Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.zu seyn. Die Sucht nach Reichthümern kann von der eifrigsten Hingebung an die Arbeit und den Erwerb nicht mehr befriedigt werden. Die Kapitalien sind so fest geworden, daß an vielen Orten nur noch die Lotterie im Stande ist, neue zu schaffen. Die Menschen wissen nur zu gut, daß die jetzigen Handels- und Gewerbsconjunkturen nicht mehr die früheren Erfolge haben, und werden sich daher immer noch eifriger drängen, auf den Zufall zu bauen. Die Sucht an der Lotterie ist auf dem Continente eher im Zu- als Abnehmen begriffen. Die Verzweiflung ist bei Vielen so groß, daß sie ihr ganzes Vermögen aufs Spiel setzen, um sich zu bereichern. Die zahmsten jedoch unter den Spielern sind die Schachklubbisten, die Philosophen unter den Spielern. Berühmte Matadore dieser Kunst werden aber seltner. Man zieht es vor, in Masse zu spielen, wenigstens wird, trotz der Quadrupelallianz, ein fortwährender Krieg zwischen England und Frankreich, jedoch nur mit Schacharmeen, geführt. Das vorige Jahrhundert war tiefsinniger in der Metaphysik. Wir haben jezt im Schachspiel nur eingeschossene Empiriker, keine Newton und Leibnitz mehr. Kein einziger neuer Zug ist mehr entdeckt worden; dennoch gibt es noch Viele, die sich begnügen, das Schachspiel nur erlernt zu haben. Es sind gewöhnlich die Freunde derselben Männer, welche sich von den Wirren des Parteigeistes zu befreien suchen und wenigstens darnach trachten, zu seyn. Die Sucht nach Reichthümern kann von der eifrigsten Hingebung an die Arbeit und den Erwerb nicht mehr befriedigt werden. Die Kapitalien sind so fest geworden, daß an vielen Orten nur noch die Lotterie im Stande ist, neue zu schaffen. Die Menschen wissen nur zu gut, daß die jetzigen Handels- und Gewerbsconjunkturen nicht mehr die früheren Erfolge haben, und werden sich daher immer noch eifriger drängen, auf den Zufall zu bauen. Die Sucht an der Lotterie ist auf dem Continente eher im Zu- als Abnehmen begriffen. Die Verzweiflung ist bei Vielen so groß, daß sie ihr ganzes Vermögen aufs Spiel setzen, um sich zu bereichern. Die zahmsten jedoch unter den Spielern sind die Schachklubbisten, die Philosophen unter den Spielern. Berühmte Matadore dieser Kunst werden aber seltner. Man zieht es vor, in Masse zu spielen, wenigstens wird, trotz der Quadrupelallianz, ein fortwährender Krieg zwischen England und Frankreich, jedoch nur mit Schacharmeen, geführt. Das vorige Jahrhundert war tiefsinniger in der Metaphysik. Wir haben jezt im Schachspiel nur eingeschossene Empiriker, keine Newton und Leibnitz mehr. Kein einziger neuer Zug ist mehr entdeckt worden; dennoch gibt es noch Viele, die sich begnügen, das Schachspiel nur erlernt zu haben. Es sind gewöhnlich die Freunde derselben Männer, welche sich von den Wirren des Parteigeistes zu befreien suchen und wenigstens darnach trachten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0040" n="38"/> zu seyn. Die Sucht nach Reichthümern kann von der eifrigsten Hingebung an die Arbeit und den Erwerb nicht mehr befriedigt werden. Die Kapitalien sind so fest geworden, daß an vielen Orten nur noch die Lotterie im Stande ist, <hi rendition="#g">neue</hi> zu schaffen. Die Menschen wissen nur zu gut, daß die jetzigen Handels- und Gewerbsconjunkturen nicht mehr die früheren Erfolge haben, und werden sich daher immer noch eifriger drängen, auf den Zufall zu bauen. Die Sucht an der Lotterie ist auf dem Continente eher im Zu- als Abnehmen begriffen. Die Verzweiflung ist bei Vielen so groß, daß sie ihr ganzes Vermögen aufs Spiel setzen, um sich zu bereichern. Die zahmsten jedoch unter den Spielern sind die Schachklubbisten, die Philosophen unter den Spielern. <hi rendition="#g">Berühmte</hi> Matadore dieser Kunst werden aber seltner. Man zieht es vor, in Masse zu spielen, wenigstens wird, trotz der Quadrupelallianz, ein fortwährender Krieg zwischen England und Frankreich, jedoch nur mit <hi rendition="#g">Schach</hi>armeen, geführt. Das vorige Jahrhundert war tiefsinniger in der Metaphysik. Wir haben jezt im Schachspiel nur eingeschossene Empiriker, keine <hi rendition="#g">Newton</hi> und <hi rendition="#g">Leibnitz</hi> mehr. Kein einziger neuer Zug ist mehr entdeckt worden; dennoch gibt es noch Viele, die sich begnügen, das Schachspiel nur <hi rendition="#g">erlernt</hi> zu haben. Es sind gewöhnlich die Freunde derselben Männer, welche sich von den Wirren des Parteigeistes zu befreien suchen und wenigstens darnach trachten, </p> </div> </body> </text> </TEI> [38/0040]
zu seyn. Die Sucht nach Reichthümern kann von der eifrigsten Hingebung an die Arbeit und den Erwerb nicht mehr befriedigt werden. Die Kapitalien sind so fest geworden, daß an vielen Orten nur noch die Lotterie im Stande ist, neue zu schaffen. Die Menschen wissen nur zu gut, daß die jetzigen Handels- und Gewerbsconjunkturen nicht mehr die früheren Erfolge haben, und werden sich daher immer noch eifriger drängen, auf den Zufall zu bauen. Die Sucht an der Lotterie ist auf dem Continente eher im Zu- als Abnehmen begriffen. Die Verzweiflung ist bei Vielen so groß, daß sie ihr ganzes Vermögen aufs Spiel setzen, um sich zu bereichern. Die zahmsten jedoch unter den Spielern sind die Schachklubbisten, die Philosophen unter den Spielern. Berühmte Matadore dieser Kunst werden aber seltner. Man zieht es vor, in Masse zu spielen, wenigstens wird, trotz der Quadrupelallianz, ein fortwährender Krieg zwischen England und Frankreich, jedoch nur mit Schacharmeen, geführt. Das vorige Jahrhundert war tiefsinniger in der Metaphysik. Wir haben jezt im Schachspiel nur eingeschossene Empiriker, keine Newton und Leibnitz mehr. Kein einziger neuer Zug ist mehr entdeckt worden; dennoch gibt es noch Viele, die sich begnügen, das Schachspiel nur erlernt zu haben. Es sind gewöhnlich die Freunde derselben Männer, welche sich von den Wirren des Parteigeistes zu befreien suchen und wenigstens darnach trachten,
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