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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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Verse gebracht, jeder Scherz und Schmerz besungen werden. Martin lebt hier in diesen gefährlichen Uebermuth sich hinein, der uns ergreift, wenn man Muße hat, viel Studien in sich aufzunehmen, seinem Genius zu leben und von materiellen Sorgen verschont bleibt. Besuche geben Feste, die Feste dichterische Ausschmückungen, der Vers wird der Dekorateur und Kostümier der Gelegenheit; ja die Gelegenheit wird zulezt so günstig, daß sie der junge Dichter wahrnimmt und mit Elviren, seiner jüngsten Schülerin, auf und davon geht.

Nun, Martin, der vierte Akt beginnt; jezt bist du im Zuge jener exzentrischen Staffagen, welche die modernen Dichter brauchen, um den Charakter der Zerrissenheit wenigstens mit einiger Wahrheit durchzuführen! Das Gewühl einer Hauptstadt sichert dich vor der Verfolgung; du bist zwar bekannt, gedruckt sogar und von kritischen Blättern als eine interessante Erscheinung des Tages begrüßt; allein es gelingt dir, dich und Elviren unkenntlich zu machen. Leben mußt du zunächst, du mußt von deinem Talente Vortheile ziehen; du suchst Verbindung in der literarischen Welt, findest sie, und treibst nun bald mit Sturm, bald mit Sonnenschein auf dem Meere der Oeffentlichkeit umher. Welch' eine Dichtung kömmt nun zur Reife! Das Zarteste verschwistert sich mit dem Wildesten; die Lilie, die so lange die Unschuld bedeutete, erkennt jezt die üppige Sinnlichkeit der Symbole, welche in ihrem Kelche schlummern;

Verse gebracht, jeder Scherz und Schmerz besungen werden. Martin lebt hier in diesen gefährlichen Uebermuth sich hinein, der uns ergreift, wenn man Muße hat, viel Studien in sich aufzunehmen, seinem Genius zu leben und von materiellen Sorgen verschont bleibt. Besuche geben Feste, die Feste dichterische Ausschmückungen, der Vers wird der Dekorateur und Kostümier der Gelegenheit; ja die Gelegenheit wird zulezt so günstig, daß sie der junge Dichter wahrnimmt und mit Elviren, seiner jüngsten Schülerin, auf und davon geht.

Nun, Martin, der vierte Akt beginnt; jezt bist du im Zuge jener exzentrischen Staffagen, welche die modernen Dichter brauchen, um den Charakter der Zerrissenheit wenigstens mit einiger Wahrheit durchzuführen! Das Gewühl einer Hauptstadt sichert dich vor der Verfolgung; du bist zwar bekannt, gedruckt sogar und von kritischen Blättern als eine interessante Erscheinung des Tages begrüßt; allein es gelingt dir, dich und Elviren unkenntlich zu machen. Leben mußt du zunächst, du mußt von deinem Talente Vortheile ziehen; du suchst Verbindung in der literarischen Welt, findest sie, und treibst nun bald mit Sturm, bald mit Sonnenschein auf dem Meere der Oeffentlichkeit umher. Welch’ eine Dichtung kömmt nun zur Reife! Das Zarteste verschwistert sich mit dem Wildesten; die Lilie, die so lange die Unschuld bedeutete, erkennt jezt die üppige Sinnlichkeit der Symbole, welche in ihrem Kelche schlummern;

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[264/0266] Verse gebracht, jeder Scherz und Schmerz besungen werden. Martin lebt hier in diesen gefährlichen Uebermuth sich hinein, der uns ergreift, wenn man Muße hat, viel Studien in sich aufzunehmen, seinem Genius zu leben und von materiellen Sorgen verschont bleibt. Besuche geben Feste, die Feste dichterische Ausschmückungen, der Vers wird der Dekorateur und Kostümier der Gelegenheit; ja die Gelegenheit wird zulezt so günstig, daß sie der junge Dichter wahrnimmt und mit Elviren, seiner jüngsten Schülerin, auf und davon geht. Nun, Martin, der vierte Akt beginnt; jezt bist du im Zuge jener exzentrischen Staffagen, welche die modernen Dichter brauchen, um den Charakter der Zerrissenheit wenigstens mit einiger Wahrheit durchzuführen! Das Gewühl einer Hauptstadt sichert dich vor der Verfolgung; du bist zwar bekannt, gedruckt sogar und von kritischen Blättern als eine interessante Erscheinung des Tages begrüßt; allein es gelingt dir, dich und Elviren unkenntlich zu machen. Leben mußt du zunächst, du mußt von deinem Talente Vortheile ziehen; du suchst Verbindung in der literarischen Welt, findest sie, und treibst nun bald mit Sturm, bald mit Sonnenschein auf dem Meere der Oeffentlichkeit umher. Welch’ eine Dichtung kömmt nun zur Reife! Das Zarteste verschwistert sich mit dem Wildesten; die Lilie, die so lange die Unschuld bedeutete, erkennt jezt die üppige Sinnlichkeit der Symbole, welche in ihrem Kelche schlummern;

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/266>, abgerufen am 16.07.2024.