Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.die Gedanken fliegen zwar beschwingt, aber auch spitz und widerhackig, wie Pfeile. Die Prosa wird als satyrischer Contrast der Poesie gegenüber gestellt, und die Poesie ist längst selbst schon ein Surrogat geworden; Gedichte sind nun Epigramme, spitze Pointen werden die Zielpunkte, für welche der Dichter mit Leichtigkeit Mondschein, Sternennächte, Feengrüße und Waldeinsamkeiten koulissenartig zusammenstellen kann. Jezt haben wir die Poesie auf dem Höhepunkt der Zerrissenheit. Die Sonne, die sonst für Gott zeugte, zeugt jezt gegen ihn. Liebe und Freundschaft, die sonst auf den Himmel wiesen, geben jezt der Erde Trotz gegen den Himmel. Die Titanen empören sich aufs Neue, nur daß es Schulden sind und Mißgunst und Verfolgung und der leberfressende Prometheuszweifel, der die Empörung schürt. Martin leidet entsetzlich; Elvire hat ihn verlassen; sie hing sich an Andere, die sie weniger vernachläßigten, als ihr Geliebter. Er zersplittert sich an der Journalistik, er wird ein Opfer literarischer Jndustrie, gute Erfolge machen ihn übermüthig, schlechte trotzig; seine Werke verwandeln sich in Pasquille. Jn den Mauern eines Gefängnisses erst wird er zur Besinnung kommen. Der fünfte Akt zeigt ihn uns auf dem Krankenbette; Eisenstäbe vergittern sein Fenster, Schlösser rasseln, ehe man drei Thüren durchschreitet, durch die man erst zu ihm gelangen kann. Da liegt nun der hohe und kühne Geist, matt und elend ausgestreckt; die Gedanken fliegen zwar beschwingt, aber auch spitz und widerhackig, wie Pfeile. Die Prosa wird als satyrischer Contrast der Poesie gegenüber gestellt, und die Poesie ist längst selbst schon ein Surrogat geworden; Gedichte sind nun Epigramme, spitze Pointen werden die Zielpunkte, für welche der Dichter mit Leichtigkeit Mondschein, Sternennächte, Feengrüße und Waldeinsamkeiten koulissenartig zusammenstellen kann. Jezt haben wir die Poesie auf dem Höhepunkt der Zerrissenheit. Die Sonne, die sonst für Gott zeugte, zeugt jezt gegen ihn. Liebe und Freundschaft, die sonst auf den Himmel wiesen, geben jezt der Erde Trotz gegen den Himmel. Die Titanen empören sich aufs Neue, nur daß es Schulden sind und Mißgunst und Verfolgung und der leberfressende Prometheuszweifel, der die Empörung schürt. Martin leidet entsetzlich; Elvire hat ihn verlassen; sie hing sich an Andere, die sie weniger vernachläßigten, als ihr Geliebter. Er zersplittert sich an der Journalistik, er wird ein Opfer literarischer Jndustrie, gute Erfolge machen ihn übermüthig, schlechte trotzig; seine Werke verwandeln sich in Pasquille. Jn den Mauern eines Gefängnisses erst wird er zur Besinnung kommen. Der fünfte Akt zeigt ihn uns auf dem Krankenbette; Eisenstäbe vergittern sein Fenster, Schlösser rasseln, ehe man drei Thüren durchschreitet, durch die man erst zu ihm gelangen kann. Da liegt nun der hohe und kühne Geist, matt und elend ausgestreckt; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0267" n="265"/> die Gedanken fliegen zwar beschwingt, aber auch spitz und widerhackig, wie Pfeile. Die Prosa wird als satyrischer Contrast der Poesie gegenüber gestellt, und die Poesie ist längst selbst schon ein Surrogat geworden; Gedichte sind nun Epigramme, spitze Pointen werden die Zielpunkte, für welche der Dichter mit Leichtigkeit Mondschein, Sternennächte, Feengrüße und Waldeinsamkeiten koulissenartig zusammenstellen kann. Jezt haben wir die Poesie auf dem Höhepunkt der Zerrissenheit. Die Sonne, die sonst <hi rendition="#g">für</hi> Gott zeugte, zeugt jezt <hi rendition="#g">gegen</hi> ihn. Liebe und Freundschaft, die sonst auf den Himmel wiesen, geben jezt der Erde Trotz gegen den Himmel. Die Titanen empören sich aufs Neue, nur daß es Schulden sind und Mißgunst und Verfolgung und der leberfressende Prometheuszweifel, der die Empörung schürt. <hi rendition="#g">Martin</hi> leidet entsetzlich; <hi rendition="#g">Elvire</hi> hat ihn verlassen; sie hing sich an Andere, die sie weniger vernachläßigten, als ihr Geliebter. Er zersplittert sich an der Journalistik, er wird ein Opfer literarischer Jndustrie, gute Erfolge machen ihn übermüthig, schlechte trotzig; seine Werke verwandeln sich in Pasquille. Jn den Mauern eines Gefängnisses erst wird er zur Besinnung kommen.</p> <p>Der fünfte Akt zeigt ihn uns auf dem Krankenbette; Eisenstäbe vergittern sein Fenster, Schlösser rasseln, ehe man drei Thüren durchschreitet, durch die man erst zu ihm gelangen kann. Da liegt nun der hohe und kühne Geist, matt und elend ausgestreckt; </p> </div> </body> </text> </TEI> [265/0267]
die Gedanken fliegen zwar beschwingt, aber auch spitz und widerhackig, wie Pfeile. Die Prosa wird als satyrischer Contrast der Poesie gegenüber gestellt, und die Poesie ist längst selbst schon ein Surrogat geworden; Gedichte sind nun Epigramme, spitze Pointen werden die Zielpunkte, für welche der Dichter mit Leichtigkeit Mondschein, Sternennächte, Feengrüße und Waldeinsamkeiten koulissenartig zusammenstellen kann. Jezt haben wir die Poesie auf dem Höhepunkt der Zerrissenheit. Die Sonne, die sonst für Gott zeugte, zeugt jezt gegen ihn. Liebe und Freundschaft, die sonst auf den Himmel wiesen, geben jezt der Erde Trotz gegen den Himmel. Die Titanen empören sich aufs Neue, nur daß es Schulden sind und Mißgunst und Verfolgung und der leberfressende Prometheuszweifel, der die Empörung schürt. Martin leidet entsetzlich; Elvire hat ihn verlassen; sie hing sich an Andere, die sie weniger vernachläßigten, als ihr Geliebter. Er zersplittert sich an der Journalistik, er wird ein Opfer literarischer Jndustrie, gute Erfolge machen ihn übermüthig, schlechte trotzig; seine Werke verwandeln sich in Pasquille. Jn den Mauern eines Gefängnisses erst wird er zur Besinnung kommen.
Der fünfte Akt zeigt ihn uns auf dem Krankenbette; Eisenstäbe vergittern sein Fenster, Schlösser rasseln, ehe man drei Thüren durchschreitet, durch die man erst zu ihm gelangen kann. Da liegt nun der hohe und kühne Geist, matt und elend ausgestreckt;
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