Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Chargenzeichner vertheilt hat. Das Leben aller dieser Leute hat viel poetischen Reiz. Die der Kunst durchaus nicht entschieden abgewandte Stimmung unsrer Zeit gibt ihnen die Mittel, sich in bester Laune zu erhalten, sie fühlen sich so heiter, frei und einig, daß sie für ihre Zusammenkünfte sogar eigene Liederbücher haben. Diese Maler können von Niemand so sehr beneidet werden, wie von den Dichtern: denn denkt euch nur, ihr jungen Poeten, wenn ihr so glücklich wäret, und könntet in zwanglosen Akademien zusammenleben, könntet zwanzig, dreißig Mann stark in einem Nachen auf dem Rhein fahren oder Arm in Arm durch das bayrische Tyrol wandern, wie glücklich wäret ihr, wenn ihr nicht etwa auf eure eigene Hand (denn da könnt ihr es wohl), sondern als Glied einer großen, zu einem Ziele gefugten Kette über Berge und Thäler streiftet, in jeder schönen Landschaft euer Portefeuille ergriffet und endlich gewiß wäret, in jeder Stadt, die auf eurem Wege liegt, nicht blos ein einzelnes Kämmerchen im schlechtesten Gasthofe der Vorstadt anzutreffen, sondern einen geschlossnen Bund von Freunden, eine Herberge des Handwerks! Den Malern ist es in der That gelungen, sich mitten in unsrer, den Eisenbahnen und dem Dampf gewidmeten Zeit, mitten im Geschacher des Börsenspiels und der Metaphysik der Runkelrübe einen eigenen griechischen Himmel zu erhalten, die bunten Konturen eines medizeischen Zeitalters und eine

Chargenzeichner vertheilt hat. Das Leben aller dieser Leute hat viel poetischen Reiz. Die der Kunst durchaus nicht entschieden abgewandte Stimmung unsrer Zeit gibt ihnen die Mittel, sich in bester Laune zu erhalten, sie fühlen sich so heiter, frei und einig, daß sie für ihre Zusammenkünfte sogar eigene Liederbücher haben. Diese Maler können von Niemand so sehr beneidet werden, wie von den Dichtern: denn denkt euch nur, ihr jungen Poeten, wenn ihr so glücklich wäret, und könntet in zwanglosen Akademien zusammenleben, könntet zwanzig, dreißig Mann stark in einem Nachen auf dem Rhein fahren oder Arm in Arm durch das bayrische Tyrol wandern, wie glücklich wäret ihr, wenn ihr nicht etwa auf eure eigene Hand (denn da könnt ihr es wohl), sondern als Glied einer großen, zu einem Ziele gefugten Kette über Berge und Thäler streiftet, in jeder schönen Landschaft euer Portefeuille ergriffet und endlich gewiß wäret, in jeder Stadt, die auf eurem Wege liegt, nicht blos ein einzelnes Kämmerchen im schlechtesten Gasthofe der Vorstadt anzutreffen, sondern einen geschlossnen Bund von Freunden, eine Herberge des Handwerks! Den Malern ist es in der That gelungen, sich mitten in unsrer, den Eisenbahnen und dem Dampf gewidmeten Zeit, mitten im Geschacher des Börsenspiels und der Metaphysik der Runkelrübe einen eigenen griechischen Himmel zu erhalten, die bunten Konturen eines medizeischen Zeitalters und eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0257" n="255"/>
Chargenzeichner vertheilt hat. Das Leben aller dieser Leute hat viel poetischen Reiz. Die der Kunst durchaus nicht entschieden abgewandte Stimmung unsrer Zeit gibt ihnen die Mittel, sich in bester Laune zu erhalten, sie fühlen sich so heiter, frei und einig, daß sie für ihre Zusammenkünfte sogar eigene Liederbücher haben. Diese Maler können von Niemand so sehr beneidet werden, wie von den Dichtern: denn denkt euch nur, ihr jungen Poeten, wenn ihr so glücklich wäret, und könntet in zwanglosen Akademien zusammenleben, könntet zwanzig, dreißig Mann stark in einem Nachen auf dem Rhein fahren oder Arm in Arm durch das bayrische Tyrol wandern, wie glücklich wäret ihr, wenn ihr nicht etwa auf eure eigene Hand (denn da könnt ihr es wohl), sondern als Glied einer großen, zu <hi rendition="#g">einem</hi> Ziele gefugten Kette über Berge und Thäler streiftet, in jeder schönen Landschaft euer Portefeuille ergriffet und endlich gewiß wäret, in jeder Stadt, die auf eurem Wege liegt, nicht blos ein einzelnes Kämmerchen im schlechtesten Gasthofe der Vorstadt anzutreffen, sondern einen geschlossnen Bund von Freunden, eine Herberge des Handwerks! Den Malern ist es in der That gelungen, sich mitten in unsrer, den Eisenbahnen und dem Dampf gewidmeten Zeit, mitten im Geschacher des Börsenspiels und der Metaphysik der Runkelrübe einen eigenen griechischen Himmel zu erhalten, die bunten Konturen eines medizeischen Zeitalters und eine
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0257] Chargenzeichner vertheilt hat. Das Leben aller dieser Leute hat viel poetischen Reiz. Die der Kunst durchaus nicht entschieden abgewandte Stimmung unsrer Zeit gibt ihnen die Mittel, sich in bester Laune zu erhalten, sie fühlen sich so heiter, frei und einig, daß sie für ihre Zusammenkünfte sogar eigene Liederbücher haben. Diese Maler können von Niemand so sehr beneidet werden, wie von den Dichtern: denn denkt euch nur, ihr jungen Poeten, wenn ihr so glücklich wäret, und könntet in zwanglosen Akademien zusammenleben, könntet zwanzig, dreißig Mann stark in einem Nachen auf dem Rhein fahren oder Arm in Arm durch das bayrische Tyrol wandern, wie glücklich wäret ihr, wenn ihr nicht etwa auf eure eigene Hand (denn da könnt ihr es wohl), sondern als Glied einer großen, zu einem Ziele gefugten Kette über Berge und Thäler streiftet, in jeder schönen Landschaft euer Portefeuille ergriffet und endlich gewiß wäret, in jeder Stadt, die auf eurem Wege liegt, nicht blos ein einzelnes Kämmerchen im schlechtesten Gasthofe der Vorstadt anzutreffen, sondern einen geschlossnen Bund von Freunden, eine Herberge des Handwerks! Den Malern ist es in der That gelungen, sich mitten in unsrer, den Eisenbahnen und dem Dampf gewidmeten Zeit, mitten im Geschacher des Börsenspiels und der Metaphysik der Runkelrübe einen eigenen griechischen Himmel zu erhalten, die bunten Konturen eines medizeischen Zeitalters und eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/257
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/257>, abgerufen am 22.11.2024.