Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.lassen. Wem sollten jene Richtungen der Geschichtschreibung, der Philosophie, der Naturwissenschaft und selbst der Medizin, die wir hier meinen, nicht einfallen? Freilich haben die Wissenschaften sich in neuer Zeit meist immer der günstigsten Umstände zu erfreuen gehabt. Da man wohl fühlte, daß nicht nur das moralische und gesittete, sondern auch das gesellschaftliche Wohl der Menschen in ihre Hände gegeben war, so beeiferte man sich, ihnen entgegen zu kommen, sie freundlich aufzunehmen und zu pflegen. Die neue Zeit hat vom Mittelalter sich nur durch die Wissenschaft befreit; die Wissenschaft schlug die 95 Thesen an die Schloßkirche von Wittenberg, die Wissenschaft hielt die Elemente, die durch und mit der Reformation in Gährung kamen, im beständigen Zufluß der streitenden Stoffe. Ohne sie konnte kein Vorrecht mehr behauptet, ohne sie keines bestritten werden. Und wenn sie das Pulver erfand, wenn sie Amerika entdeckte, so wußte sie doch noch etwas Gewaltigeres darauf zu setzen, die Presse, die mächtiger war, als das Pulver und überredender, als das Gold Amerika's. Gewalt ging nicht mehr vor Recht, Leidenschaft nicht mehr vor Vernunft. Was man durch irrthümliche Beweisführung antastete, konnte durch Waffengewalt wohl gesichert werden, aber vor allem Volk nicht anders gerechtfertigt, als durch die siegreiche Widerlegung, durch Gegengründe. Selbst der schlechte lassen. Wem sollten jene Richtungen der Geschichtschreibung, der Philosophie, der Naturwissenschaft und selbst der Medizin, die wir hier meinen, nicht einfallen? Freilich haben die Wissenschaften sich in neuer Zeit meist immer der günstigsten Umstände zu erfreuen gehabt. Da man wohl fühlte, daß nicht nur das moralische und gesittete, sondern auch das gesellschaftliche Wohl der Menschen in ihre Hände gegeben war, so beeiferte man sich, ihnen entgegen zu kommen, sie freundlich aufzunehmen und zu pflegen. Die neue Zeit hat vom Mittelalter sich nur durch die Wissenschaft befreit; die Wissenschaft schlug die 95 Thesen an die Schloßkirche von Wittenberg, die Wissenschaft hielt die Elemente, die durch und mit der Reformation in Gährung kamen, im beständigen Zufluß der streitenden Stoffe. Ohne sie konnte kein Vorrecht mehr behauptet, ohne sie keines bestritten werden. Und wenn sie das Pulver erfand, wenn sie Amerika entdeckte, so wußte sie doch noch etwas Gewaltigeres darauf zu setzen, die Presse, die mächtiger war, als das Pulver und überredender, als das Gold Amerika’s. Gewalt ging nicht mehr vor Recht, Leidenschaft nicht mehr vor Vernunft. Was man durch irrthümliche Beweisführung antastete, konnte durch Waffengewalt wohl gesichert werden, aber vor allem Volk nicht anders gerechtfertigt, als durch die siegreiche Widerlegung, durch Gegengründe. Selbst der schlechte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0298" n="296"/> lassen. Wem sollten jene Richtungen der Geschichtschreibung, der Philosophie, der Naturwissenschaft und selbst der Medizin, die wir hier meinen, nicht einfallen?</p> <p>Freilich haben die Wissenschaften sich in neuer Zeit meist immer der günstigsten Umstände zu erfreuen gehabt. Da man wohl fühlte, daß nicht nur das moralische und gesittete, sondern auch das gesellschaftliche Wohl der Menschen in ihre Hände gegeben war, so beeiferte man sich, ihnen entgegen zu kommen, sie freundlich aufzunehmen und zu pflegen. Die neue Zeit hat vom Mittelalter sich nur durch die Wissenschaft befreit; die Wissenschaft schlug die 95 Thesen an die Schloßkirche von Wittenberg, die Wissenschaft hielt die Elemente, die durch und mit der Reformation in Gährung kamen, im beständigen Zufluß der streitenden Stoffe. Ohne sie konnte kein Vorrecht mehr behauptet, ohne sie keines bestritten werden. Und wenn sie das Pulver erfand, wenn sie Amerika entdeckte, so wußte sie doch noch etwas Gewaltigeres darauf zu setzen, die Presse, die mächtiger war, als das Pulver und überredender, als das Gold Amerika’s. Gewalt ging nicht mehr vor Recht, Leidenschaft nicht mehr vor Vernunft. Was man durch irrthümliche Beweisführung antastete, konnte durch Waffengewalt wohl gesichert werden, aber vor allem Volk nicht anders gerechtfertigt, als durch die siegreiche Widerlegung, durch Gegengründe. Selbst der schlechte </p> </div> </body> </text> </TEI> [296/0298]
lassen. Wem sollten jene Richtungen der Geschichtschreibung, der Philosophie, der Naturwissenschaft und selbst der Medizin, die wir hier meinen, nicht einfallen?
Freilich haben die Wissenschaften sich in neuer Zeit meist immer der günstigsten Umstände zu erfreuen gehabt. Da man wohl fühlte, daß nicht nur das moralische und gesittete, sondern auch das gesellschaftliche Wohl der Menschen in ihre Hände gegeben war, so beeiferte man sich, ihnen entgegen zu kommen, sie freundlich aufzunehmen und zu pflegen. Die neue Zeit hat vom Mittelalter sich nur durch die Wissenschaft befreit; die Wissenschaft schlug die 95 Thesen an die Schloßkirche von Wittenberg, die Wissenschaft hielt die Elemente, die durch und mit der Reformation in Gährung kamen, im beständigen Zufluß der streitenden Stoffe. Ohne sie konnte kein Vorrecht mehr behauptet, ohne sie keines bestritten werden. Und wenn sie das Pulver erfand, wenn sie Amerika entdeckte, so wußte sie doch noch etwas Gewaltigeres darauf zu setzen, die Presse, die mächtiger war, als das Pulver und überredender, als das Gold Amerika’s. Gewalt ging nicht mehr vor Recht, Leidenschaft nicht mehr vor Vernunft. Was man durch irrthümliche Beweisführung antastete, konnte durch Waffengewalt wohl gesichert werden, aber vor allem Volk nicht anders gerechtfertigt, als durch die siegreiche Widerlegung, durch Gegengründe. Selbst der schlechte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |