Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Zweck heiligte zwar nicht das Mittel, sprach aber oft ein gutes Mittel um Hilfe an, oder machte, daß selbst das in der Moral schlechte wissenschaftliche Mittel doch für die Wissenschaft manchmal gut zu nennen war. Die scharfsinnigsten Wahrheiten wurden an einander gereiht, um leider eine Lüge zu beweisen. Der Zweck diente einer augenblicklichen Bestechung, einer despotischen Laune, die nächste Folge kam ihr zu Gute; aber die entferntere floß doch wieder in die Wissenschaft zurück und mehrte ihren Reichthum. Die Leiden der Gesellschaft strengten das wissenschaftliche Nachdenken an, um ihnen abzuhelfen. Ja, was sind nicht für außerordentliche wissenschaftliche Resultate aus der Auflösung politischer Verhältnisse hervorgegangen, gerade wie die Medizin sich nicht auf die Gesundheit, sondern die Krankheit der Menschen stüzt. Als die Feudalität und der Lokalgeist von der Centralisation des souverainen Monarchismus besiegt wurde, als die Aufrechthaltung einer unmittelbar aus Gott fließenden königlichen Würde, von den Trabanten des Ehrgeizes, der Sinnlichkeit und der durch beide hervorgerufenen Habsucht umgeben war, da wurden z. B. die Fabriken in eine krampfhafte Thätigkeit versezt, die zum Entdecken zwang. Der Leichtsinn der Finanzverwaltung schuf die wunderbar komplizirte Mathematik des noch jezt geltenden Bankwesens. Mitten im Gedräng der immer höher steigenden materiellen Schwierigkeiten für Handel und Gewerbe, stellte Zweck heiligte zwar nicht das Mittel, sprach aber oft ein gutes Mittel um Hilfe an, oder machte, daß selbst das in der Moral schlechte wissenschaftliche Mittel doch für die Wissenschaft manchmal gut zu nennen war. Die scharfsinnigsten Wahrheiten wurden an einander gereiht, um leider eine Lüge zu beweisen. Der Zweck diente einer augenblicklichen Bestechung, einer despotischen Laune, die nächste Folge kam ihr zu Gute; aber die entferntere floß doch wieder in die Wissenschaft zurück und mehrte ihren Reichthum. Die Leiden der Gesellschaft strengten das wissenschaftliche Nachdenken an, um ihnen abzuhelfen. Ja, was sind nicht für außerordentliche wissenschaftliche Resultate aus der Auflösung politischer Verhältnisse hervorgegangen, gerade wie die Medizin sich nicht auf die Gesundheit, sondern die Krankheit der Menschen stüzt. Als die Feudalität und der Lokalgeist von der Centralisation des souverainen Monarchismus besiegt wurde, als die Aufrechthaltung einer unmittelbar aus Gott fließenden königlichen Würde, von den Trabanten des Ehrgeizes, der Sinnlichkeit und der durch beide hervorgerufenen Habsucht umgeben war, da wurden z. B. die Fabriken in eine krampfhafte Thätigkeit versezt, die zum Entdecken zwang. Der Leichtsinn der Finanzverwaltung schuf die wunderbar komplizirte Mathematik des noch jezt geltenden Bankwesens. Mitten im Gedräng der immer höher steigenden materiellen Schwierigkeiten für Handel und Gewerbe, stellte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0299" n="297"/> Zweck heiligte zwar nicht das Mittel, sprach aber oft ein gutes Mittel um Hilfe an, oder machte, daß selbst das in der Moral schlechte wissenschaftliche Mittel doch für die Wissenschaft manchmal gut zu nennen war. Die scharfsinnigsten Wahrheiten wurden an einander gereiht, um leider eine Lüge zu beweisen. Der Zweck diente einer augenblicklichen Bestechung, einer despotischen Laune, die nächste Folge kam ihr zu Gute; aber die entferntere floß doch wieder in die Wissenschaft zurück und mehrte ihren Reichthum. Die Leiden der Gesellschaft strengten das wissenschaftliche Nachdenken an, um ihnen abzuhelfen. Ja, was sind nicht für außerordentliche wissenschaftliche Resultate aus der Auflösung politischer Verhältnisse hervorgegangen, gerade wie die Medizin sich nicht auf die Gesundheit, sondern die Krankheit der Menschen stüzt. Als die Feudalität und der Lokalgeist von der Centralisation des souverainen Monarchismus besiegt wurde, als die Aufrechthaltung einer unmittelbar aus Gott fließenden königlichen Würde, von den Trabanten des Ehrgeizes, der Sinnlichkeit und der durch beide hervorgerufenen Habsucht umgeben war, da wurden z. B. die Fabriken in eine krampfhafte Thätigkeit versezt, die zum Entdecken zwang. Der Leichtsinn der Finanzverwaltung schuf die wunderbar komplizirte Mathematik des noch jezt geltenden Bankwesens. Mitten im Gedräng der immer höher steigenden materiellen Schwierigkeiten für Handel und Gewerbe, stellte </p> </div> </body> </text> </TEI> [297/0299]
Zweck heiligte zwar nicht das Mittel, sprach aber oft ein gutes Mittel um Hilfe an, oder machte, daß selbst das in der Moral schlechte wissenschaftliche Mittel doch für die Wissenschaft manchmal gut zu nennen war. Die scharfsinnigsten Wahrheiten wurden an einander gereiht, um leider eine Lüge zu beweisen. Der Zweck diente einer augenblicklichen Bestechung, einer despotischen Laune, die nächste Folge kam ihr zu Gute; aber die entferntere floß doch wieder in die Wissenschaft zurück und mehrte ihren Reichthum. Die Leiden der Gesellschaft strengten das wissenschaftliche Nachdenken an, um ihnen abzuhelfen. Ja, was sind nicht für außerordentliche wissenschaftliche Resultate aus der Auflösung politischer Verhältnisse hervorgegangen, gerade wie die Medizin sich nicht auf die Gesundheit, sondern die Krankheit der Menschen stüzt. Als die Feudalität und der Lokalgeist von der Centralisation des souverainen Monarchismus besiegt wurde, als die Aufrechthaltung einer unmittelbar aus Gott fließenden königlichen Würde, von den Trabanten des Ehrgeizes, der Sinnlichkeit und der durch beide hervorgerufenen Habsucht umgeben war, da wurden z. B. die Fabriken in eine krampfhafte Thätigkeit versezt, die zum Entdecken zwang. Der Leichtsinn der Finanzverwaltung schuf die wunderbar komplizirte Mathematik des noch jezt geltenden Bankwesens. Mitten im Gedräng der immer höher steigenden materiellen Schwierigkeiten für Handel und Gewerbe, stellte
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/299>, abgerufen am 16.07.2024. |