Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.poetische Anomalie, die ihnen noch dazu als billig und gerecht von der Prosa eingeräumt wird. Die Bildhauer theilen nur zur Hälfte diese glückliche Stellung. Denn wenn die Verdienste der Menschen abnehmen, kann ihr Verdienst nicht zunehmen. Die großen Männer unserer Zeit, die großen Banquiers und Fabrikanten, die Louis Philipps und Kasimir Perriers sind für die Plastik nicht geschaffen. Hier und da bettelt man ein Denkmal für einen großen Dichter zusammen, für den Erfinder der Buchdruckerkunst, für Andreas Hofer; sonst sind sie angewiesen, nur Todtenmasken abzudrücken, Genien mit umgestürzter Fackel für Grabmäler zu meißeln, Grabesaufsätze, wo die Parzen spinnen. Das ist ein betrübtes Gewerb. Noch weiter ab vom Glück der Maler stehen die Architekten, denn diese sind weit weniger mit Pantheen und Amphitheatern beschäftigt, als mit Kanal- und Chausseebauten. Unsere Architekten sind glücklich, irgendwo als Landbauwegemeister angestellt zu werden. Musiker werden geboren und erzogen. Jene begleiten ihren Vater, der ein guter Dorffiedler ist, in die Schenke und machen so große Fortschritte, daß man ihnen den Weg zur höchsten Ausbildung frei geben muß; diese zeigten früh ein hübsches Talent zum Fingersetzen beim Klaviere und steigen von den Jnstrumenten allmälig zum Contrapunkt. Musik ist vielleicht diejenige Kunst, welche der wenigsten poetische Anomalie, die ihnen noch dazu als billig und gerecht von der Prosa eingeräumt wird. Die Bildhauer theilen nur zur Hälfte diese glückliche Stellung. Denn wenn die Verdienste der Menschen abnehmen, kann ihr Verdienst nicht zunehmen. Die großen Männer unserer Zeit, die großen Banquiers und Fabrikanten, die Louis Philipps und Kasimir Perriers sind für die Plastik nicht geschaffen. Hier und da bettelt man ein Denkmal für einen großen Dichter zusammen, für den Erfinder der Buchdruckerkunst, für Andreas Hofer; sonst sind sie angewiesen, nur Todtenmasken abzudrücken, Genien mit umgestürzter Fackel für Grabmäler zu meißeln, Grabesaufsätze, wo die Parzen spinnen. Das ist ein betrübtes Gewerb. Noch weiter ab vom Glück der Maler stehen die Architekten, denn diese sind weit weniger mit Pantheen und Amphitheatern beschäftigt, als mit Kanal- und Chausseebauten. Unsere Architekten sind glücklich, irgendwo als Landbauwegemeister angestellt zu werden. Musiker werden geboren und erzogen. Jene begleiten ihren Vater, der ein guter Dorffiedler ist, in die Schenke und machen so große Fortschritte, daß man ihnen den Weg zur höchsten Ausbildung frei geben muß; diese zeigten früh ein hübsches Talent zum Fingersetzen beim Klaviere und steigen von den Jnstrumenten allmälig zum Contrapunkt. Musik ist vielleicht diejenige Kunst, welche der wenigsten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0258" n="256"/> poetische Anomalie, die ihnen noch dazu als billig und gerecht von der Prosa eingeräumt wird. Die Bildhauer theilen nur zur Hälfte diese glückliche Stellung. Denn wenn die Verdienste der Menschen abnehmen, kann <hi rendition="#g">ihr</hi> Verdienst nicht zunehmen. Die großen Männer unserer Zeit, die großen Banquiers und Fabrikanten, die <hi rendition="#g">Louis Philipps</hi> und <hi rendition="#g">Kasimir Perriers</hi> sind für die Plastik nicht geschaffen. Hier und da bettelt man ein Denkmal für einen großen Dichter zusammen, für den Erfinder der Buchdruckerkunst, für <hi rendition="#g">Andreas Hofer</hi>; sonst sind sie angewiesen, nur Todtenmasken abzudrücken, Genien mit umgestürzter Fackel für Grabmäler zu meißeln, Grabesaufsätze, wo die Parzen spinnen. Das ist ein betrübtes Gewerb. Noch weiter ab vom Glück der Maler stehen die Architekten, denn diese sind weit weniger mit Pantheen und Amphitheatern beschäftigt, als mit Kanal- und Chausseebauten. Unsere Architekten sind glücklich, irgendwo als Landbauwegemeister angestellt zu werden.</p> <p>Musiker werden geboren und erzogen. Jene begleiten ihren Vater, der ein guter Dorffiedler ist, in die Schenke und machen so große Fortschritte, daß man ihnen den Weg zur höchsten Ausbildung frei geben muß; diese zeigten früh ein hübsches Talent zum Fingersetzen beim Klaviere und steigen von den Jnstrumenten allmälig zum Contrapunkt. Musik ist vielleicht diejenige Kunst, welche der wenigsten </p> </div> </body> </text> </TEI> [256/0258]
poetische Anomalie, die ihnen noch dazu als billig und gerecht von der Prosa eingeräumt wird. Die Bildhauer theilen nur zur Hälfte diese glückliche Stellung. Denn wenn die Verdienste der Menschen abnehmen, kann ihr Verdienst nicht zunehmen. Die großen Männer unserer Zeit, die großen Banquiers und Fabrikanten, die Louis Philipps und Kasimir Perriers sind für die Plastik nicht geschaffen. Hier und da bettelt man ein Denkmal für einen großen Dichter zusammen, für den Erfinder der Buchdruckerkunst, für Andreas Hofer; sonst sind sie angewiesen, nur Todtenmasken abzudrücken, Genien mit umgestürzter Fackel für Grabmäler zu meißeln, Grabesaufsätze, wo die Parzen spinnen. Das ist ein betrübtes Gewerb. Noch weiter ab vom Glück der Maler stehen die Architekten, denn diese sind weit weniger mit Pantheen und Amphitheatern beschäftigt, als mit Kanal- und Chausseebauten. Unsere Architekten sind glücklich, irgendwo als Landbauwegemeister angestellt zu werden.
Musiker werden geboren und erzogen. Jene begleiten ihren Vater, der ein guter Dorffiedler ist, in die Schenke und machen so große Fortschritte, daß man ihnen den Weg zur höchsten Ausbildung frei geben muß; diese zeigten früh ein hübsches Talent zum Fingersetzen beim Klaviere und steigen von den Jnstrumenten allmälig zum Contrapunkt. Musik ist vielleicht diejenige Kunst, welche der wenigsten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |