Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.seiner nicht sehr ausgedehnten Kundschaft, in einer großen Stadt, die mit Aerzten besezt ist, oder auf dem Lande, wo die Leute die Gewohnheit haben, gesund zu seyn, da nehmen sie sich anders, und, wer gesteht es nicht, oft weit gehässiger aus. Man kann sagen, daß ich hier Sitten und nicht Wissenschaft schildere; allein wie sehr diese durch jene bedingt wird, erkennt man auch daraus, daß es kein geringer Fehler der medizinischen Systematik ist, wenn sie für die Krankheiten aller Länderstriche ein und dieselbe Behandlung vorschreibt. Das Klima und die Lebensart sind meist immer der Sitz der Krankheiten und ihre Behandlung sollte darnach sich richten. Man hat gut lächeln, wenn man hört, daß in Jtalien Alles nach der Methode des Gegendrucks geheilt wird; allein beim Jtaliener ist die Krankheit fast immer Ueberreizung und seine Natur und Gewohnheit nicht von der Art, daß bloß die Entziehung und Depression ihn wieder ins Gleichgewicht bringt, sondern der Ueberreiz auf der einen Seite erfordert fast einen eben so großen auf der andern, eine Heilungsmethode, die für Deutschland und England, auf die Länder der nüchternen Reflexion nicht paßt. Ja selbst die Blutreinigungsmethode der Franzosen scheint mir vollkommen für diese Nation angemessen; die Ueberreizung entsteht mehr aus der Sinnlichkeit bei den Jtalienern, die Entzündung aber bei den Franzosen aus einem Temperament, das mehr nach Außen als nach Jnnen seiner nicht sehr ausgedehnten Kundschaft, in einer großen Stadt, die mit Aerzten besezt ist, oder auf dem Lande, wo die Leute die Gewohnheit haben, gesund zu seyn, da nehmen sie sich anders, und, wer gesteht es nicht, oft weit gehässiger aus. Man kann sagen, daß ich hier Sitten und nicht Wissenschaft schildere; allein wie sehr diese durch jene bedingt wird, erkennt man auch daraus, daß es kein geringer Fehler der medizinischen Systematik ist, wenn sie für die Krankheiten aller Länderstriche ein und dieselbe Behandlung vorschreibt. Das Klima und die Lebensart sind meist immer der Sitz der Krankheiten und ihre Behandlung sollte darnach sich richten. Man hat gut lächeln, wenn man hört, daß in Jtalien Alles nach der Methode des Gegendrucks geheilt wird; allein beim Jtaliener ist die Krankheit fast immer Ueberreizung und seine Natur und Gewohnheit nicht von der Art, daß bloß die Entziehung und Depression ihn wieder ins Gleichgewicht bringt, sondern der Ueberreiz auf der einen Seite erfordert fast einen eben so großen auf der andern, eine Heilungsmethode, die für Deutschland und England, auf die Länder der nüchternen Reflexion nicht paßt. Ja selbst die Blutreinigungsmethode der Franzosen scheint mir vollkommen für diese Nation angemessen; die Ueberreizung entsteht mehr aus der Sinnlichkeit bei den Jtalienern, die Entzündung aber bei den Franzosen aus einem Temperament, das mehr nach Außen als nach Jnnen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0336" n="334"/> seiner nicht sehr ausgedehnten Kundschaft, in einer großen Stadt, die mit Aerzten besezt ist, oder auf dem Lande, wo die Leute die Gewohnheit haben, gesund zu seyn, da nehmen sie sich anders, und, wer gesteht es nicht, oft weit gehässiger aus.</p> <p>Man kann sagen, daß ich hier Sitten und nicht Wissenschaft schildere; allein wie sehr diese durch jene bedingt wird, erkennt man auch daraus, daß es kein geringer Fehler der medizinischen Systematik ist, wenn sie für die Krankheiten aller Länderstriche ein und dieselbe Behandlung vorschreibt. Das Klima und die Lebensart sind meist immer der Sitz der Krankheiten und ihre Behandlung sollte darnach sich richten. Man hat gut lächeln, wenn man hört, daß in Jtalien Alles nach der Methode des Gegendrucks geheilt wird; allein beim Jtaliener ist die Krankheit fast immer Ueberreizung und seine Natur und Gewohnheit nicht von der Art, daß bloß die Entziehung und Depression ihn wieder ins Gleichgewicht bringt, sondern der Ueberreiz auf der einen Seite erfordert fast einen eben so großen auf der andern, eine Heilungsmethode, die für Deutschland und England, auf die Länder der nüchternen Reflexion nicht paßt. Ja selbst die Blutreinigungsmethode der Franzosen scheint mir vollkommen für diese Nation angemessen; die Ueberreizung entsteht mehr aus der Sinnlichkeit bei den Jtalienern, die Entzündung aber bei den Franzosen aus einem Temperament, das mehr nach Außen als nach Jnnen </p> </div> </body> </text> </TEI> [334/0336]
seiner nicht sehr ausgedehnten Kundschaft, in einer großen Stadt, die mit Aerzten besezt ist, oder auf dem Lande, wo die Leute die Gewohnheit haben, gesund zu seyn, da nehmen sie sich anders, und, wer gesteht es nicht, oft weit gehässiger aus.
Man kann sagen, daß ich hier Sitten und nicht Wissenschaft schildere; allein wie sehr diese durch jene bedingt wird, erkennt man auch daraus, daß es kein geringer Fehler der medizinischen Systematik ist, wenn sie für die Krankheiten aller Länderstriche ein und dieselbe Behandlung vorschreibt. Das Klima und die Lebensart sind meist immer der Sitz der Krankheiten und ihre Behandlung sollte darnach sich richten. Man hat gut lächeln, wenn man hört, daß in Jtalien Alles nach der Methode des Gegendrucks geheilt wird; allein beim Jtaliener ist die Krankheit fast immer Ueberreizung und seine Natur und Gewohnheit nicht von der Art, daß bloß die Entziehung und Depression ihn wieder ins Gleichgewicht bringt, sondern der Ueberreiz auf der einen Seite erfordert fast einen eben so großen auf der andern, eine Heilungsmethode, die für Deutschland und England, auf die Länder der nüchternen Reflexion nicht paßt. Ja selbst die Blutreinigungsmethode der Franzosen scheint mir vollkommen für diese Nation angemessen; die Ueberreizung entsteht mehr aus der Sinnlichkeit bei den Jtalienern, die Entzündung aber bei den Franzosen aus einem Temperament, das mehr nach Außen als nach Jnnen
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