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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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Vergangenheit. Höher gestellte Dichter, wie der deutsche Uhland finden im Mittelalter einen Sonnenschein, den der bewölkte Horizont der Gegenwart nicht mehr zeigt. Jhr Bedürfniß nach Ruhe und Stillleben ist so vorherrschend, daß sie ihre Dichtung lieber in die eingefriedigten Schranken der Vergangenheit zurückführen, die einmal abgeschlossen und keiner plötzlichen Störung des poetischen Genusses mehr ausgesezt ist. Diesem lyrischen Jnteresse an der Vergangenheit schließt sich ein episches an. Für die Ballade und Romanze bietet die Gegenwart keinen Stoff*. Es sind nicht die Könige, die Meerfrauen, es ist nicht einmal die verhaßte Feudalität, welche jezt ganz freigesinnte Dichter antreiben kann, sich für epische Stoffe in das Mittelalter zu versenken, sondern das Schauerliche und Erhabene, das Schicksalsmäßige will sich aus dem Neuen nicht so poetisch abstrahiren lassen, wie aus einer Zeit, wo die hübschen romantischen Maschinengötter, die Nixen und Elfen noch eine organische Geltung hatten. Man muß diese Vertiefung in das Alterthum wohl von der im vorigen Jahrhundert üblichen, namentlich durch Macphersons Ossian angeregten, unterscheiden; denn damals ergözte man sich an dem vergrößerten Maßstabe, den die alte Sage von dem Menschen hat, ergözte sich an

* Chamisso hat versucht, Balladen und Romanzen aus der Gegenwart zu schreiben. A. d. U..

Vergangenheit. Höher gestellte Dichter, wie der deutsche Uhland finden im Mittelalter einen Sonnenschein, den der bewölkte Horizont der Gegenwart nicht mehr zeigt. Jhr Bedürfniß nach Ruhe und Stillleben ist so vorherrschend, daß sie ihre Dichtung lieber in die eingefriedigten Schranken der Vergangenheit zurückführen, die einmal abgeschlossen und keiner plötzlichen Störung des poetischen Genusses mehr ausgesezt ist. Diesem lyrischen Jnteresse an der Vergangenheit schließt sich ein episches an. Für die Ballade und Romanze bietet die Gegenwart keinen Stoff*. Es sind nicht die Könige, die Meerfrauen, es ist nicht einmal die verhaßte Feudalität, welche jezt ganz freigesinnte Dichter antreiben kann, sich für epische Stoffe in das Mittelalter zu versenken, sondern das Schauerliche und Erhabene, das Schicksalsmäßige will sich aus dem Neuen nicht so poetisch abstrahiren lassen, wie aus einer Zeit, wo die hübschen romantischen Maschinengötter, die Nixen und Elfen noch eine organische Geltung hatten. Man muß diese Vertiefung in das Alterthum wohl von der im vorigen Jahrhundert üblichen, namentlich durch Macphersons Ossian angeregten, unterscheiden; denn damals ergözte man sich an dem vergrößerten Maßstabe, den die alte Sage von dem Menschen hat, ergözte sich an

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[280/0282] Vergangenheit. Höher gestellte Dichter, wie der deutsche Uhland finden im Mittelalter einen Sonnenschein, den der bewölkte Horizont der Gegenwart nicht mehr zeigt. Jhr Bedürfniß nach Ruhe und Stillleben ist so vorherrschend, daß sie ihre Dichtung lieber in die eingefriedigten Schranken der Vergangenheit zurückführen, die einmal abgeschlossen und keiner plötzlichen Störung des poetischen Genusses mehr ausgesezt ist. Diesem lyrischen Jnteresse an der Vergangenheit schließt sich ein episches an. Für die Ballade und Romanze bietet die Gegenwart keinen Stoff *. Es sind nicht die Könige, die Meerfrauen, es ist nicht einmal die verhaßte Feudalität, welche jezt ganz freigesinnte Dichter antreiben kann, sich für epische Stoffe in das Mittelalter zu versenken, sondern das Schauerliche und Erhabene, das Schicksalsmäßige will sich aus dem Neuen nicht so poetisch abstrahiren lassen, wie aus einer Zeit, wo die hübschen romantischen Maschinengötter, die Nixen und Elfen noch eine organische Geltung hatten. Man muß diese Vertiefung in das Alterthum wohl von der im vorigen Jahrhundert üblichen, namentlich durch Macphersons Ossian angeregten, unterscheiden; denn damals ergözte man sich an dem vergrößerten Maßstabe, den die alte Sage von dem Menschen hat, ergözte sich an * Chamisso hat versucht, Balladen und Romanzen aus der Gegenwart zu schreiben. A. d. U..

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/282>, abgerufen am 22.11.2024.