Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Allerheiligsten, er hat sich mitten in das Allerheiligste hinein versezt und bildet sich aus ihm wieder heraus zu schöpferischen Gestaltungen. So versenkte sich die Antike mit ihrer großen Virtuosität in die Vorstellung des göttlichen Lebens selbst, und schuf jene Götterstatuen, über welche hinaus den Gläubigen keine Religion mehr lag. Jst die Religion selbst erst bis zu dieser Virtuosität gediehen, daß sie sich im Kultus schon der unmittelbarsten Nähe des göttlichen Gegenstandes bewußt ist, so tritt allerdings die größte Gefahr für die Religion ein, in der sie leicht ihren geistigen Gehalt verlieren kann; allein die Kunst wird dann immer zu einer Höhe gelangt seyn, welche man klassisch nennt, wie sie es als Bildnerei in der Culmination des Griechenthums, als Malerei in der Culmination des Katholizismus war. Für unsere moderne Zeit liegt die Weihe der Kunst und Religion im Worte. Die modernen Dichter sind größer als alle vorangegangenen. (Nur Pedanten werden dies eine Paradoxie nennen). Wir können die Religion nur im Jenseitigen, im Gedanken erblicken; darum ist die Dichtkunst in unsern Zeiten die allein klassische; denn sie kann nur einzig dessen gewiß seyn, für das Uebersinnliche und den Gedanken, der es umzirkelt, die angemessensten Ausdrucksformen zu finden. Die Musik ist zu unbestimmt. Wollte man, wie die alten Griechen die Religion nur noch in ihren Statuen sahen, die Jtaliäner nur noch in ihren Gemälden; so auch bei Allerheiligsten, er hat sich mitten in das Allerheiligste hinein versezt und bildet sich aus ihm wieder heraus zu schöpferischen Gestaltungen. So versenkte sich die Antike mit ihrer großen Virtuosität in die Vorstellung des göttlichen Lebens selbst, und schuf jene Götterstatuen, über welche hinaus den Gläubigen keine Religion mehr lag. Jst die Religion selbst erst bis zu dieser Virtuosität gediehen, daß sie sich im Kultus schon der unmittelbarsten Nähe des göttlichen Gegenstandes bewußt ist, so tritt allerdings die größte Gefahr für die Religion ein, in der sie leicht ihren geistigen Gehalt verlieren kann; allein die Kunst wird dann immer zu einer Höhe gelangt seyn, welche man klassisch nennt, wie sie es als Bildnerei in der Culmination des Griechenthums, als Malerei in der Culmination des Katholizismus war. Für unsere moderne Zeit liegt die Weihe der Kunst und Religion im Worte. Die modernen Dichter sind größer als alle vorangegangenen. (Nur Pedanten werden dies eine Paradoxie nennen). Wir können die Religion nur im Jenseitigen, im Gedanken erblicken; darum ist die Dichtkunst in unsern Zeiten die allein klassische; denn sie kann nur einzig dessen gewiß seyn, für das Uebersinnliche und den Gedanken, der es umzirkelt, die angemessensten Ausdrucksformen zu finden. Die Musik ist zu unbestimmt. Wollte man, wie die alten Griechen die Religion nur noch in ihren Statuen sahen, die Jtaliäner nur noch in ihren Gemälden; so auch bei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0240" n="238"/> Allerheiligsten, er hat sich mitten in das Allerheiligste hinein versezt und bildet sich aus ihm wieder heraus zu schöpferischen Gestaltungen. So versenkte sich die Antike mit ihrer großen Virtuosität in die Vorstellung des göttlichen Lebens selbst, und schuf jene Götterstatuen, über welche hinaus den Gläubigen keine Religion mehr lag. Jst die Religion selbst erst bis zu dieser Virtuosität gediehen, daß sie sich im Kultus schon der unmittelbarsten Nähe des göttlichen Gegenstandes bewußt ist, so tritt allerdings die größte Gefahr für die Religion ein, in der sie leicht ihren geistigen Gehalt verlieren kann; allein die Kunst wird dann immer zu einer Höhe gelangt seyn, welche man klassisch nennt, wie sie es als Bildnerei in der Culmination des Griechenthums, als Malerei in der Culmination des Katholizismus war. Für unsere moderne Zeit liegt die Weihe der Kunst und Religion im <hi rendition="#g">Worte</hi>. Die modernen Dichter sind größer als alle vorangegangenen. (Nur Pedanten werden dies eine Paradoxie nennen). Wir können die Religion nur im Jenseitigen, im Gedanken erblicken; darum ist die Dichtkunst in unsern Zeiten die allein klassische; denn <hi rendition="#g">sie</hi> kann nur einzig dessen gewiß seyn, für das Uebersinnliche und den Gedanken, der es umzirkelt, die angemessensten Ausdrucksformen zu finden. Die Musik ist zu unbestimmt. Wollte man, wie die alten Griechen die Religion nur noch in ihren Statuen sahen, die Jtaliäner nur noch in ihren Gemälden; so auch bei </p> </div> </body> </text> </TEI> [238/0240]
Allerheiligsten, er hat sich mitten in das Allerheiligste hinein versezt und bildet sich aus ihm wieder heraus zu schöpferischen Gestaltungen. So versenkte sich die Antike mit ihrer großen Virtuosität in die Vorstellung des göttlichen Lebens selbst, und schuf jene Götterstatuen, über welche hinaus den Gläubigen keine Religion mehr lag. Jst die Religion selbst erst bis zu dieser Virtuosität gediehen, daß sie sich im Kultus schon der unmittelbarsten Nähe des göttlichen Gegenstandes bewußt ist, so tritt allerdings die größte Gefahr für die Religion ein, in der sie leicht ihren geistigen Gehalt verlieren kann; allein die Kunst wird dann immer zu einer Höhe gelangt seyn, welche man klassisch nennt, wie sie es als Bildnerei in der Culmination des Griechenthums, als Malerei in der Culmination des Katholizismus war. Für unsere moderne Zeit liegt die Weihe der Kunst und Religion im Worte. Die modernen Dichter sind größer als alle vorangegangenen. (Nur Pedanten werden dies eine Paradoxie nennen). Wir können die Religion nur im Jenseitigen, im Gedanken erblicken; darum ist die Dichtkunst in unsern Zeiten die allein klassische; denn sie kann nur einzig dessen gewiß seyn, für das Uebersinnliche und den Gedanken, der es umzirkelt, die angemessensten Ausdrucksformen zu finden. Die Musik ist zu unbestimmt. Wollte man, wie die alten Griechen die Religion nur noch in ihren Statuen sahen, die Jtaliäner nur noch in ihren Gemälden; so auch bei
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/240>, abgerufen am 17.07.2024. |