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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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verschreiben. Die philosophischen Systeme, die Stimmungen des Zeitgeistes, der Aberglaube, die Mystik, alles hat auf die Lehre vom Kranken und zu heilenden Menschen Einfluß gehabt.

Wer ist dabei mehr zu bedauern, als der Patient? Er stöhnt und ächzt, der Arzt wird an sein Lager gerufen, dieser freut sich der Gelegenheit, von einem Vorschlage, den er so eben in einem Buche gelesen, die Anwendung zu machen; das Leiden wird die willkommene Gelegenheit zu einem Experimente. Ein anderer hat gute anatomische Studien gemacht, er würde die Todten, wenn sie krank würden, sehr gut heilen können; wie aber die Lebenden? So ist die Medizin eine Kunst, die wir am meisten verwünschen und die wir doch am meisten bedürfen. Ohnehin sind die Aerzte diejenige gelehrte Klasse, welche vielleicht am eifersüchtigsten über ihre so zweifelhaften Kenntnisse wacht. Jn keinem Fach vermessen sich die Schüler mit so gräßlichen Schwüren auf die Lehren ihrer Meister, als in der Medizin. Was sie in den Schulen gelernt haben, scheint ihnen meistentheils unwiderleglich; eine Ueberzeugung, die sie einmal gewannen, können sie, selbst wenn hundert Fälle dagegen zeugen, nie wieder aufgeben. Ein Mittel, das einmal half, wenden sie immer wieder an, wenn es später auch zehnmal fehlschlug. Die Aerzte fühlen allerdings, daß sie eine traurige Figur spielen, wenn sie selbst an ihrem Erlernten zu zweifeln anfangen.

verschreiben. Die philosophischen Systeme, die Stimmungen des Zeitgeistes, der Aberglaube, die Mystik, alles hat auf die Lehre vom Kranken und zu heilenden Menschen Einfluß gehabt.

Wer ist dabei mehr zu bedauern, als der Patient? Er stöhnt und ächzt, der Arzt wird an sein Lager gerufen, dieser freut sich der Gelegenheit, von einem Vorschlage, den er so eben in einem Buche gelesen, die Anwendung zu machen; das Leiden wird die willkommene Gelegenheit zu einem Experimente. Ein anderer hat gute anatomische Studien gemacht, er würde die Todten, wenn sie krank würden, sehr gut heilen können; wie aber die Lebenden? So ist die Medizin eine Kunst, die wir am meisten verwünschen und die wir doch am meisten bedürfen. Ohnehin sind die Aerzte diejenige gelehrte Klasse, welche vielleicht am eifersüchtigsten über ihre so zweifelhaften Kenntnisse wacht. Jn keinem Fach vermessen sich die Schüler mit so gräßlichen Schwüren auf die Lehren ihrer Meister, als in der Medizin. Was sie in den Schulen gelernt haben, scheint ihnen meistentheils unwiderleglich; eine Ueberzeugung, die sie einmal gewannen, können sie, selbst wenn hundert Fälle dagegen zeugen, nie wieder aufgeben. Ein Mittel, das einmal half, wenden sie immer wieder an, wenn es später auch zehnmal fehlschlug. Die Aerzte fühlen allerdings, daß sie eine traurige Figur spielen, wenn sie selbst an ihrem Erlernten zu zweifeln anfangen.

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[332/0334] verschreiben. Die philosophischen Systeme, die Stimmungen des Zeitgeistes, der Aberglaube, die Mystik, alles hat auf die Lehre vom Kranken und zu heilenden Menschen Einfluß gehabt. Wer ist dabei mehr zu bedauern, als der Patient? Er stöhnt und ächzt, der Arzt wird an sein Lager gerufen, dieser freut sich der Gelegenheit, von einem Vorschlage, den er so eben in einem Buche gelesen, die Anwendung zu machen; das Leiden wird die willkommene Gelegenheit zu einem Experimente. Ein anderer hat gute anatomische Studien gemacht, er würde die Todten, wenn sie krank würden, sehr gut heilen können; wie aber die Lebenden? So ist die Medizin eine Kunst, die wir am meisten verwünschen und die wir doch am meisten bedürfen. Ohnehin sind die Aerzte diejenige gelehrte Klasse, welche vielleicht am eifersüchtigsten über ihre so zweifelhaften Kenntnisse wacht. Jn keinem Fach vermessen sich die Schüler mit so gräßlichen Schwüren auf die Lehren ihrer Meister, als in der Medizin. Was sie in den Schulen gelernt haben, scheint ihnen meistentheils unwiderleglich; eine Ueberzeugung, die sie einmal gewannen, können sie, selbst wenn hundert Fälle dagegen zeugen, nie wieder aufgeben. Ein Mittel, das einmal half, wenden sie immer wieder an, wenn es später auch zehnmal fehlschlug. Die Aerzte fühlen allerdings, daß sie eine traurige Figur spielen, wenn sie selbst an ihrem Erlernten zu zweifeln anfangen.

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/334>, abgerufen am 10.11.2024.