerrecht reinigenden und erfrischenden Zugwind der Fortschritte im öffentlichen Leben entfernt gehalten hat, sondern sie selbst machen kaum größere Ansprüche, als sicher in ihrer Haut zu seyn, kleinen Geschäften ohne Zwang vorzustehen und an einer religiösen Ueberzeugung haften zu dürfen, die ihre Grundlage in der Verehrung des Alten hat und nur eine Hoffnung predigt, von der der Jude nur zu gut weiß, daß sie weit über den Horizont des Möglichen und Glaublichen hinausliegt. Hie und da trieben die Bedürfnisse des Geistes oder die Ansprüche des Reichthums das zerstreute Volk aus jenen Gassen, in welche sie das Mittelalter verschloß, heraus; sie ließen den Unterschied der Religion daheim zurück als ein, mit den Fortschritten der Aufklärung allmälig schwächer gewordenes Abzeichen, schlossen sich an die übrige christliche Gesellschaft an und wußten durch Scharfsinn, Reichthum und nicht selten zugestandene Autorität (die Rothschilds) die Trennung immer mehr in Vergessenheit zu bringen. Jüdische Zumuthungen, welche man in den Zeiten des Mittelalters für Hochverrath ausgegeben hätte, erhielten jezt einen kräftigen Nachhalt. Der Jude will keinem einzelnen, wie Goldadern, unser Europa durchziehenden Volk mehr angehören, sondern behauptet, durch Sprache, Sitte und Geburt Europa als seine Heimath errungen zu haben; er will nach dem Maße von Lasten, die ihn drücken, auch an den Vortheilen des öffentlichen Lebens Theil nehmen und verlangt das vollkommene Bürgerrecht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0211" n="209"/> reinigenden und erfrischenden Zugwind der Fortschritte im öffentlichen Leben entfernt gehalten hat, sondern sie selbst machen kaum größere Ansprüche, als sicher in ihrer Haut zu seyn, kleinen Geschäften ohne Zwang vorzustehen und an einer religiösen Ueberzeugung haften zu dürfen, die ihre Grundlage in der Verehrung des Alten hat und nur <hi rendition="#g">eine</hi> Hoffnung predigt, von der der Jude nur zu gut weiß, daß sie weit über den Horizont des Möglichen und Glaublichen hinausliegt. Hie und da trieben die Bedürfnisse des Geistes oder die Ansprüche des Reichthums das zerstreute Volk aus jenen Gassen, in welche sie das Mittelalter verschloß, heraus; sie ließen den Unterschied der Religion daheim zurück als ein, mit den Fortschritten der Aufklärung allmälig schwächer gewordenes Abzeichen, schlossen sich an die übrige christliche Gesellschaft an und wußten durch Scharfsinn, Reichthum und nicht selten zugestandene Autorität (die <hi rendition="#g">Rothschilds</hi>) die Trennung immer mehr in Vergessenheit zu bringen. Jüdische Zumuthungen, welche man in den Zeiten des Mittelalters für Hochverrath ausgegeben hätte, erhielten jezt einen kräftigen Nachhalt. Der Jude will keinem einzelnen, wie Goldadern, unser Europa durchziehenden Volk mehr angehören, sondern behauptet, durch Sprache, Sitte und Geburt Europa als seine Heimath errungen zu haben; er will nach dem Maße von Lasten, die ihn drücken, auch an den Vortheilen des öffentlichen Lebens Theil nehmen und verlangt das vollkommene Bürgerrecht </p> </div> </body> </text> </TEI> [209/0211]
reinigenden und erfrischenden Zugwind der Fortschritte im öffentlichen Leben entfernt gehalten hat, sondern sie selbst machen kaum größere Ansprüche, als sicher in ihrer Haut zu seyn, kleinen Geschäften ohne Zwang vorzustehen und an einer religiösen Ueberzeugung haften zu dürfen, die ihre Grundlage in der Verehrung des Alten hat und nur eine Hoffnung predigt, von der der Jude nur zu gut weiß, daß sie weit über den Horizont des Möglichen und Glaublichen hinausliegt. Hie und da trieben die Bedürfnisse des Geistes oder die Ansprüche des Reichthums das zerstreute Volk aus jenen Gassen, in welche sie das Mittelalter verschloß, heraus; sie ließen den Unterschied der Religion daheim zurück als ein, mit den Fortschritten der Aufklärung allmälig schwächer gewordenes Abzeichen, schlossen sich an die übrige christliche Gesellschaft an und wußten durch Scharfsinn, Reichthum und nicht selten zugestandene Autorität (die Rothschilds) die Trennung immer mehr in Vergessenheit zu bringen. Jüdische Zumuthungen, welche man in den Zeiten des Mittelalters für Hochverrath ausgegeben hätte, erhielten jezt einen kräftigen Nachhalt. Der Jude will keinem einzelnen, wie Goldadern, unser Europa durchziehenden Volk mehr angehören, sondern behauptet, durch Sprache, Sitte und Geburt Europa als seine Heimath errungen zu haben; er will nach dem Maße von Lasten, die ihn drücken, auch an den Vortheilen des öffentlichen Lebens Theil nehmen und verlangt das vollkommene Bürgerrecht
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/211>, abgerufen am 16.02.2025. |