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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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in euren Sitten, ja in euren Gärten und Promenaden? Wenn sich irgend eine Fähigkeit findet, die die künstlerische Bestimmung an sich zu tragen scheint, so wird sie überall Natur antreffen, aber launenhaft zugestuzt, heckenartig beschnitten, durch die Geschmacklosigkeit unschön geformt. Die Natur, welche uns umgibt, wenigstens die, welche wir sehen, ohne Reisen zu machen, spricht nur matt und verwelkt uns an; ihre Frische ist unter dem warmen Wasser, welches aus den Fabriken fließt, verblüht, der Bach muß seine Taglöhnerdienste thun, der Berg trägt ungeheure Wunden von Sprengungen, und wo die Kunst gerufen wurde, um dem Reichthum eine Erholung zu schaffen, da hinterläßt sie noch überall die Spuren früherer Geschmacklosigkeit; es ist nicht die reine göttliche Kunst, die zu uns spricht, sondern die Kunst des Luxus. Wie können diese Gemälde bezaubern, da sie nicht vor allem Volk in einer Kirche hängen, sondern über dem Ruhesopha im Kabinet eines Millionärs! Da ist ein Meisterstück von Canova! Es steht in keinem Tempel, keiner Gallerie, sondern in einer Nische beim Privatmann auf dem Ofen, auf dem Kamin. Da wird eine Fülle künstlerischer Sinnigkeit verschwendet an Gegenstände, die eine unschöne Bestimmung haben; wie zart und schön sind diese Kaffeebehälter geformt, wie künstlich der Ofen! Wie herrlich sind hier am Kamin Arabesken aus Metall gegossen, wie schön jene Vase aus Porzellan, in welcher gemachte

in euren Sitten, ja in euren Gärten und Promenaden? Wenn sich irgend eine Fähigkeit findet, die die künstlerische Bestimmung an sich zu tragen scheint, so wird sie überall Natur antreffen, aber launenhaft zugestuzt, heckenartig beschnitten, durch die Geschmacklosigkeit unschön geformt. Die Natur, welche uns umgibt, wenigstens die, welche wir sehen, ohne Reisen zu machen, spricht nur matt und verwelkt uns an; ihre Frische ist unter dem warmen Wasser, welches aus den Fabriken fließt, verblüht, der Bach muß seine Taglöhnerdienste thun, der Berg trägt ungeheure Wunden von Sprengungen, und wo die Kunst gerufen wurde, um dem Reichthum eine Erholung zu schaffen, da hinterläßt sie noch überall die Spuren früherer Geschmacklosigkeit; es ist nicht die reine göttliche Kunst, die zu uns spricht, sondern die Kunst des Luxus. Wie können diese Gemälde bezaubern, da sie nicht vor allem Volk in einer Kirche hängen, sondern über dem Ruhesopha im Kabinet eines Millionärs! Da ist ein Meisterstück von Canova! Es steht in keinem Tempel, keiner Gallerie, sondern in einer Nische beim Privatmann auf dem Ofen, auf dem Kamin. Da wird eine Fülle künstlerischer Sinnigkeit verschwendet an Gegenstände, die eine unschöne Bestimmung haben; wie zart und schön sind diese Kaffeebehälter geformt, wie künstlich der Ofen! Wie herrlich sind hier am Kamin Arabesken aus Metall gegossen, wie schön jene Vase aus Porzellan, in welcher gemachte

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in euren Sitten, ja in euren Gärten und Promenaden? Wenn sich irgend eine Fähigkeit findet, die die künstlerische Bestimmung an sich zu tragen scheint, so wird sie überall Natur antreffen, aber launenhaft zugestuzt, heckenartig beschnitten, durch die Geschmacklosigkeit unschön geformt. Die Natur, welche uns umgibt, wenigstens die, welche wir sehen, ohne Reisen zu machen, spricht nur matt und verwelkt uns an; ihre Frische ist unter dem warmen Wasser, welches aus den Fabriken fließt, verblüht, der Bach muß seine Taglöhnerdienste thun, der Berg trägt ungeheure Wunden von Sprengungen, und wo die Kunst gerufen wurde, um dem Reichthum eine Erholung zu schaffen, da hinterläßt sie noch überall die Spuren früherer Geschmacklosigkeit; es ist nicht die reine göttliche Kunst, die zu uns spricht, sondern die Kunst des Luxus. Wie können diese Gemälde bezaubern, da sie nicht vor allem Volk in einer Kirche hängen, sondern über dem Ruhesopha im Kabinet eines Millionärs! Da ist ein Meisterstück von <hi rendition="#g">Canova</hi>! Es steht in keinem Tempel, keiner Gallerie, sondern in einer Nische beim Privatmann auf dem Ofen, auf dem Kamin. Da wird eine Fülle künstlerischer Sinnigkeit verschwendet an Gegenstände, die eine unschöne Bestimmung haben; wie zart und schön sind diese Kaffeebehälter geformt, wie künstlich der Ofen! Wie herrlich sind hier am Kamin Arabesken aus Metall gegossen, wie schön jene Vase aus Porzellan, in welcher gemachte
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[242/0244] in euren Sitten, ja in euren Gärten und Promenaden? Wenn sich irgend eine Fähigkeit findet, die die künstlerische Bestimmung an sich zu tragen scheint, so wird sie überall Natur antreffen, aber launenhaft zugestuzt, heckenartig beschnitten, durch die Geschmacklosigkeit unschön geformt. Die Natur, welche uns umgibt, wenigstens die, welche wir sehen, ohne Reisen zu machen, spricht nur matt und verwelkt uns an; ihre Frische ist unter dem warmen Wasser, welches aus den Fabriken fließt, verblüht, der Bach muß seine Taglöhnerdienste thun, der Berg trägt ungeheure Wunden von Sprengungen, und wo die Kunst gerufen wurde, um dem Reichthum eine Erholung zu schaffen, da hinterläßt sie noch überall die Spuren früherer Geschmacklosigkeit; es ist nicht die reine göttliche Kunst, die zu uns spricht, sondern die Kunst des Luxus. Wie können diese Gemälde bezaubern, da sie nicht vor allem Volk in einer Kirche hängen, sondern über dem Ruhesopha im Kabinet eines Millionärs! Da ist ein Meisterstück von Canova! Es steht in keinem Tempel, keiner Gallerie, sondern in einer Nische beim Privatmann auf dem Ofen, auf dem Kamin. Da wird eine Fülle künstlerischer Sinnigkeit verschwendet an Gegenstände, die eine unschöne Bestimmung haben; wie zart und schön sind diese Kaffeebehälter geformt, wie künstlich der Ofen! Wie herrlich sind hier am Kamin Arabesken aus Metall gegossen, wie schön jene Vase aus Porzellan, in welcher gemachte

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/244>, abgerufen am 24.11.2024.