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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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so liegt doch auch in diesem negativen Verhältnisse die schöne Anerkennung, daß bei uns die Poesie nicht mehr blos die Frucht der Schule und der Ueberkultur ist, sondern daß sie einen warmen Fleck in der Nähe unserer Herzen einnimmt, daß sie etwas aus unsern Zuständen Gebornes, weil von ihnen Bedingtes ist. Würde ein Epos, das den dreißigjährigen Krieg besänge oder ein noch kunstvolleres, dessen Stoff der alten Mythologie entnommen wäre, bei uns einen bereitwilligen Anklang finden? Nein, ein kleines Gedicht, moderne Gemüthszustände anklingend, ist uns werther, als die größte Epopee.

Jm Vordergrunde der neuern Literaturgeschichte steht der Roman. Dieser mußte Epos, Drama und Lyrik in sich vereinigen; etwas wirklich oder doch wahrscheinlich Geschehenes mußte ihm zum Grunde liegen; nicht so viel, daß man das täglich uns Umgebende wieder gesehen hätte, wohl aber, daß man daran erinnert wird und Aehnliches mit Aehnlichem vergleichen kann. Jm Roman hauptsächlich sprechen sich alle Anforderungen aus, welche die Menschen heut an die Poesie machen. Es muß sich zunächst um ein Reelles handeln, das keine bloße Luftspiegelung ist oder doch keine sogleich zu seyn scheint. Die Liebe muß das lyrische Element bilden, Ehrgeiz, Schicksal oder sonst eine gewaltige Leidenschaft das dramatische. Um das Ganze herum sieht man gern die Arabesken einer zeitgemäßen Beziehung hereinranken; man

so liegt doch auch in diesem negativen Verhältnisse die schöne Anerkennung, daß bei uns die Poesie nicht mehr blos die Frucht der Schule und der Ueberkultur ist, sondern daß sie einen warmen Fleck in der Nähe unserer Herzen einnimmt, daß sie etwas aus unsern Zuständen Gebornes, weil von ihnen Bedingtes ist. Würde ein Epos, das den dreißigjährigen Krieg besänge oder ein noch kunstvolleres, dessen Stoff der alten Mythologie entnommen wäre, bei uns einen bereitwilligen Anklang finden? Nein, ein kleines Gedicht, moderne Gemüthszustände anklingend, ist uns werther, als die größte Epopée.

Jm Vordergrunde der neuern Literaturgeschichte steht der Roman. Dieser mußte Epos, Drama und Lyrik in sich vereinigen; etwas wirklich oder doch wahrscheinlich Geschehenes mußte ihm zum Grunde liegen; nicht so viel, daß man das täglich uns Umgebende wieder gesehen hätte, wohl aber, daß man daran erinnert wird und Aehnliches mit Aehnlichem vergleichen kann. Jm Roman hauptsächlich sprechen sich alle Anforderungen aus, welche die Menschen heut an die Poesie machen. Es muß sich zunächst um ein Reelles handeln, das keine bloße Luftspiegelung ist oder doch keine sogleich zu seyn scheint. Die Liebe muß das lyrische Element bilden, Ehrgeiz, Schicksal oder sonst eine gewaltige Leidenschaft das dramatische. Um das Ganze herum sieht man gern die Arabesken einer zeitgemäßen Beziehung hereinranken; man

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[284/0286] so liegt doch auch in diesem negativen Verhältnisse die schöne Anerkennung, daß bei uns die Poesie nicht mehr blos die Frucht der Schule und der Ueberkultur ist, sondern daß sie einen warmen Fleck in der Nähe unserer Herzen einnimmt, daß sie etwas aus unsern Zuständen Gebornes, weil von ihnen Bedingtes ist. Würde ein Epos, das den dreißigjährigen Krieg besänge oder ein noch kunstvolleres, dessen Stoff der alten Mythologie entnommen wäre, bei uns einen bereitwilligen Anklang finden? Nein, ein kleines Gedicht, moderne Gemüthszustände anklingend, ist uns werther, als die größte Epopée. Jm Vordergrunde der neuern Literaturgeschichte steht der Roman. Dieser mußte Epos, Drama und Lyrik in sich vereinigen; etwas wirklich oder doch wahrscheinlich Geschehenes mußte ihm zum Grunde liegen; nicht so viel, daß man das täglich uns Umgebende wieder gesehen hätte, wohl aber, daß man daran erinnert wird und Aehnliches mit Aehnlichem vergleichen kann. Jm Roman hauptsächlich sprechen sich alle Anforderungen aus, welche die Menschen heut an die Poesie machen. Es muß sich zunächst um ein Reelles handeln, das keine bloße Luftspiegelung ist oder doch keine sogleich zu seyn scheint. Die Liebe muß das lyrische Element bilden, Ehrgeiz, Schicksal oder sonst eine gewaltige Leidenschaft das dramatische. Um das Ganze herum sieht man gern die Arabesken einer zeitgemäßen Beziehung hereinranken; man

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/286>, abgerufen am 22.11.2024.